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Highlights. Albas Basketballer werfen sich frei.

© Daniel Naupold/dpa

Sportmetropole Berlin: Warum Berlins Profisport in der Stadtmitte lebt

In einer sich ständig wandelnden Stadt kommt die Konstanz aus einer Bewegung: Die großen Sportvereine bieten einen Platz zum Mitfeiern und Mitleiden.

Fangen wir doch einfach mit Hallen-Windsurfen an. Das hat tatsächlich einmal in Berlin stattgefunden, 1997 im Velodrom. 30 riesige Ventilatoren pusteten mit Windstärke sechs gegen die Segel. Und Robby Naish und Björn Dunkerbeck, die besten Surfer ihrer Zeit, rasten über ein 70 Meter langes Becken, gefüllt mit 2,5 Millionen Liter Wasser. Es hat also in Berlin im Sport eigentlich schon alles gegeben. Auch Sachen, die es nicht gibt. Drei Jahre später tauchte auf einmal ein Hallen-Triathlon im Velodrom auf.

Solche Kuriositäten gehören zum Sport in Berlin, über den wir täglich berichten. Wer immer eine Idee hat, die er für weltbewegend hält, überlegt sich, sie in Berlin zu verwirklichen. So kommen manche Veranstaltungen aus dem Nichts, und wenn sie wieder gehen, vermisst sie auch keiner. Sie fliegen vorbei wie ein seltenes Insekt. Kurios, dass man es gesehen hat. Vielleicht wird man sich später in irgendeiner Situation noch einmal daran erinnern.

Abschied aus den Kiezen

Berlin ist ein Labor, gerade auch im Sport. Es entsteht ständig Neues. Es ist immer alles in Bewegung. Das macht es oft so unübersichtlich. In so vielen Sportarten gibt es Bundesligaklubs, in so vielen Einzeldisziplinen herausragende Athletinnen und Athleten, die hier leben und trainieren. Wer in der Stadt Spitzensport besuchen will, muss sich wie ein Fernsehzuschauer zwischen unzähligen Kanälen entscheiden.

Da gibt es auch im Sport einige große Programme und viele Spartenangebote. Und wenn wir auf die vergangenen Jahre zurückschauen, gibt es bei aller Wuseligkeit im Spitzensport doch eine konstante Bewegung: hinein in die Mitte. Die Stadt, die sonst im Kiez lebt, zieht einige ihrer besten Mannschaften und manche Veranstaltung im Zentrum zusammen.

Den Anfang machten die Basketballer von Alba Berlin, die 1996 aus der Sömmeringhalle in Charlottenburg in die Max-Schmeling-Halle zogen, eine der Sportstätten, die aus der gescheiterten Bewerbung für die Olympischen Spiele 2000 entstanden waren. Hier spielen inzwischen auch die Füchse Berlin, die einmal die Reinickendorfer Füchse waren. Und nicht nur das: Ihr Trainingszentrum haben die Füchse ins Sportforum nach Hohenschönhausen verlegt, in die frühere Medaillenschmiede des DDR-Sports. So verschwinden alte Muster von Ost und West.

Die Capitals haben kapituliert, die Eisbären vertreten jetzt die ganze Stadt

Aus Hohenschönhausen sind dafür die Eisbären ins Zentrum gezogen, in die Arena am Ostbahnhof. Es gibt auch längst keine Duelle mehr zwischen den Capitals aus dem Westen und Eisbären aus dem Osten, die Capitals haben kapituliert, die Eisbären vertreten jetzt die ganze Stadt, auch wenn sie nebenbei noch für eine Erfolgsgeschichte aus dem Osten stehen, eine selten gewordene nach so vielen Abstiegen ostdeutscher Fußballklubs.

In der Arena am Ostbahnhof sind die ehemaligen Hohenschönhausener Eisbären inzwischen Hallenpartner der ehemaligen Charlottenburger von Alba Berlin, die nun auch in der Großarena spielen. Die Volleyballer des SC Charlottenburg haben sich ebenfalls dem Trend angeschlossen und spielen nun als BR Volleys in der Max-Schmeling-Halle. Vier der sechs größten Profiklubs treten also im geografischen Zentrum auf und haben hier schon eine Menge Meisterschaften gesammelt.

Ihren Standort haben sie verändert, aber die Klubs sind dennoch Identitätsobjekte geblieben. Tausende Fans halten schon seit Jahren oder Jahrzehnten zu diesen Klubs. Manche Verantwortliche sind ebenso lange dabei. Es ist der Mannschaftssport mit seinem scheinbar immergleichen Ablauf aus Transferperiode, Trainingslager, Saisonstart, Winterpause, Meisterschafts- und Abstiegsentscheidung, der hier Orientierung bietet. Das große, dicke B zu lieben, ist schwer, einen Verein zu finden, dessen Art einem irgendwie sympathisch ist und bei dem man ein vertrautes Milieu findet, dagegen schon viel leichter.

