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Wirtschaft: Billig darf nicht mangelhaft sein

Auch im Schlussverkauf können Verbraucher Fehler reklamieren und einen Ausgleich fordern

Der Verbraucher wundert sich: Der gesetzliche Schlussverkauf wurde gerade abgeschafft, vom Sommer ist noch nicht viel zu spüren. Und trotzdem soll es vom 26. Juli bis 7. August einen Sommerschlussverkauf (SSV) geben. Wie das? Das seit kurzem gültige Wettbewerbsrecht hat den Händlern mehr Freiheiten gegeben. Sie sind bei Sonderverkäufen nicht mehr an die bislang strengen Vorschriften gebunden, die den beliebten Wahnsinn am Wühltisch auf einheitliche Termine und jeweils maximal zwei Wochen begrenzte.

Aus lauter Routine machen sie es so wie sonst, können im Prinzip aber ganz nach Lust und Laune jederzeit Sonderverkäufe veranstalten. Ob sie dann ein paar Tage oder mehrere Wochen dauern, überlässt der Gesetzgeber allein der kaufmännischen Vernunft. „Schlussverkäufe wurden also eigentlich nicht abgeschafft, sondern sogar ausgeweitet“, sagt Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin.

Allerdings erwartet der Gesetzgeber zum Schutz des Verbrauchers, dass die neue Freiheit seriös genutzt wird. So gilt es als ausdrücklich irreführend, wenn für Sonderangebote getrommelt wird, die nicht „in angemessener Menge“ vorrätig sind. Als angemessen „im Regelfall“ sieht der Gesetzgeber einen Vorrat für zwei Tage an. Dass wenige Stunden nach Ladenöffnung das angekündigte Superschnäppchen vergriffen ist, darf demnach nicht vorkommen.

Nur: Der Verbraucher, der auf ein Lockvogelangebot reingefallen und vergeblich ins Geschäft geeilt ist, hat davon unmittelbar nichts. „Unlauterer Wettbewerb kann zwar Schadenersatzansprüche nach sich ziehen – die können aber nur Mitbewerber, also andere Händler, geltend machen“, so vzbv-Sprecher Mohn. „Der Verbraucher bleibt in diesem Punkt leider außen vor.“

Sehr viel besser sieht es für den Verbraucher aus, wenn ihm eine mangelhafte Ware angedreht wurde. Dann kann er seine Ansprüche als Käufer stellen – ganz egal, ob er nun während eines Sonderverkaufes oder an einem ganz normalen Tag gekauft hat. Von Schildern wie „Aktionsware vom Umtausch ausgeschlossen“ sollte er sich nicht täuschen lassen. Nur wenn eindeutig vor dem Kauf auf Fehler hingewiesen wurde (zum Beispiel durch die Aufschrift „Zweite Wahl“), sind die Ansprüche eingeschränkt. Denn wenn jemand einen Fehler kannte, soll er sich hinterher nicht darüber beschweren.

Ansonsten aber muss selbst um 70 oder 80 Prozent reduzierte Ware in Ordnung sein. Der Verkäufer hat das zu gewährleisten. Seit dem 1. Januar 2002 gilt dabei eine von sechs auf 24 Monate verlängerte Frist. So lange kann der Kunde sich darauf verlassen, dass der Blitz an seiner neuen Digitalkamera funktioniert oder die Nähte des Anzuges halten – soweit die Theorie. Denn es gibt Beweispflichten. Nur in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf greift die Gewährleistungspflicht voll. In dieser Zeit müsste der Verkäufer beweisen, dass seine Ware entgegen der Behauptung des Kunden bei der Übergabe einwandfrei war. Gelingt ihm dieser Beweis, kann er die Gewährleistung verweigern. Das ist praktisch unmöglich. In der gleichen Situation befindet sich nach Ablauf der ersten sechs Monate allerdings auch der Käufer: Dann müsste er den Beweis führen, dass der Fehler bereits beim Kauf vorlag. Das ist ebenfalls kaum möglich.

Faktisch, so beklagen Verbraucherschützer, hat sich an dem Zeitraum der Gewährleistungspflicht nichts geändert. Immerhin: Nach altem Recht war der Käufer vom ersten Tag an in der Beweispflicht, für diesen Zeitraum wurde nun die Beweispflicht umgekehrt. Der Verkäufer kann sich jedenfalls in den ersten sechs Monaten den Gewährleistungspflichten kaum noch entziehen. Versucht wird das gleichwohl immer wieder, indem auf die Garantie des Herstellers verwiesen wird (vergleiche Artikel unten).

Bei einem Mangel kann der Käufer zunächst die so genannte Nacherfüllung fordern – und zwar entweder per Reparatur oder per Ersatzlieferung. Der Verkäufer darf den Umtausch ablehnen, wenn der für ihn mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre. Dann muss er reparieren. Bei Billigartikeln ist der Umtausch die Regel. „Bei einer elektrischen Zahnbürste für 20 Euro muss es sich der Kunde nun wirklich nicht gefallen lassen, dass das Gerät erst mal groß auf Reisen geht“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter. „Da erwarte ich einen sofortigen Austausch. Es dürfte auch für einen Händler unwirtschaftlich sein, für solch einen Billig-Artikel einen Handwerker zu beschäftigen.“

Anders sieht es bei teureren Anschaffungen wie etwa einem Computer aus: Der Eigentümer sollte sich darauf einstellen, bis zu zwei Reparaturversuche erdulden zu müssen. Wie lange muss er Geduld aufbringen? Unklar. Zwei bis vier Wochen halten Juristen für angemessen.

„Am besten ist es, wenn der Kunde gleich bei der Reklamation eine Frist setzt“, rät Rechtsanwalt Vetter. „Eine mündliche Fristsetzung reicht aus, jedoch ist das später bei einem Streit schwer zu beweisen. Wer einen entsprechenden Vermerk auf dem üblichen Reklamationsformular setzt, hat es einfacher.“

Dauert die Reparatur zu lange oder misslingt sie, kann der Kunde sein Geld zurückfordern. Er erklärt dafür den Rücktritt vom Vertrag. Der Verkäufer muss unter Umständen nicht den vollen Betrag zurückzahlen, denn er darf die bisherige Nutzung in Rechnung stellen. Wie viel das ist, lässt Raum für Streitereien. „Wenn aber eine Sache von Beginn an unbrauchbar war, ist ein Nutzungsabzug natürlich absurd“, sagt Rechtsanwalt Vetter. Die Minderung ist eine andere Möglichkeit, auf den nicht behobenen Mangel zu reagieren. Der Käufer verlangt dabei nicht sein gesamtes Geld zurück, sondern nur einen Teil, der der Bedeutung des Mangels entspricht. Eine schiefe Naht am Ledersofa könnte solch ein Minderungsgrund sein.

Was aber ist mit all den Problemen, die ein Käufer hatte – mit dem Zeitaufwand, mit den Extrakosten? Für den Fall der Nacherfüllung hat der Gesetzgeber das klar geregelt: „Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen“, so Paragraph 439, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Rechtsanwalt Vetter: „Wer den kaputten Fernseher zurück zum Händler bringen muss, kann seine Fahrtkosten dafür in Rechnung stellen.“

Andreas Kunze

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