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Interview: "Jeder wird steuerlich erfasst"

Steuerberater Jürgen Pinne warnt vor der Steuernummer: Der Datenaustausch zwischen den Behörden wird zunehmen.

Herr Pinne, jeder Bürger bekommt jetzt eine Steuernummer, die er sein Leben lang behält. Werden Steuerbetrügereien dadurch künftig schwerer?

Nein, es geht nicht darum, Steuererklärungen schärfer zu kontrollieren. Aber für die Finanzämter wird es künftig leichter, Steuerzahler überhaupt erst einmal aufzuspüren. Wenn man umzieht, wird das neue Finanzamt heute erst dann aufmerksam, wenn man seine Steuerklärung abgibt. Erst dann fordert der Finanzbeamte die Akten von dem Finanzamt an, das vor dem Umzug zuständig war. Mit der neuen Steueridentifikationsnummer weiß das neue Finanzamt sofort Bescheid, so bald man beim Einwohnermeldeamt war und sich umgemeldet hat.

Viele Rentner haben früher gar keine Steuererklärungen abgegeben. Was ändert sich für sie?

Die Rentenversicherungsträger teilen ab dem nächsten Jahr dem Bundeszentralamt für Steuern und den Finanzämtern mit, wer Rente bekommt und in welcher Höhe. Jeder Rentner wird künftig steuerlich erfasst.

Wer muss Steuern nachzahlen?

Wer nur seine Rente erhält und keine weiteren Einkünfte hat, kann als Alleinstehender rund 15 500 Euro im Jahr beziehen, ohne dass er eine Steuererklärung abgeben muss. Aber auch wer ein wenig darüberliegt oder Nebeneinnahmen in geringer Höhe nicht angegeben hat, muss nicht damit rechnen, dass er ein Steuerstrafverfahren an den Hals bekommt. Ich glaube nicht, dass der Staat alte Menschen kriminalisieren will.

Muss jeder Rentner damit rechnen, dass sein Fall vom Finanzamt überprüft wird?

Nein, dazu sind die Finanzämter personell gar nicht gut genug ausgestattet. Aber ich rate trotzdem jedem, der sich Sorgen macht, beim Steuerberater anzurufen und sich kurz beraten zu lassen.

Datenschützer fürchten, dass die neue Steuernummer einen weiteren Schritt auf dem Weg zum gläsernen Bürger darstellt. Zu Recht?

Ja, ich glaube schon. Man muss abwarten, was die Praxis bringt, aber hier ist einiges möglich. Denken Sie allein an die Kontrollmitteilungen, die die Banken jedes Jahr an die Finanzverwaltung schicken, wenn Kontenabfragen erfolgen. Meldungen, die das Bundeszentralamt für Steuern erhält, könnten für die Sozialämter interessant sein, wenn sie prüfen, ob jemand Wohngeld oder Hartz IV bekommen kann. Ich fürchte, der Datenaustausch zwischen den Behörden wird zunehmen.

Das Interview führte Heike Jahberg


Jürgen Pinne
ist Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV) und arbeitet als Steuerberater in Oberwesel. Der DStV vertritt Steuerberater, Wirtschafts- und Buchprüfer.

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