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Wirtschaft: Gefährliche Deckel

Käse, Babybrei und Pesto sind zum Teil mit Weichmachern belastet – Behörden sehen Handlungsbedarf

Berlin - Sie sollen Käse frisch halten und Babynahrung transportfähig machen: Verpackungen sind dazu da, Lebensmittel zu schützen. Manchmal bewirken sie aber unbeabsichtigt das Gegenteil, haben Wissenschaftler und Warentester herausgefunden. Folien und Deckeldichtungen von Schraubgläsern enthalten oft gesundheitsschädliche Weichmacher, die leicht in fetthaltige Lebensmittel übergehen können. In Dänemark wurden deshalb im Januar in Schraubgläser verpackte Babygläser vom Markt genommen. Auch in Deutschland sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung Handlungsbedarf. „Wir empfehlen, dass für die auf dem deutschen Markt befindlichen fetthaltigen Lebensmittel, die in Gläsern mit Twist-off-Deckeln verpackt sind, Untersuchungen zur Belastung mit Weichmachern durchgeführt werden“, heißt es in einer Stellungnahme. Die meisten Hersteller und Händler halten das offiziell nicht für nötig. Hinter den Kulissen werden aber bereits Alternativen getestet – denn auch die EU macht Druck.

Die Stiftung Warentest hatte unlängst in einer Untersuchung ermittelt, dass 17 der 26 getesteten Käsesorten aus der Selbstbedienungstheke mit dem Weichmacher Diethylhexyladipat (DEHA) belastet sind. Zwei davon – ein Emmentaler von Real und ein Leerdammer von Minimal – überschritten sogar den EU-Grenzwert von 18 Milligramm pro Kilogramm. Der Weichmacher Deha war in Verruf geraten, weil er in Tierversuchen Krebs erzeugt und die Fruchtbarkeit beeinträchtigt hatte. In einigen Gläsern mit Babykost und Pesto fanden die Tester Weichmacher (ESBO und Semicarbazid, siehe Kasten) in erhöhter Konzentration.

Weichmacher sind in PVC enthalten. Sie sollen das Material, das eigentlich hart ist, geschmeidig machen. Das ist bei der Gummidichtung eines Deckels von Vorteil, weil die Dichtungen Gläser hermetisch verschließen und den Inhalt so vor Keimen schützen. Bei fetthaltigen Lebensmitteln können Weichmacher in der Verpackung dagegen problematisch sein, weil sie in die Lebensmittel übergehen. Das passiert umso stärker, je länger das verpackte Produkt in der Verpackung gelagert wird und je wärmer die Umgebungstemperatur ist.

Die meisten Einzelhändler und Hersteller sehen sich durch die Warentester aber zu Unrecht beschuldigt. „Wir gehen davon aus, dass alles in Ordnung ist“, sagt eine Sprecherin der Handelsketten Real und Extra. Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Folienherstellers lägen vor, an der Verpackung werde sich nichts ändern. Minimal sieht ebenfalls keinen Verstoß, testet aber derzeit alternative Käsefolien.

Auch Reinhard Keil, Verkaufsleiter des Babybrei-Herstellers Martin Evers Naturkost, sagt, die eigene, unabhängige Qualitätskontrolle habe keine Probleme festgestellt. Es gebe daher keinen Anlass, die Gläschen zurückzuziehen. Die Tester hatten zwar eine hohe Weichmacher-Belastung festgestellt, der allgemeine Grenzwert von 60 Milligramm pro Kilo wurde aber nicht überschritten.

Und dennoch suchen die Hersteller und Schraubdeckeln intensiv nach alternativen Materialien. Der Grund: Die EU plant, den Grenzwert für Weichmacher in Babykost um die Hälfte zu senken. „Die Hersteller versuchen derzeit in Testprojekten mit Abfüllern von Babykost, den Gehalt an dem Weichmacher ESBO in Deckeln zu senken“, sagt der Vertreter eines großen Deckelherstellers, der nicht genannt werden will. Erste Feldversuche seien gerade angelaufen. „Noch gibt es aber keine brauchbare Alternative zu ESBO, die marktfähig wäre.“ Vor Ablauf von zwei Jahren sei kein Ergebnis zu erwarten.

Maren Peters

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