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Fotograf Alexander Gnädinger: Sein Spielplatz hat keine Grenzen

Alexander Gnädinger hat Karl Lagerfeld in Paris fotografiert. Ein Höhepunkt in seiner Karriere, doch nicht der einzige. Denn Gnädinger ist vor allem eines: vielseitig.

Von Katrin Schulze

Am Ende hat er auch von Karl Lagerfeld sein Polaroidbild. Spontan, ungeschönt, pur. Und ein so großer kleiner Kontrast zu den akribisch vorbereiten Aufnahmen, die er zuvor vom großen Modemeister gemacht hatte.

Ein Tag, an dem Alexander Gnädinger zu Aufnahmen mit Karl Lagerfeld und dem Bread & Butter-Chef Karl-Heinz Müller in die Tiefen des Lagerfeldschen Ateliers nach Paris gebeten wird, treibt selbst einen routinierten Fotografen wie ihn noch in Verzückung, und man merkt schnell, dass er gar nicht mehr richtig aufhören mag, von diesem Erlebnis und seinen Randerscheinungen zu berichten. Es war eben „die Verdichtung meines Berufes an einem einzigen Tag“, wie Gnädinger es ein paar Tage später in seinem Studio in Prenzlauer Berg selbst ausdrückt. Und sowieso: „Karl ist großartig, professionell, eine Marke, die jeder kennt. Er lebt Kunst und er ist Kunst.“

Getroffen hatte der Fotograf Lagerfeld vorher schon – das bleibt nicht aus, wenn man es in seinem Job so weit geschafft hat –, abgelichtet hatte er ihn bisher noch nicht. Umso besser, dass der Monsieur nach dem offiziellen Part diesmal noch die Polaroidaufnahme gestattete.

Die Nummer mit den Polaroids ist ihm ein besonders Anliegen, aber es ist längst nicht das einzige von Alexander Gnädinger, der sich bloß nicht auf eine Sache festlegen will. Er macht Porträtfotografie, Beauty- und Fashion- genauso wie Sport- oder Architekturaufnahmen. Und er gilt in allen Bereichen als einer der besten in Deutschland.

Adidas zählt zu seinen Kunden, Audi, BMW, Hugo Boss, L’oreal, Simens, Sony Ericsson, Villeroy & Boch und und und. Gnädinger selbst würde darum kein großes Aufsehen machen; der 40-Jährige verortet sich lieber als einer unter vielen auf einem „großen Spielplatz für Erwachsene. Und es ist großartig, da mitspielen zu dürfen.“

Das Heimspielfeld des Alexander Gnädinger, sein Berliner Studio, spiegelt seine Arbeiten und auch ein wenig sein Wesen. Es ist ist groß und hell, aber nicht zu pompös, es ist aufgeräumt, aber nicht steril, edel und doch irgendwie bodenständig – und es fügt sich in diese Gegend Berlins, die sich zwar als szenisch gibt, dabei jedoch nicht überkandidelt wirkt. „Ich habe mich vor zehn Jahren und seither immer wieder bewusst entschieden, in Berlin zu leben“, erzählt er. Warum nicht Paris? Da hatte er mal ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, sein Zuhause ist es allerdings nie geworden – obwohl Mode dort doch viel gegenwärtiger ist als in Berlin.

„Natürlich ist der Unterschied zwischen beiden Städten offensichtlich“, sagt Gnädinger, dessen Geburtsort Konstanz der französischen Hauptstadt geografisch näher ist als der deutschen. „In Paris ist Mode mehr als nur ein Spleen, sie hat da einen ganz anderen Stellenwert als in Berlin.“ Zwar hat er beobachtet, wie die Fashion Week in Berlin stetig an Niveau und Professionalität gewonnen und die Stadt positiv beeinflusst hat, trotzdem „gibt es in Paris eine Beauty- und Fotokompetenz, die ich hier nicht sehe und die es hier so nicht geben wird.“

Damit das ja nicht falsch verstanden wird: Gnädinger verurteilt seine Stadt deswegen nicht. Ihm ist es eher ganz recht, dass man hier nicht den halbjährlich vorgeführten Kollektionen hinterherrennt, dass es freier, bunter und individueller zugeht. Denn das ist es auch, was seine Arbeit auszeichnet. „Mich interessiert das ganze Spektrum von Fotografie“, sagt er. „Die verschiedenen Aspekte der Schönheit – die natürliche, die inszenierte, die überhöhte, die gefundene.“ Von total belassen bis total bearbeitet.

Dass er unter all seinen zig Erzeugnissen dennoch ein kleines Lieblingskind für sich erkoren hat, zeigt sein Faible für Natürlichkeit und darunter vor allem sein wohl bekanntestes Projekt “100 Girls On Polaroid” – unverfälschte, ausdrucksstarke Aufnahmen, für die er in der Szene gefeiert wird. Selbst Karl Lagerfeld hortet das Buch mit Polaroids in seiner monströsen Pariser Atelier-Sammlung.

Doch was hat Gnädinger nur damit? Was reizt einen Modeverrückten am Unperfekten? Genau das. „Ich habe das gemacht, weil wir uns fast nur noch mit Bildern konfrontiert sehen, die nichts mit der Realität zu tun haben“, sagt er. „Da wird retuschiert, bis jede Pore, jedes Häarchen verschwunden ist“. Den Aufwand für die Nachbearbeitung von Fotos beziffert er generell mit drei- bis fünfmal so lange wie das Shooting an sich dauert.

Natürlich begreift er die Retusche als Teil seines Jobs. Nur fragt er sich manchmal, wie weit Perfektion getrieben werden darf, ohne dass ein Foto seine Aussage verliert. Alexander Gnädinger will etwas aussagen, er will die Menschen weiterhin mit seinen Bildern bewegen. Was er dagegen nicht will, ist „ein Modefuzzi sein. Ein Spezialist, der nichts anderes als Mode mehr im Kopf hat“. Aber dazu ist er ohnehin zu vielseitig interessiert. Und zu sehr Berliner.

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