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Eine festlich gedeckte Tafel in Frank Schreibers Restaurant Goldener Hahn

© picture alliance / Bernd Settnik

Landpartien: Ein helles Licht in Finsterwalde

Die kurze Fahrt in die Niedere Lausitz lohnt sich schon allein wegen des Goldenen Hahns. Frank Schreiber bietet hier Feinschmecker-Küche mit großem handwerklichen Können und feinen regio-saisonalen Zutaten

Finsterwalde, wenn es dunkel wird. Ganz so düster und einsam hat sich die Besucherin die Niedere Lausitz nicht vorgestellt. Auf dem Bahnhofsvorplatz keine Menschenseele, kein beleuchtetes Schaufenster, kein Straßenverkehr. Nur dunkle Fronten und ab und zu eine funzelige Straßenlaterne. Hundert Meter die Straße runter dann der Lichtblick: Ein Blechhahn schwingt träge über einladend hellen Fenstern. Erleichterung weicht Vorfreude. Der Gasthof „Goldener Hahn“ in Finsterwalde hat seit ein paar Jahren den Ruf einer Feinschmecker-Küche, für die sich die zweistündige Zugreise aus Berlin gelohnt haben sollte.

In einer alten Postkutschen-Station, wo früher Pferde gewechselt und Kutscher verköstigt wurden, entwickelt Küchenmeister Frank Schreiber heute mit regionalen und saisonalen Zutaten, was er Neue Lausitzer Küche nennt. Das Lamm kommt aus dem nahegelegenen Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft, Gemüse und Milchprodukte vom Biogut Besenborstel in Sonnewalde. Der Fisch aus der Müritz hat die weiteste Anreise. Heimatverbundene Aromenküche ohne Scheuklappen, in die auch die weite Welt mit einfließen dürfe, beschreibt der Chef sein Konzept.

In der heimeligen Gaststube mit schlammfarbenen Wänden und sandfarbenen Vorhängen serviert seine Frau Iris mit ihrem Team übersichtliche Tellerarchitektur: Zander mit Uferkräutersauce, Spargel und Sanddorn oder Mais-Hühnchen-Brust mit Gewürz-Lack, Bärlauch-Gemüse und Kartoffelstroh. Kodak Moments, die den Geschmackstest ohne Mühe bestehen. Das hausgemachte Salzkaramell-Eis taucht selbst die Erinnerung an den unwirtlichen Bahnhofsplatz in mildes Kerzenlicht.

Lecker! Gebackenes Bio-Ei vom Biogut Besenborstel - im Goldenen Hahn wird regionale Küche geboten
Lecker! Gebackenes Bio-Ei vom Biogut Besenborstel - im Goldenen Hahn wird regionale Küche geboten

© picture alliance / Bernd Settnik

Die Atmosphäre ist persönlich bis herzlich. An einer Wand hängt die Ahnengalerie des Hauses, groß auf Leinwand gezogen - drei Generationen, dreimal das gleiche, breite Lächeln unter der Kochmütze. Großvater Fritz Schreiber hat die Gaststätte 1939 gekauft und durch Krieg und Nachkriegszeit gebracht. Sein Verständnis von guter Küche: die Gäste mittels Kohlenhydraten und Fett satt zu bekommen. Vater Dieter Schreiber übernimmt 1968 und beweist sich zu Zeiten der DDR-Mangelwirtschaft vor allem als Organisationstalent. „Mein Vater hat an einem Abend locker 30 Kilo Schweinefilet gegrillt. Und dann hat er fünf, sechs Tage keine Lieferung bekommen. Die Gäste saßen trotzdem da. Was tun?“ Frank Schreiber ist 1997 in den Familienbetrieb eingestiegen und seit 2010 der alleinige Chef, nicht nur am Herd. Es sei ihm wichtig gewesen, den Laden zu erneuern, ohne dabei Stammgäste zu verprellen, sagt er. Denen bietet er immer noch einfache Gasthaus-Gerichte wie gebratenes Saiblingsfilet oder Lammbraten mit Bohnen. Und die neue Kundschaft? Viel junges Volk aus Dresden und einige Rückkehrer, die gute Küche gewohnt seien und Neues, Abenteuerliches erwarten. Genuss, sinniert der Chef, das sei eben Betrachtungsweise.

Seine Küchenfertigkeit hat Frank Schreiber von der Pike auf gelernt. Als Kind darf er sich während der Geschäftszeit nur im Gasthof aufhalten, wenn er sich nützlich macht. Vom Töpfe spülen arbeitet er sich bis zu den Gläsern hoch und guckt dabei die ersten Handgriffe ab. Als er seine Lehre in Berlin beginnt, kommt er gleich vom ersten ins dritte Lehrjahr, wird Mitglied der Koch-Jugendnationalmannschaft und sammelt Weltmeister-Medaillen in Schweden, Kanada und Israel ein. Ein besonders gut gelungener gedeckter Apfelkuchen, gebacken in der Sinai-Wüste mit der Ober- und Unterhitze von Kamel-Dung, ist ihm aus dieser Zeit in bester Erinnerung geblieben. Zurück in der Heimat wird er gleich Brandenburger Meisterkoch.

Was bleibt da noch an Herausforderungen? Die Lage des Gasthofs mit Sicherheit, irgendwo zwischen Berlin und Dresden, Leipzig und Cottbus, umgeben von Naturparks, aber eben auf der Bahnhofstraße statt im Grünen. Iris Schreiber, Sommelier und Kreativchefin des Hauses, begegnet dem Problem mit einem durchgetakteten Gastro-Kalender. Regelmäßig gibt sie Lesungen selbstverfasster Geschichten und Gedichte aus dem Küchenmilieu, die ihr Mann mit thematisch passendem Drei-Gänge-Menü unterlegt. Sie organisiert Koch- und Knigge-Kurse sowie nach eigenen Angaben ziemlich spektakuläre Küchenpartys. Zwölf Gästezimmer im oberen Stockwerk warten danach auf Belegung. Niedere Lausitz - vielleicht doch nur ein Katzensprung.

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