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Kritischer Blick. Eine gute Bundesliga-Saison reicht Joachim Löw nicht mehr, um Spieler dauerhaft ins Team zu holen. Er will Profis von Spitzenklasse.

© dpa

Nationalmannschaft: Löw stellt Ansprüche

Um das Niveau der Nationalelf zu steigern, siebt Bundestrainer Joachim Löw knallhart aus. Wer seine Kriterien nicht erfüllt, wird nicht mehr eingeladen.

Man sollte Marcell Jansen fragen, wie lieb und nett der Herr Löw sein kann. Marcell Jansen ist deutscher Fußballnationalspieler und auf dem besten Weg, diesen Status zu verlieren. Heutzutage geht das nämlich schneller als gedacht. Bisher hat es der Profi vom Hamburger SV trotz vieler Verletzungen immer irgendwie geschafft, für große Turniere fit zu werden. So war es auch bei der WM vor einem Jahr, als ihn der Bundestrainer Joachim Löw lange einen Platz freigehalten hatte. Jansen schoss dann im Spiel um Platz drei sogar ein Tor beim 3:2-Sieg über Uruguay. Bis dahin kannte Jansen nur den lieben und netten Herrn Löw. Inzwischen hat Marcell Jansen eine ganz neue Seite des Bundestrainers kennen gelernt.

Marcell Jansen ist zu den beiden anstehenden EM-Qualifikationsspielen gegen Österreich am kommenden Freitag und Aserbaidschan am Dienstag darauf nicht mehr eingeladen worden. Gut, es hat auch den Bremer Marko Marin oder den Stuttgarter Serdar Tasci getroffen. Aber es hat sich unter den Nationalspielern herumgesprochen, dass die Geschichte vom lieben und netten Herr Löw längst eine Mär ist. Löw, der vor wenigen Monaten seinen Vertrag als Bundestrainer bis zur WM 2014 verlängert hat, greift hart durch. Man könnte auch sagen, dass Löw eine interne Streichliste aufgemacht hat, die er regelmäßig und vor allem ohne Rücksicht auf Namen und Verdienste aktualisiert. Das Signal lautet: Jeden kann es treffen.

Torsten Frings war im Winter 2010 nur der Anfang. Seit der erfolgreichen WM in Südafrika und dem steten Nachschub von hoffnungsvollen Talenten trifft es vor allem die Kaderplätze 15 bis 20. Marcell Jansen, den Löw bisher immer eine Hintertür offen gehalten hatte, hat eine klare Anweisung erhalten, von der Löw in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ berichtete: „Wir beide müssen jetzt eine Lösung finden. Du musst im Sommer ganz konsequent was für deine Fitness tun und dann eine Saison in Hamburg professionell durchziehen – oder wir müssen auf dich verzichten.“

Der 25-Jährige hatte die Botschaft verstanden. Demnächst wird er in den USA mit dem Fitnesscoach der Nationalmannschaft, Shad Forsythe, intensiv arbeiten. Jansen bekommt vielleicht noch eine Chance. Für andere sieht es gegenwärtig nicht so gut aus. Die WM-Fahrer Serdar Tasci, Piotr Trochowski und Stefan Kießling haben derzeit keine Chancen auf eine EM-Teilnahme im kommenden Jahr. Und auch für Andreas Beck (24 wird es schwer, wie für Marko Marin (22, Bremen) und Heiko Westermann (27, Hamburg). Der Bundestrainer sieht auf ihren Positionen andere Spieler derzeit vorn, allen voran die Dortmunder Mats Hummels, Mario Götze, Kevin Großkreutz sowie den Schalker Benedikt Höwedes und Andre Schürrle. Der 20-jährige Schürrle, der gegen Uruguay sein drittes Länderspiel bestritten und dabei sein erstes Tor geschossen hat, wechselt im Sommer zu Bayer Leverkusen und wird sich demnächst in der Champions League beweisen können. Genau das will Löw künftig auch sehen von seinen Kandidaten.

„Anspruchsvoller“ sei er geworden, hat Joachim Löw gerade eben im Frankfurter Mannschaftsquartier erzählt. Für Löw gilt mehr denn je Qualität und Entwicklungsfortschritt. „Meine Messlatte liegt hoch“, sagt Löw. War es noch vor zwei Jahren relativ leicht, in die Nationalmannschaft zu kommen, so ist das heute um einiges schwerer. Natürlich probiert der Bundestrainer immer mal wieder vielversprechende Talente aus. Benedikt Höwedes beispielsweise war der 46. Debütant in der Löw-Ära. Dauerhaft durchsetzen aber konnten sich nur die Wenigsten. Etwa Mesut Özil, Manuel Neuer, Thomas Müller und Sami Khedira, die kurz vor der WM 2010 ihre Chancen erhielten.

„Wir hatten noch nie zehn, zwölf wirklich begabte Spieler wie jetzt – aber wer von denen kommt in die internationale Klasse?“, fragt Löw und gibt sich gleich selbst die Antwort. Özil, Müller und Neuer hätten bei der WM gezeigt, dass sie auf höchstem internationalem Niveau mithalten können. „Diesen Beweis müssen andere erst noch erbringen“, sagt Löw. „Einige werden es schaffen, andere vielleicht nicht.“ Eine gute Bundesligasaison reiche dem Bundestrainer längst nicht mehr. „Wenn Deutschland gegen Spanien spielt, ist die Qualität unglaublich hoch, so extrem wie höchstens noch in der Spitze der Champions League. Auf diesem Niveau bewegen wir uns mit der Nationalelf, das hat meine Ansprüche extrem steigen lassen“, sagt Löw. Er wisse jetzt, wie gut man sein muss, um die Spanier zu schlagen. „Diesen Anspruch werden nicht alle unsere jungen Spieler erfüllen.“

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