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Fashion Week: Die Punktlandung der Bread & Butter

Zum achten Mal gastiert die Streetwear-Messe Bread & Butter im Tempelhof - und will sich dieses Jahr neu erfinden. Die Suche nach Authentizität nutzt auch dem ehemaligen Flughafen.

Das Handy von Antje Schnieblich klingelt jetzt alle paar Minuten. Es ist Dienstagmorgen, in gut einer Stunde öffnet die Bread & Butter. Meistens antwortet Antje Schnieblich in knappen Sätzen wie „Geht klar“ oder „Kümmere ich mich drum, kostet nur einen Anruf“. Als sie um 9.45 Uhr, 15 Minuten vor Eröffnung, erneut ein Gespräch annimmt, hört sie kurz zu, dann verzieht sie ihre Lippen. „Och nö“, sagt dann Schnieblich und legt wieder auf. „Irgendwelche Aktivisten sind auf’s Dach geklettert.“

Schnieblich arbeitet als Eventmanagerin beim „Tempelhof Projekt“, der Gesellschaft mit der Hoheit über den Flughafen Tempelhof. Sie organisiert Messen, Konzerte, Geschäftstermine auf dem Gelände. Aktuell ist das die Bread & Butter, die zum achten Mal im ehemaligen Flughafen gastiert.

„Eigentlich ein pflegeleichter Kunde“, sagt Schnieblich. Karl-Heinz Müller, der Chef der Bread & Butter, arbeite sehr professionell und bringe fähige Leute mit. Mit anderen Messen sei es schon schwieriger. Gerade ausländische Aussteller „ecken gerne mit deutschen Sicherheitsbestimmungen an“, fügt Torsten Berger hinzu. Berger ist technischer Leiter beim „Tempelhof Projekt“. Gemeinsam mit Schnieblich macht er einen letzten Kontrollgang, bevor die Bread & Butter ihre Tore öffnet.

Mit dem Auto fahren sie über das ehemalige Rollfeld zum Eingang von Hangar 7. Es gibt eine markierte Fahrbahn, aber Berger zeichnet mit seinem Wagen eine eigene Bahn in den Schnee. „Bin mal gespannt, wie warm es nun ist“, sagt er.

Erst seit gut zwei Stunden werden die Hallen beheizt. In der Nacht standen noch sechs Meter hohe Tore offen, um die letzten Lieferungen reinzufahren. Nun muss Wohlfühltemperatur für die Messebesucher her. 80 Heizstrahler hängen von der Decke, sie sehen aus wie riesige orangefarbene Glühwürmchen.

Der Tempelhofer Flughafen ist kein Messestandort, bei dem man einen Schalter drückt und alles läuft. Man muss ihn als Patienten begreifen, der ständig Pflege braucht. Vieles, von den Deckenstreben zur Fußbodenmarkierung ist denkmalgeschützt. Die Nottüren öffnen bei Alarm nicht automatisch, Sicherheitspersonal steht an jeder Tür. „Die Location ist einzigartig“, sagt Schnieblich, „aber sie bringt Verantwortung mit sich“.

Es ist eigentlich der perfekte Ort für eine Messe wie die Bread & Butter. Seit Sommer 2009 gastiert die Modemesse zwei Mal im Jahr hier. In diesem Jahr tragen die Angestellten blaue Overalls. Sie sehen aus wie eine „Könnte so gewesen sein“-Version des alten Flugzeugmechanikers: ohne ölverschmierte Ärmel, aber mit aufgenähten Brands. Das Raue und Industrielle, das muss aber auch nicht vom Veranstalter kommen – der Ort selbst bringt genügend Authentizität mit.

Müller will die Bread & Butter klar als Leuchtturm verstanden wissen

Dabei ist Authentizität genau das, was auch Messechef Müller für seine Veranstaltung neu ausgerufen hat. Der Bread & Butter habe es zuletzt an einem klaren Profil gefehlt, sagte Müller am Montag. Viele bekannte Marken wie Levi’s, Diesel oder Meltin Pot waren im Sommer 2012 abgesprungen. Laut Müller dürfe man das aber nicht der Bread & Butter als Schwäche auslegen. Er sucht den Fehler erst mal bei den Modeunternehmen selbst, die alle mit verschiedenen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hätten. Dass Diesel & Co. dann gerade am Berliner Messestand sparen, lässt Müller nicht gelten. „Ich glaube nicht, dass der Fehler bei uns liegt – sonst hätte man die Marken irgendwo anders gefunden.“ Nun müsse man den Modehäusern Zeit lassen – und auf deren baldige Rückkehr hoffen.

Bis es soweit ist, hat sich die Bread & Butter den Umständen angepasst und ihre Aussteller umfangreich umstrukturiert. Von gut hundert Marken hat sich Müller im Herbst getrennt, dafür die gleiche Anzahl an neuen Marken dazugewonnen. Nur zwölf Prozent der insgesamt 560 Aussteller kommen aus Deutschland. Vom Rest sei gut ein Fünftel aus Skandinavien, dann kommen viele Marken aus den Staaten und aus Japan. „All in all steht die Bread & Butter jetzt frischer da“, sagt Müller.

Auch wenn nur wenig deutsche Marken auf der Hangarfläche des Flughafens vertreten sind, Müller will die Bread & Butter klar als Leuchtturm verstanden wissen – für Berlin und Deutschland. „Wir bekennen uns zur Stadt“, sagt er, die sei immerhin „the capital of street and urban wear“.

Wer von der Messe schon jetzt profitiert hat, ist „Tempelhof Projekt“, die Eventagentur, für die auch Antje Schnieblich arbeitet. Die Gesellschaft sitzt erst seit 2011 im Flughafen, da war die Bread & Butter schon seit zwei Jahren da. „Eigentlich war die Modemesse der Initialzünder“, sagt Martin Pallgen, Sprecher des „Tempelhof Projekts“. Das Land Berlin ist Eigentümer des Geländes. Nur weil die Messe damals so pfleglich mit dem denkmalgeschützten Objekt umging, ließen sich die Stadtväter überzeugen, den Flughafen in eine Eventlocation umzuwandeln. „Nun arbeiten wir hier im Spagat“, sagt Pallgen, „wir versuchen ein Denkmal zu restaurieren und es zugleich innovativ zu erneuern“.

„Tempelhof Projekt“ ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt und hat auf dem Flughafenareal viel vor: Wohnanlagen und Geschäfte sind geplant, ein großer Park wird entstehen, Museen und Veranstaltungsräume. Dass „in jeder Fliese Geschichte steckt“, wolle man aber so belassen, sagt Pallgen.

Er steht nun gemeinsam mit Antje Schnieblich, der Organisatorin und Torsten Berger, dem technischen Leiter, auf der Empore über der Eingangshalle. Es ist kurz vor 10 Uhr. Unten stehen bereits hunderte Besucher vor dem Einlass. Die alten Gepäckbänder laufen wieder. Overall-Mitarbeiter sortieren Geschenktaschen und Kofferattrappen darauf. Pallgen sagt: „Schau, wie diese alte Flughafenlogistik greift, das Gebäude ist ideal für diese Messe“. Schnieblich bekommt wieder einen Anruf, ein Verantwortlicher der Bread & Butter ist dran. Ob es noch Gründe gegen eine Eröffnung gebe, fragt sie in die Runde. „Nö“, antwortet Technikleiter Berger, alles läuft.

Dann öffnen die Schleusen. Und Antje Schnieblich geht nach draußen, um nach den Aktivisten zu sehen.

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