In jeder Saison entstehen neue aufregende Momente zum Mitfeiern und Mitleiden. Darüber erzählen lässt sich nicht nur auf dem Nachhauseweg und am nächsten Tag noch einmal. Die Mannschaften schaffen einen gemeinsamen Erinnerungsschatz, den man immer wieder zusammen hervorholen kann.

Im sich täglich zu beobachtenden Wandel der Stadt sind diese Vereine in den großen Spielsportligen so zum Symbol der Beständigkeit geworden. Auch weil sie sich selbst weiterentwickelt haben, zum einen über ihren geografischen Schatten gesprungen sind, sich zum anderen zu Unternehmen gewandelt haben, die im Wettbewerb stehen mit anderen Tages- und Abendsveranstaltungen und manchmal auch untereinander um Sponsoren und Zuschauer.

Sie wollen alle von Berlin als Marke profitieren, es reicht ihnen nicht mehr aus, einen Bezirk im Namen zu tragen, selbst wenn der so viele Einwohner hat wie eine bedeutende deutsche Großstadt. Ausnahmen gibt es noch: Die Tischtennisspielerinnen des TTC Eastside, immerhin Champions-League-Siegerinnen, verlegen ihre Spiele manchmal sogar ins Freizeitforum Marzahn, um zur Attraktion zu werden. Aber auch der deutsche Wasserball-Dauermeister Wasserfreunde Spandau bleibt nicht tief im Westen, sondern bestreitet Spiele in Schöneberg, also am S-Bahn-Ring.

Hertha BSC im Olympiastadion: mit allen Einmaligkeiten und Nachteilen

Und was ist mit Fußball? Die beiden erfolgreichsten Klubs der Stadt sind da geblieben, wo sie waren. Ein neues Fußballstadion ist eben nicht mal so schnell gebaut, auch wenn die Klubführung von Hertha BSC darüber einmal laut nachgedacht hatte. Eine moderne Fußballarena im Zentrum der Stadt fehlt, der Jahn-Sportpark ist für mittelgroße Ereignisse passend. Das Olympiastadion, fast am Endbahnhof einer U-Bahn-Linie, erlebt Hertha BSC mit all seinen Einmaligkeiten und Nachteilen. Eine Laufbahn schafft erst einmal Distanz zwischen Fans und Mannschaft, aber wenn das Stadion voll ist, gibt es kaum ein schöneres.

Auch der 1. FC Union lebt weiter in Randlage. Aber der Fußball ist dafür groß genug, er ist die einzige Sportart, die noch ein komfortables Wohnen in der Ecke zulässt. Union hat seine Lage sogar zum Markenzeichen gemacht, hinzu kommt der Trotz des Vereins, an alten Sachen festzuhalten. Gerade diesen Trotz finden viele Fußballfans so anziehend. Da hält sich ein Verein selbst kleiner, als er sein könnte, will nicht jeden Blödsinn mitmachen, widersetzt sich manchen Beschlüssen aus den Verbandszentralen in Frankfurt am Main.

In anderen Sportarten jedoch ist das kaum möglich. Da wollen viele in die Mitte der Stadt, um wieder einmal Lebenszeichen von sich zu geben. Die Leichtathletik etwa, wenn sie Stabhochspringer und Weitspringer vor dem Brandenburger Tor bei „Berlin fliegt“ starten lässt, um von der Kraft des Ortes etwas abzubekommen für die in die Jahre gekommene Stadionsportart. Der Berlin-Marathon ist bislang ein Selbstläufer, aber auch er hat sich entschieden, sein Ziel weiter in die Mitte zu verlegen, weg vom Kurfürstendamm hinters Brandenburger Tor, den prominentesten Ort, den die Stadt zu bieten hat.

Die Bilder haben Stärke, auch wenn sie nicht alles können. Der Olympiabewerbung Berlins hat es auch nicht viel geholfen, dass 800 Schülerinnen und Schüler die olympischen Ringe vor dem Brandenburger Tor gebildet haben. Doch das ist Geschichte. Olympia ist für diese Stadt das Gestern und Vorgestern. Die Gegenwart spielt Ball und Puck im Vereinstrikot.

Dieser Text erscheint zum 70-jährigen Bestehen des Tagesspiegels. Lesen Sie weitere Beiträge zum Geburtstag auf unserer Themenseite.

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