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Schwangerschaftsdiabetes: Geburtskomplikationen durch Zuckerkrankheit

Schwanger sein bedeutet für den Körper eine große Umstellung: Hormone, Stoffwechsel und Ernährung werden darauf ausgerichtet, dass das heranreifende Kind bestmöglich versorgt wird. Doch die hormonelle Umstellung kann sich negativ auf den Blutzucker auswirken – dann droht ein Schwangerschaftsdiabetes.

Diabetes mellitus ist mit rund acht Millionen bekannten Fällen eine der häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland: Die als Typ 1 bezeichnete Variante beginnt meist im Kinder und Jugendalter. Dabei greift das eigene Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse an. Typ-2-Diabetes tritt dagegen oft erst im höheren Alter auf und ist Folge von Übergewicht und einem ungesunden Lebensstil. Es gibt noch eine weitere Gruppe, bei der es zu Problemen durch zu hohe Zuckerwerte kommen kann: Schwangere – aber die gute Nachricht gleich vorweg: In den meisten Fällen verschwindet der Diabetes nach der Geburt des Kindes von selbst. Allerdings bleibt ein erhöhtes Typ-2-Diabetesrisiko bestehen.

Warum erkranken gerade Schwangere an einem Diabetes?

Wenn der Arzt während der zweiten Hälfte der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit diagnostiziert, wird diese als Gestationsdiabetes bezeichnet. Typischerweise kann man bei den Betroffenen um die 24. Schwangerschaftswoche herum ungewöhnlich hohe Blutzuckerspiegel messen. „Die Schwangerschaftshormone, die im Mutterkuchen gebildet werden, gelangen ins Blut und können den Zucker- und Insulinhaushalt der Frau stören“, sagt Andreas Birkenfeld, leitender Forscher für Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin an der Charité. Der Blutzucker gelangt nicht mehr wie normal in die Zelle, sondern zirkuliert im mütterlichen Kreislauf und kann über den Mutterkuchen auch zum Kind gelangen. Dann könne es auch zu Problemen für das heranwachsende Baby kommen. Eine zu kalorienreiche Ernährung und mangelnde körperliche Bewegung der Schwangeren können das Risiko, dass ein Schwangerschaftsdiabetes auftritt, erhöhen. Das gilt ebenso, wenn andere Frauen aus der Familie bereits betroffen waren. Und schließlich spielt auch die Herkunft eine Rolle: Schwangere mit asiatischen und lateinamerikanischen Wurzeln erkranken häufiger als Europäerinnen.

Unter welchen Symptomen leiden die werdenden Mütter?

Birkenfelds Kollegin Michaela Golic ist Ärztin an der Klinik für Geburtsmedizin der Charité und spricht regelmäßig mit besorgten Schwangeren. „Immerhin über drei Prozent aller werdenden Mütter in Deutschland erkranken an Schwangerschaftsdiabetes – wobei die Dunkelziffer hoch und die Tendenz steigend ist“, sagt sie. Ein Hinweis kann sein, dass das Baby in der Ultraschall-Untersuchung zu groß und zu schwer ist. Tückischerweise nehmen die Schwangeren selbst häufig keine verdächtigen Symptome wahr. Um dennoch einen Gestationsdiabetes erkennen zu können, eignet sich ein so genannter oraler Glukosetoleranztest zwischen der 24. Und 28. Schwangerschaftswoche: Dieser Test sollte bei jeder werdenden Mutter im Rahmen der Schwangerenvorsorge durchgeführt werden. Hierbei wertet der Arzt Blutproben aus um festzustellen, wie der Körper der werdenden Mutter eine bestimmte Zuckermenge verarbeitet: Mit der ersten Probe wird der Blutzuckergehalt im nüchternen Zustand bestimmt. Anschließend trinkt die Schwangere eine Zuckerlösung. Um keine Werte zu verfälschen, darf sie die nächsten beiden Stunden nichts essen oder trinken. Nach Ablauf einer Stunde sowie nach zwei Stunden wird Blut abgenommen und jeweils der Blutzuckerwert bestimmt. Die gesammelten Daten werden dann mit Normwerten verglichen. „Zu hohe Werte sprechen dabei für einen Schwangerschaftsdiabetes“, sagt Birkenfeld. Dieser Test findet üblicherweise morgens statt, nachdem die Schwangere zehn Stunden lang nichts mehr gegessen hat. Dabei weist die Deutsche Diabetes-Gesellschaft darauf hin, dass bei dem Test nur Blutentnahmeröhrchen, die neben Natrium-Fluorid auch Citrat enthalten, zuverlässig über einen Schwangerschaftsdiabetes Auskunft geben können. Besteht für die Frau ein erhöhtes Diabetesrisiko, sollten die Blutzuckerwerte sogar schon gleich zu Beginn der Schwangerschaft bestimmt werden.

