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Wirtschaft: Abzocke auf Bestellung

Wie unseriöse Handwerker abkassieren – und was die Kunden dagegen tun können

Stefan H. ist ein neugieriger Mensch. Als es im Treppenhaus poltert, will er wissen, was los ist und tritt vor die Tür – ohne Schlüssel. Ein teures Versehen: 326 Euro kassiert der alarmierte Schlüsseldienst für das Öffnen der zugefallenen Wohnungstür. 80 Euro, schätzt die Metallerinnung, würde ein seriöses Unternehmen tagsüber berechnen.

Das Beispiel aus Berlin ist kein Einzelfall, immer wieder müssen sich Verbraucher über mangelhafte Arbeiten, überzogene Rechnungen oder verschleppte Fristen ärgern. Etwa jede fünfte Reparatur, schätzt die Verbraucherzentrale Berlin, wird von den Kunden beanstandet. Wer die Tricks der schwarzen Schafe unter den Handwerkern kennt und weiß, worauf er achten muss, spart viel Geld und Ärger.

Firmensuche. In den Gelben Seiten lauert schon die erste Falle, warnt Wolfgang Schramm, Geschäftsführer der Innung für Metall- und Kunststofftechnik. Vorn im Branchenverzeichnis stehen oft Betriebe, deren Namen mit drei „AAAs“ beginnen. „Vor allem zweifelhafte Handwerker werben so um die Aufmerksamkeit der Kunden“, weiß Schramm. Wer einen soliden Betrieb sucht, raten Handwerkskammern und Verbraucherschützer, sollte sich an die jeweilige Innung wenden. Die kann mehrere nahe gelegene Mitgliedsbetriebe empfehlen. Auch hier lohnt ein Preisvergleich zwischen den Anbietern. Wer nicht weiß, welche Innung für welchen Auftrag zuständig ist, erfährt das bei der Handwerkskammer.

Anfahrt. Wenn der Handwerker lange Anfahrtswege hat, wird’s teuer. Daher sollte möglichst ein Betrieb aus der Nachbarschaft beauftragt werden. „Prinzipiell gilt, dass für die Anfahrt ein niedrigerer Stundensatz berechnet werden muss als für die Reparaturarbeiten“, sagt Rüdiger Strichau von der Berliner Verbraucherzentrale. Üblich sei ein Abschlag von rund zehn Prozent. Wenn ein Handwerker ein Werkzeug oder Ersatzteil nicht dabei hat, das zur Standardausrüstung gehört, und nochmal losfährt, um es zu holen, muss der Kunde für diese Fahrt nichts zahlen.

Kostenvoranschlag. „Ein genauer, schriftlicher Kostenvoranschlag ist der beste Schutz vor Abzockerei“, sagt Strichau. Ideal sei es, vor Beginn der Arbeiten einen Festpreis zu vereinbaren. Von dem darf die Rechnung dann nicht abweichen. Wenn sich der Handwerker darauf nicht einlassen will, braucht man zumindest einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. Unverbindlich heißt aber nicht, dass die Kosten später beliebig steigen dürfen. „Um mehr als zehn bis 15 Prozent darf die Rechnung nicht vom Voranschlag abweichen“, sagt Strichau.

Auftrag. Rechtsanwalt Ingo Borgwardt, der oft bei Baurechtsklagen konsultiert wird, empfiehlt zudem, genau festzuhalten, was Inhalt des Auftrags ist: „Sonst kann es beispielsweise passieren, dass der Handwerker, wie vereinbart, den Balkon baut und dann das Geländer als Extra berechnen will.“ Bei größeren Aufträgen rät der Jurist dazu, einen kostenpflichtigen Sachverständigen zu Rate zu ziehen. Der könne vorab beurteilen, ob der Kostenvoranschlag realistisch sei. Außerdem, empfiehlt Borgwardt, solle man sich vor der Auftragsvergabe auf seine Intuition verlassen und im Zweifelsfall ein Gegenangebot einholen: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Bauchgefühl meistens ein guter Ratgeber ist.“

