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Wirtschaft: Schlichten statt richten

Mediatoren vermitteln zwischen Streithähnen – oft mit großem Erfolg

Er klingelte Sturm, fast jede Nacht. Sein Kind schrie oft erbärmlich, und wenn es still war, dann dröhnte der Fernseher in der Wohnung des Herrn A. Darunter liegt das Schlafzimmer der Frau M. Die lag dann wach.

Am Anfang rief sie: „Ruhe da oben!“, dann hängte sie Zettel auf im Hausflur. Als das alles nichts nützte, ging Frau M. zur Polizei. Wütend war sie und überzeugt davon, dass nur die Staatsgewalt Herrn A. zum Schweigen bringen könne. Die Beamten aber schickten die Aufgebrachte zum Mediationszentrum Berlin.

Dort lud man Herrn A. und Frau M. gemeinsam an einen Tisch. Hier redeten die beiden zum ersten Mal lange miteinander. So kam irgendwann heraus: Familie A. besaß nur einen Schlüssel. Weil sie Ausländer sind und schlecht Deutsch sprechen, trauten sie sich nicht, nach einem zweiten zu fragen. Wenn Herr A. nachts von der Arbeit kam, dann musste er klingeln, dann wurde das Baby wach und schrie. Den Fernseher hatten die A.s auf den Boden gestellt, einen Tisch dafür gab es eben nicht.

„Der Grund für Streit unter Nachbarn ist oft so einfach, dass man fast lachen muss“, sagt Christa Schäfer, Leiterin des Mediationszentrums im Berliner Stadtteil Schöneberg. Während eines Streits fielen aber oftmals viele böse Worte, beleidigten und beschuldigten die Konfliktparteien sich gegenseitig so lange, bis ein normales Gespräch unmöglich sei.

Dann kann man nur noch Anzeige erstatten. Oder doch noch einmal miteinander reden, unter professioneller Anleitung, mithilfe der Mediation. In den 80er Jahren in den USA entstanden, bedeutet der Begriff „Vermittlung“. Ein Mediator übersetzt zwischen zwei Streithähnen, wenn es sein muss auch in eine fremde Sprache.

Meistens jedoch geht es darum, dem einen den Frust, die Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse des anderen zu erklären, ohne Schimpfwörter und ohne gereizten Unterton. Mittlerweile ist das Verfahren auch in Deutschland bekannt, zur Streitschlichtung im Privatbereich und als Alternative zu teuren Gerichtsverfahren. Prozesskosten, Anwaltskosten, Gutachter: Für den Verlierer kann ein Prozess nicht selten mehrere tausend Euro kosten. Ärgerlich – besonders, wenn der Auslöser des Streits nur eine günstige, aber wuchernde Gartenpflanze war.

Doch auch wenn die Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt: Beendet ist der Nachbarkrieg mit einem Gerichtsverfahren meistens nicht. Der Verlierer fühle sich meistens ungerecht behandelt, und „manchmal hat nicht mal der Gewinner das Gefühl, dass ihm Recht widerfahren ist“, sagt Katrin Schönberg, Sprecherin der Berliner Zivilgerichte. Der Konflikt zwischen den Menschen sei meistens viel größer als der eigentliche Verhandlungsgegenstand, darum „tauchen die dann immer wieder auf“.

Die Richterin hat selbst eine Zusatzausbildung zur Mediatorin gemacht und ist überzeugt von der Methode: „Das Bezaubernde an der Mediation ist, man kann sich über weitaus mehr einigen als nur über den Klagegegenstand.“ In Berlin bieten fast alle Amtsgerichte Nachbarschaftsklägern darum zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens an, „die Stopptaste zu drücken“ und statt der Verhandlung ein Mediationsgespräch mit einem dafür ausgebildeten Richter zu führen. Die träten dabei jedoch nicht als Richter auf, betont Schönberg: „Der Mediator ist nicht der Entscheider, sondern hilft den Leuten dabei, in einem Miteinander eine Einigung zu finden.“ Die könne dann von beiden Seiten leichter akzeptiert werden.

In Brandenburg dürfen Nachbarn sich gegenseitig gar nicht einfach so verklagen. „Nachbarrechtliche Streitigkeiten“ fallen hier unter die so genannte „obligatorische Streitschlichtung“: Damit eine Klage vor dem Amtsgericht zulässig ist, muss der Kläger nachweisen, dass er versucht hat, sich mit dem Beklagten vor einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle zu einigen. Die vom Land anerkannten Schlichtungsstellen sind Rechtsanwälte oder ausgebildete Schiedsleute, die alle ein Mediationstraining absolviert haben.

Echte Mediation aber, so Schönberg, „lebt und steht und fällt damit, dass beide Parteien sich einigen wollen“.

Frau M. hat den A.s am Ende einen Zweitschlüssel besorgt. Und die haben einen dicken Teppich unter den Fernseher gelegt.

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