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In den Laboren der TU Berlin wird intensiv geforscht, um das Kraftwerk Pflanzenzelle zu entschlüsseln.

© Felix Noak

Wie Forschungsfragen entstehen: Der Pflanzenzelle abgeschaut

Die Grüne Chemie der Zukunft ist das Ziel des Exzellenzclusters UniSysCat an der Technischen Universität Berlin.

Pflanzenzellen sind effektive chemische Allround-Talente: Aus einem winzigen Samenkorn wachsen allein mit Hilfe von Lichtenergie, Wasser, CO2 und einigen Mineralstoffen meterhohe Bäume. Schädliche Emissionen, unerwünschte Nebenprodukte oder ein hoher Energieverbrauch? Fehlanzeige!

Wie schaffen es Zellen, so effizient, selektiv und ressourcenschonend verschiedenste Prozesse zu koppeln? Das ist eine der zentralen Leitfragen, die den Exzellenzcluster UniSysCat (Unifying Systems in Catalysis) an der TU Berlin umtreibt. Katalytische Prozesse sind der Dreh- und Angelpunkt dieser effektiven Minifabriken.

In dem Exzellenzcluster arbeiten die Wissenschaftler*innen interdisziplinär daran, genau diese Prozesse und deren Regulation zu entschlüsseln. „Wenn es uns gelänge, auch nur einige dieser effektiven Prozessketten komplett zu verstehen und dieses Wissen in die chemische Industrie zu transferieren, dann wären wir dem Ziel der Grünen Chemie einen großen Schritt nähergekommen“, so Prof. Dr. Arne Thomas, Sprecher des Clusters und Professor für Funktionsmaterialien an der TU Berlin.

Die Wasseroxidation ist die Schlüsselreaktion

Dabei arbeitet der Cluster so, wie man ein 10 000-Teile-Puzzle zusammensetzt: Einige Wissenschaftler*innen beschäftigen sich eher mit dem Rand des Bildes, andere setzen Objekte im Inneren zusammen, wieder andere schaffen Querverbindungen.

„Das Faszinierende an der Natur ist nicht die Effizienz einzelner Prozesse. Diese sind technisch oft effizienter zu lösen. Der Knackpunkt liegt in der effektiven Kopplung und parallelen Steuerung“, so Niklas Hausmann vom Fachgebiet Metallorganische Chemie und Anorganische Materialien der TU Berlin, der sich unter anderem mit der Wasseroxidation beschäftigt, wie sie auch in der Pflanze stattfindet.

Bei dieser Reaktion entstehen Wasserstoff und Sauerstoff und sie gilt als eine Schlüsselreaktion für die Nutzung von Wasserstoff als regenerativer Energieträger. „Technisch ist das bereits machbar, aber nur in einem extrem sauren oder basischen Medium“, so Niklas Hausmann. „Wir entwickeln spezielle Katalysatoren, um diese Reaktion auch in einem neutralen Medium durchzuführen. Dadurch könnte man sie mit weiteren Reaktionen koppeln.“

Sind die molekularen Details einer Reaktion verstanden, geht es auch darum, katalytische Zentren zu immobilisieren, um sie zum Beispiel in einem Reaktor nutzen zu können. Hier setzt die Forschung von Arne Thomas ein: „Wir testen, wie man katalytische Zentren in eine Umgebung einbringen kann, die nicht so komplex ist wie die natürliche Proteinhülle eines Enzyms, aber eine ähnliche Funktionalität aufweist.“

Aufgabe der Proteinhülle eines Enzyms ist zum Beispiel der Transport von Reaktanten zu und von dem katalytischen Zentrum. „Wir wissen inzwischen, dass das eine wichtige Rolle für die Selektivität und Effizienz der katalytischen Prozesse spielt.“ Daher immobilisiert Arne Thomas zum Beispiel die katalytischen Zentren in hochporösen Polymernetzwerken. Die Porengröße und -funktionalität bringt Selektivität: Nur bestimmte Reaktanten gelangen an die katalytischen Zentren.

Die Grüne Chemie ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld

Den Katalyse-Verlauf – also den Weg der Reaktanten über Zwischenprodukte zum Produkt – untersucht Rhea Christodoulou in einem speziellen Profilreaktor. „Der Reaktor ermöglicht es, in jedem Stadium der Reaktion räumlich und zeitlich aufgelöst zu messen, welche und wie viele Zwischenprodukte entstehen oder verbraucht werden. Das ist unter anderem besonders interessant für die Verwendung mehrerer Katalysatoren, die aufeinanderfolgende Reaktionsschritte ermöglichen: Müssen die katalytischen Zentren in räumlicher Nähe sitzen, also in einer homogenen Mischung, oder ist eine komplexere Verteilung der Katalysatoren im Reaktor nötig, um einen Abstand zu erzeugen?“, so die Doktorandin am Fachgebiet für Verfahrenstechnik, die am BasCat arbeitet, einem gemeinsamen Labor der BASF und der TU Berlin.

Eine interdisziplinäre Schlüsselposition in dem breiten Forschungsfeld hat Prof. Dr. Andrea Mroginski, Professorin für die Modellierung biomolekularer Systeme an der TU Berlin: „Unsere Aufgabe ist es, strukturelle und dynamische Eigenschaften von Makromolekülen mathematisch zu simulieren. Zum Beispiel schaue ich mir das Enzym Hydrogenase an, welches die Bildung von Wasserstoff aus Wasser, sowie die Rückreaktion katalysieren kann und damit ein großes Potential für die Erzeugung und Nutzung dieses chemischen Energieträgers unter anderem in Brennstoffzellen hat. Solche Moleküle können an verschiedenen Stellen verschiedene Reaktionen katalysieren.

"One-pot"-Reaktion

Wir möchten verstehen, welche strukturellen oder dynamischen Veränderungen innerhalb des Moleküls eine Kopplung bewirken. Dazu vergleiche ich die experimentellen Ergebnisse mit den Daten aus den mathematischen Modellen: Welche elektrostatischen Kräfte wirken, welche chemischen Bindungen werden gespalten oder gebildet, wie werden Elektronen transferiert und welche Auswirkungen hat das auf die reaktiven Zentren des Moleküls.“

Weiter auf der Anwendungsseite forscht Ammar Al-Shameri, Doktorand im Fachgebiet Biophysikalische Chemie der TU Berlin. „Ich arbeite daran, die biologische Energie, die bei der Wasserstoffspaltung durch die Hydrogenase entsteht, in einer sogenannten ‚One-pot’-Reaktion, also innerhalb des gleichen Reaktors, zu nutzen. Wir wollen damit in zwei weiteren, durch Enzyme katalysierten Schritten, wichtige Vorläuferprodukte für die chemische und pharmazeutische Industrie herstellen.“ Eine klassische Herangehensweise der Grünen Chemie.

„Die interdisziplinäre Kooperation in dem universitätsübergreifenden Exzellenzcluster UniSysCat wird es nach und nach ermöglichen, die einzelnen ‚Puzzleteile’, die im Rahmen des Clusters erforscht werden, zu großen Bildern zusammenzusetzen und somit nicht nur einzelne Prozesse, sondern effektive Prozessketten zu gestalten“, so Arne Thomas.

Katharina Jung

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