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Wirtschaft: „Alles andere als eine Nullrunde wäre eine Riesenüberraschung“

Rentenexperte Franz Ruland über die Aussichten für Rentner und Beitragszahler

Herr Ruland, eine Rentenerhöhung wird es in diesem Jahr wohl nicht geben, oder?

Bleibt es bei den derzeitigen Zahlen, sehe ich für 2005 keine Chance für eine Rentenerhöhung. Zwar sind die Entgelte der Arbeitnehmer gestiegen – das ist ja überhaupt die Voraussetzung für eine Rentenerhöhung –, aber wenn man den Nachhaltigkeitsfaktor und den AltersvorsorgeBeitrag abzieht, landet man bei einer Nullrunde. Alles andere wäre eine Riesenüberraschung.

Und 2006?

Die immer noch sehr schwierige konjunkturelle Situation macht Vorhersagen kompliziert. Ich hoffe, dass es 2006 wieder eine Rentenerhöhung geben wird; sie wird aber auf keinen Fall sehr hoch sein. Bis zum Herbst ist noch alles offen.

Warum rechnen Sie dann in Ihren Renteninformationen mit Steigerungen von 2,5 Prozent?

Nur in zwei von fünf Rechnungen wird die Rentenanpassung mit 1,5 und 2,5 Prozent berücksichtigt. Diese Werte ergeben sich aus den Wirtschaftsannahmen der Bundesregierung und der Wirtschaftsforschungsinstitute für die künftige Lohnentwicklung. Außerdem sind unsere Renteninformationen langfristig angelegt. Wir rechnen individuell aus, wie hoch die Rente eines Beitragszahlers im Alter 65, das heißt in 20 oder 30 Jahren sein wird. Da wäre es nicht richtig, die derzeitige konjunkturelle Flaute mittel- und langfristig fortzuschreiben. Bei den über 60-Jährigen lassen wir inzwischen die beiden Anpassungsvarianten weg.

Werden wir denn überhaupt irgendwann wieder Rentenerhöhungen von 2,5 Prozent oder mehr haben?

Ja, das glaube ich schon. Wenn die derzeitige Konjunkturflaute überwunden ist, könnten auch die Entgelte der Arbeitnehmer wieder stärker steigen. Außerdem wirkt sich der Riester-Faktor zum letzten Mal bei der Rentenanpassung 2011 aus, danach bleibt er gleich. Dann mindert nur noch der Nachhaltigkeitsfaktor die Anpassungssätze.

2005 ist für die Rentner faktisch eine Minusrunde: Warum müssen sie für Zahnersatz und Krankengeld zahlen, obwohl die meisten bereits ein Gebiss haben und als Rentner nie in den Genuss von Krankengeld kommen werden?

Um verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen, wird der Sonderbeitrag anders begründet. Er dient nicht mehr der Finanzierung von Zahnersatz und Krankengeld, sondern nun der des medizinischen Fortschritts. Auch der medizinische Fortschritt lässt die Kosten der Krankenversicherung steigen, und von ihm profitieren auch die Rentner.

Sind damit nicht schon wieder neue Klagen programmiert?

Ich vermute, dass im Sommer eine neue Widerspruchswelle auf uns zurollen wird. Aber ich schätze, dass die Gerichte der Begründung des Gesetzgebers folgen werden.

Dabei sind die alten Klagen noch gar nicht entschieden.

Wir hatten im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Widersprüche gegen die Belastung der Rentner mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag. Dahinter stehen Kampagnen der Sozialverbände. Wir müssen mit dieser Politisierung unserer Verfahren zurechtkommen. Das gehört zu unserem Rechtsstaat dazu.

Aber finden Sie es denn nicht auch ungerecht, dass die Rentner als einzige Bevölkerungsgruppe den vollen Pflegebeitrag allein zahlen?

Nein, dafür haben die Arbeitnehmer einen Feiertag gestrichen bekommen. Allerdings verliert dieses Argument im Zeitverlauf an Gewicht.

Hat die Politik den Rentnern nicht gut genug erklärt, warum sie Nachteile hinnehmen müssen?

Es hat in der letzten Zeit sehr viele Eingriffe gegeben, und die Rentner waren von den meisten betroffen. Wir haben uns große Mühe gegeben, die Rentner aufzuklären. Als es um die Pflegeversicherung und die volle Beitragszahlung ging, haben wir jeden Betroffenen angeschrieben. Außerdem haben wir die Öffentlichkeit informiert. Aber viele Rentner sind einfach nicht bereit, weitere Verschlechterungen zu akzeptieren. Sie sind an dem Punkt angelangt, dass sie sagen, „jetzt reicht’s uns“. Da die Rentner wirtschaftlich nicht mehr reagieren können, fühlen sie sich als Objekt dem Staat ausgeliefert. Das führt zu Frust und Verärgerung.

Können die Beitragszahler davon ausgehen, dass der Beitrag auch 2006 bei 19,5 Prozent bleibt?

Das wird im Oktober entschieden. Bundessozialministerin Schmidt hat ja bereits erklärt, dass sie den Beitrag stabil halten möchte. Das Jahr 2004 ist finanziell besser als von allen erwartet zu Ende gegangen. Ob das für 2005 reicht, hängt von der Entwicklung der Konjunktur und vor allem der des Arbeitsmarktes ab.

Werden Sie dieses Jahr doch ohne einen Kassenkredit des Bundes auskommen?

Meine Hoffnung, dass wir keine Liquiditätshilfe brauchen, ist gestiegen. Aber vor dem Einnahmeplus im Dezember hatten wir einen starken Einnahmerückgang im November. Angesichts einer solchen Zickzackbewegung wage ich keine verlässliche Vorhersage.

Die Rentenversicherung wird neu organisiert. Ihr Verband, der VDR, und die BfA gehen zusammen. Wer wird Chef der neuen Deutschen Rentenversicherung Bund?

Das entscheidet die Selbstverwaltung am 1. Oktober. Da ich dann über 63 bin und die Amtszeit sechs Jahre dauern soll, habe ich – insoweit sind die Meldungen richtig – intern meine Bereitschaft signalisiert, für das Amt des Präsidenten nicht zu kandidieren und den Weg für Jüngere frei zu machen, die für die ganze Amtszeit zur Verfügung stehen. Allerdings steht diese Bereitschaft unter dem erklärten Vorbehalt, dass die Umsetzung der Organisationsreform so weit abgeschlossen ist, dass ich für mich diesen Schritt verantworten kann.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Franz Ruland (62)

ist Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR). Der VDR ist das politische Sprachrohr der Rentenversicherungsträger.

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