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Wirtschaft: Ein blauer Engel ohne Job

Viele Menschen haben Angst vor Handystrahlen. Es gibt ein Siegel für strahlungsarme Geräte. Doch die Industrie nutzt es nicht

Machen Mobiltelefone unfruchtbar? Verursachen sie Kopfschmerzen oder erhöhen Mobilfunkstrahlen sogar das Krebsrisiko? Viele Menschen, die eine Mobilfunkantenne in ihrer Nähe haben, sind verunsichert, ob von der hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung der Masten Gefahren für die Gesundheit ausgehen. Einen Beweis, der auch wissenschaftlichen Anforderungen genügt, gibt es dafür jedoch bis heute noch nicht. „Aber es gibt Hinweise auf mögliche biologische Beeinträchtigungen durch die Strahlen des Mobilfunks“, sagt Wolfram König, Präsident der Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). „Deswegen treten wir dafür ein, im Umgang mit dieser Technologie Vorsorgemaßnahmen zu beherzigen.“

Das BfS hat dazu ein Forschungsprogramm aufgelegt. Von 2002 bis 2006 stehen 17 Millionen Euro zur Verfügung – je zur Hälfte kommt das Geld aus dem Bundesumweltministerium und von den Mobilfunkbetreibern. Der Schwerpunkt liegt laut BfS dabei auf der Erforschung der gesundheitlichen Risiken des Mobilfunks für Kinder und Jugendliche. Einen wissenschaftlichen Beweis für die Schädlichkeit der Strahlen hat das Programm bisher jedoch noch nicht erbracht.

In der Öffentlichkeit wird beim Thema Mobilfunkstrahlung vor allem über die möglichen Gefahren diskutiert, die von den Sendemasten ausgehen. „Wir bekommen nach wie vor viele Anfragen zu diesem Thema“, sagt BfS-Präsident König. Dabei schwäche sich mit zunehmendem Abstand zur Basisstation das elektromagnetische Feld rasch ab. „Wenn es ein Risiko im Mobilfunk gibt, dann ist es bei den Handys höher als bei den Basisstationen.“ Denn bei den Basisstationen ist man der Strahlung zwar dauerhaft ausgesetzt, das Handy aber hat man beim Telefonieren direkt am Ohr.

Um hier vorsichtig zu handeln – so lange es eben nur Hinweise, aber noch keinen wissenschaftlichen Beweis einer möglichen Gesundheitsgefahr durch die Strahlen gibt – hat sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin für die Einführung eines Gütesiegels eingesetzt. Seit 2002 gibt es einen „blauen Engel“ für besonders strahlungsarme Handys. Gemessen wird dabei der SAR-Wert (siehe Tabelle, letzte Zeile), die spezifische Absorptionsrate. Sie wird ausgedrückt in Watt pro Kilogramm und gibt an, wie viel Strahlung das Gewebe bei maximaler Leistung des Handys aufnimmt. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei einem SAR-Wert von zwei Watt pro Kilogramm. Um den „blauen Engel“ zu erhalten, darf der SAR-Wert jedoch 0,60 Watt pro Kilogramm nicht überschreiten.

Die Hersteller sind verpflichtet, für jedes Handy den SAR-Wert anzugeben. Aber bis jetzt hat noch kein einziges Gerät einen „blauen Engel“. Dabei erfüllen laut BfS etwa ein Viertel der Geräte am Markt die Anforderungen. „Die Handyhersteller erwecken den Eindruck, als ob ihnen die Brieftasche der Kunden wichtiger wäre als eine einfache Verbraucherschutzinformation“, sagt König. Auch Minister Trittin ist „nicht zufrieden“, sagt sein Sprecher. Da der „blaue Engel“ ein freiwilliges Gütesiegel ist, könne der Minister aber niemanden zwingen es zu verwenden.

Die Industrie lehnt das Siegel ab. Der gesetzliche Grenzwert sei ausreichend, argumentiert sie, es gebe keine Beweise dafür, dass unterhalb des Grenzwertes Gesundheitsgefahren auftreten. Zugleich frage kaum ein Kunde je nach dem Strahlenwert. „Leider haben die Mobiltelefonhersteller immer noch nicht den Wettbewerbsvorteil eines vertrauenswürdigen Umweltzeichens für ihre Produkte erkannt“, sagt Gerd Billen, Vorsitzender der Jury Umweltzeichen. BfS-Präsident König rät Verbrauchern, beim Kauf eines Mobiltelefons auf einen möglichst niedrigen SAR-Wert zu achten. „So kann man ein nicht völlig auszuschließendes Risiko für die Gesundheit minimieren.“

Liste der SAR-Werte: www.bfs.de/elektro/hff/oekolabel.html

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