Arbeitszeit. Für Standardarbeiten gibt es bestimmte Arbeitswerte, die angeben, wie lange die Arbeit im Schnitt dauert. So gibt etwa VW vor, wie lange ein Kfz-Mechaniker an einem Golf-Auspuff herumschrauben darf. Wer das Gefühl hat, ein Handwerker habe für eine Arbeit zu lange gebraucht, kann sich bei der Innung über Arbeitswerte informieren. Wenn mehrere Handwerker für einen Job anrücken, den einer gut allein erledigen könnte, ist man wahrscheinlich an einen Abzockerbetrieb geraten. Zudem müssen Lehrlinge mit einem niedrigeren Stundenlohn berechnet werden als Gesellen oder Meister. Schaut ein Azubi bei der Arbeit nur zu, braucht man für ihn gar nichts zahlen. Wie viel ein Handwerker pro Stunde verlangen kann, ist abhängig vom Standort, dem Gewerbe und dem Grad der Spezialisierung. Beispiel: Die Nettolohnstunde eines Malergesellen in Westdeutschland lag 2003 im Schnitt bei 41,58 Euro. Ein Fahrzeuglackierer zwischen Sylt und Freiburg schlug mit 51,59 Euro zu Buche. In Berlin kommen die Auftraggeber allerdings günstiger davon.

Mängel. Beschwerden über Pfuscherei, berichtet Wolfgang Rink von der Berliner Handwerkskammer, gäbe es vor allem über Betriebe, die nicht in der Innung organisiert seien, „die mit kleinen Zetteln an der Fußgängerampel werben“. Ein beliebter Trick geht Rink zufolge so: Der Handwerker sagt, der Fernseher läuft wieder, er muss sich nur noch zwei Stunden abkühlen. Nach zwei Stunden läuft die Kiste immer noch nicht, aber der Handwerker ist über alle Berge. Werden nach Abschluss der Arbeiten Mängel deutlich, hat der Kunde Anspruch auf kostenfreie Nachbesserung. Dazu sollte er dem Handwerker schriftlich eine Frist setzen. Erst, wenn er der wiederholten Aufforderung nicht nachkommt, sollte man rechtliche Schritte einleiten.

Schlichtung . Statt vor Gericht kann man sich auch bei einer Schlichtungsstelle treffen, das ist meist billiger (siehe Infokästen) . Die Handwerkskammer und einige Innungen bieten fachspezifische Vermittlung an, etwa die Schiedsstelle der Kfz-Innung, die Gabriele Skrzeba betreut: „Von der Zierleiste bis zum Motorschaden von 35000 Euro regeln wir alles.“

Notdienst . Handwerker dürfen außerhalb der üblichen Geschäftszeiten einen Notdienstzuschlag berechnen. Der liegt zwischen 25 und 150 Prozent an Feiertagen. Er darf aber nur auf die Arbeitszeit erhoben werden, nicht auf Materialkosten. „Dubiose Unternehmen schlagen die Prozente am Ende auf die ganze Rechnung auf, das ist nicht korrekt“, warnt Wolfgang Schramm. Stefan H. sollte also auch im Bademantel vor der verschlossenen Wohnungstür die Nerven behalten. Leicht ist das allerdings nicht.

Kontakt zu Schlichtungsstellen:

www.innung.org, www.hwk-berlin.de

www.kfz-innung-berlin.de

An diese Stellen können Sie sich wenden:

VERBRAUCHER-

ZENTRALE BERLIN:

Rechtsberatungen zu Handwerker-Verträgen können Sie ohne Anmeldung dienstags und freitags von zehn bis 16 Uhr, mittwochs und donnerstags von zehn bis 19 Uhr in Anspruch nehmen. Ort: Bayreuther Straße 40, Kosten: 7,50 Euro, Tel.: 030/21485-260

BESCHWERDESTELLE DES HANDWERKS:

Bei Streit über die Durchführung von Reparaturen oder über die Rechnungen versucht die Beschwerdestelle zu vermitteln. Das Verfahren ist formlos und kostenlos.Tel.: 030/25903-352 und 25903-124

SCHIEDSSTELLEN

DES KFZ-GEWERBES:

Ärger mit dem Kfz-Betrieb können Sie kostenlos über spezielle Schiedsstellen regeln. Diese sind zuständig für Meinungsverschiedenheiten, die sich aus Reparaturaufträgen oder aus einem Gebrauchtwagenkauf ergeben. Die Schiedsstelle für den Gebrauchtwagenhandel und die Schiedsstelle für das Kfz-Gewerbe erreichen Sie in Berlin in der Obentrautstraße 16 bis 18, Tel.: 030/25905-159, -160

SCHIEDSSTELLEN FÜR TEXTILPFLEGE:

Falls Sie mit Ihrer Reinigung oder Wäscherei unzufrieden sind, können Sie sich an die Schiedsstelle wenden, die bei der VZ Berlin angesiedelt ist. Tel.: 030/214850

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