Welche Folgen kann ein Schwangerschaftsdiabetes für Mutter und Kind haben? 

Der Schwangerschaftsdiabetes muss zum Schutz von Mutter und Kind behandelt werden. „Während der Schwangerschaft haben die betroffenen Frauen ein erhöhtes Risiko für Infektionen und für die Entwicklung von Bluthochdruck und einer Frühgeburt“, sagt Golic. „Langfristig entwickelt fast die Hälfte aller Schwangeren mit Gestationsdiabetes innerhalb von zehn Jahren nach der Geburt eine Diabetesvorstufe oder sogar einen manifesten Typ-2-Diabetes.“ Doch damit nicht genug: Auch für das Kind birgt die mütterliche Zuckerkrankheit während der Schwangerschaft Probleme – vor allem bei der Geburt, aber auch noch Jahre danach. Durch die Stoffwechselstörung der Mutter kann das Kind bei der Entbindung überdurchschnittlich viel wiegen, es kann über 4500 Gramm schwer sein. „Während des Geburtsvorganges kann es dadurch zu mechanischen Komplikationen kommen“, sagt Golic. Daher wird bei Frauen mit Gestationsdiabetes häufiger eine Geburt eingeleitet oder ein Kaiserschnitt durchgeführt. Und die Liste der Komplikationen ist damit noch nicht zu Ende: Neugeborene von diabetischen Müttern erleiden kurz nach der Entbindung häufiger Unterzuckerungen und Atemstörungen als Neugeborene gesunder Mütter. Bei einem schlecht eingestellten Diabetes ist das Risiko für einen Tod des Kindes im Mutterleib erhöht. Langfristig haben die betroffenen Kinder ein höheres Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes. Und schließlich müssen die Mutter und ihr Kind über die Geburt und das Wochenbett hinaus regelmäßig vom Arzt untersucht werden – denn  ein Diabetes an sich ist immer auch ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt, Schlaganfall und Erblindung.

Wie therapiert man einen Gestationsdiabetes?

In den meisten Fällen verschwindet der Diabetes nach der Geburt des Kindes von selbst. Trotzdem muss ein Schwangerschaftsdiabetes unbedingt behandelt werden, um Komplikationen während der Schwangerschaft zu vermeiden. Das funktioniert gut und ist sehr erfolgreich. „Die Behandlung setzt sich aus drei großen Bereichen zusammen: Ernährungsumstellung, Sport und wenn nötig Insulintherapie“, sagt Diabetesforscher Birkenfeld. Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes sollen viel Gemüse und ausreichend Obst essen sowie Vollkorn- und ballaststoffreicher Kost den Vorzug geben. Die Forschung hat den idealen Nährstoffmix für eine werdende Mutter mit Schwangerschaftsdiabetes herausgefunden: 40 Prozent Kohlenhydrate, 30 bis 35 Prozent Fette und 20 Prozent Proteine.

Hochleistungssport ist mit einem Kind im Bauch selbstverständlich nicht angebracht, aber wichtig ist, einem generellen Bewegungsmangel vorzubeugen. Dazu eignen sich besonders gut stramme Spaziergänge à 30 Minuten – also besser Ausdauer- statt Krafttraining. Und schließlich muss auch bei einem Schwangerschaftsdiabetes der Blutzucker regelmäßig überwacht und gegebenenfalls Insulin gespritzt werden.

Leonard Hillmann

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