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Gesundheit: Wie neugeboren

Wer fastet, nimmt zwar schnell ab – aber leider danach auch schnell wieder zu, sagen Diätexperten

Moses tat es, als er sich 40 Tage lang auf den Berg Sinai zurückzog, Jesus bereitete sich so in der Stille auf seinen Dienst vor, Gandhi verband politische mit den spirituellen Absichten, als er es praktizierte. Die Rede ist vom zeitweisen, ebenso freiwilligen wie konsequenten Verzicht auf kalorienhaltige Speisen und Getränke.

Mit dem Fasten, in den Religionen ein Akt der Selbstkasteiung, der Reinigung und Buße, werden heute vielfältige Hoffnungen verbunden, auch für die Gesundheit. „Wie neugeboren durch Fasten“, heißt der wohl erfolgreichste ärztliche Ratgeber zum Thema.

Keine Nahrung zu sich zu nehmen, kann möglicherweise sogar glücklich machen. Zumindest legen das Untersuchungen an Ratten nahe, die im Labor einige Tage hungern mussten. Danach waren in ihrem Gehirn deutlich größere Mengen des Hirn-Botenstoffs Serotonin verfügbar, der als „Glücksbote“ gilt.

„Fasten kann einen harmonisierenden Effekt zum Tragen bringen“, folgert der Göttinger Psychiater Gerald Huether. Beim Menschen gelte das aber nur, wenn er freiwillig und bewusst auf Nahrung verzichte. Sonst kommt diesem schönen Effekt die Angst vor Hungersnöten in die Quere, die den Menschen in seiner Geschichte vielfach bedrohten.

Wenn unsere Vorfahren nicht aßen, geschah dies schließlich meist der Not gehorchend. Vom kleinen Himalaya-Volk der Hunza wird berichtet, dass sie dort im Frühjahr alle bis zu zwei Monate fasteten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, denn die Vorratshaltung in der abgeschiedenen Gegend war so knapp, dass bis zur Gerste-Ernte im Juni regelmäßig eine Versorgungslücke klaffte. Fasten, um sich etwas Gutes zu tun? In seinem – nicht nur den Appetit – anregenden Buch „Der Hunger und der Überfluss“, schreibt der italienische Ernährungshistoriker Massimo Montanari: „Und es wird auch stimmen, dass es gut tut, wenig zu essen; doch nur demjenigen, der viel isst oder zumindest viel essen kann, ist es möglich, so zu denken.“

In dieser Lage sind hier und heute die meisten. Mit dem Fasten verbindet sich deshalb oft die Absicht abzuspecken. Tatsächlich ist die Nulldiät, bei der der Organismus vom Speichervorrat der Fettzellen lebt, ein relativ schnell wirkendes Mittel zur Gewichtsabnahme. Verfechter des völligen Verzichts führen ins Feld, dass das Hungergefühl schwindet, wenn nach zwei Tagen Harnstoff und Säuren ansteigen und wenn der Magen nicht mehr abwechselnd gefüllt und geleert wird.

Nur bleibt der Langzeiteffekt der zeitweiligen Nahrungsverweigerung fraglich. „Mit Fasten lernt man nichts fürs Leben“, sagt der Münchner Internist und Diätexperte Volker Schusdziarra. Was man nicht lernt, ist das dauerhafte Maßhalten und eine vernünftige Zusammenstellung des Speisezettels.

Nach ausgedehntem Fasten kommt es zudem immer wieder zur Bildung von Gallensteinen, erklärt der Magen-Darm-Spezialist Heinrich Lübke vom Berliner Behring-Klinikum. Trotzdem spricht aus ärztlicher Sicht normalerweise nicht viel gegen eine begrenzte Fastenzeit. Wer eine chronische Krankheit hat und Medikamente nimmt, sollte das allerdings mit seinem Arzt besprechen. Nieren-, Herz- und Stoffwechselkranke machen eine solche Kur ohnehin besser nur unter ärztlicher Aufsicht.

Die gängigen Formen des Fastens gehen vom Wasser- oder Teefasten über das Rohsäftefasten bis zum Fasten nach Buchinger, bei dem auch heiße Gemüsebrühen, Obst- und Gemüsesäfte erlaubt sind.

Der „Darmreinigung“ durch radikales Abführen, die bei dieser Form des „Heilfastens“ fest zum Programm gehört, stehen Internisten wie Schusdiarra skeptisch gegenüber. Auch die Meinung, Fasten diene der „Entschlackung“ und „Entgiftung“, teilen sie schon deshalb nicht, weil für die Entgiftung des Körpers beim Gesunden rund um die Uhr bereits die Organe Leber und Niere zuständig sind. Schlacken gebe es nur im Hochofen, nicht im menschlichen Körper, erklärt Lübke.

Vielleicht sind es denn auch eher seelische „Schlacken“, von denen der Fastende sich befreien möchte. Vom Freiheitsgefühl, das durch die Erfahrung entsteht, nicht pausenlos vom Essen abhängig zu sein, berichten jedenfalls viele Menschen, die auf diese Art von Auszeit schwören.

Beim Fastenwandern kommen Lust an der Bewegung und Gemeinschaftserlebnisse hinzu. Manchmal aber auch die menschlich- allzumenschliche Vorfreude auf das Ende des Ausnahmezustands. „Gegen Ende der Zeit haben wir regelmäßig über gutes Essen gesprochen und Rezepte ausgetauscht“, berichtet eine Teilnehmerin einer solchen Fasten-Wander-Woche.

Adelheid Müller-Lissner

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