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Acht Irrtümer: Die Deutschen unterschätzen die Mafia

Die Schriftstellerin und Mafia-Expertin Petra Reski über die acht größten Irrtümer der Deutschen.

In Neapel stapelt sich der Müll, ein großes Geschäft der Mafia; die Verfilmung von Roberto Savianos „Gomorrha“ kommt in die Kinos; die Täter der Duisburger Pizzeria-Morde stehen vor Gericht. Nie war die italienische Mafia so sehr Thema in Deutschland wie in diesem Jahr. Erstaunlich nur: Kaum jemand nimmt zur Kenntnis, dass sie hierzulande längst aktiv ist.

1. Mafiafilme werden mit der Realität verwechselt.

Alle Mafiosi wollen so wortkarg sein wie Marlon Brando und so cool wie Al Pacino. Sie wissen: So lange das Bild von der Mafia romantisiert wird, vermutet sie niemand in der Eisdiele um die Ecke.

2. Geldwäsche gilt als Kavaliersdelikt.

Die Mafia denkt nicht im Traum daran, uneigennützig zu investieren. Dank ihrer Kontakte zu Politikern, zu Baudezernenten, Ausländerbehörden oder Gewerbeaufsichtsämtern tragen ihre Investitionen mehr Früchte als jene anständiger Unternehmer. Geldwäsche ruiniert den wirtschaftlichen Wettbewerb und damit die Demokratie.

3. Die albanische (russische, vietnamesische, bulgarische) Mafia wird für die wahre Bedrohung gehalten.

Die Mafia macht immer dann ihr Geschäft, wenn es keine Toten gibt. Während sich die Bulgaren noch in Bandenkriegen verzetteln, sitzt die italienische Mafia schon im Justizausschuss des europäischen Parlaments. 160 Jahre Erfahrung haben sie gelehrt, sich unsichtbar zu machen.

4. Die Mafiosi werden als Fremdkörper in der Gesellschaft gesehen.

Die Mafia ist immer Teil der Gesellschaft, und das ist ihre Stärke. Sie kann nur dank des semi-mafiosen Humus überleben, der sich auch in Deutschland findet: ehrlose Anwälte, Bankangestellte, die einen Kredit vermitteln, Polizeipräsidenten, die ein Auge zudrücken.

5. Es wird blind auf Gesetze vertraut.

Mafiazugehörigkeit ist in Deutschland kein Delikt. Es gibt nur den Straftatbestand der kriminellen Vereinigung; Höchststrafe: gerade mal fünf Jahre. Anders als in Italien, wo der Verdacht auf Mafiazugehörigkeit für eine Festnahme reicht, müssen hierzulande Beweise für konkrete Straftaten vorliegen: Schmauch- und DNS-Spuren oder Fingerabdrücke – wie man sie bei der Geldwäche selten hinterlässt. In Deutschland dürfen weder Lokale noch Wohnungen abgehört werden. Und selbst wenn die Polizei weiß, dass jemand Mafioso ist: So lange derjenige nicht bei rot über die Ampel fährt, hat er nichts zu befürchten.

6. Die Mafia wird für ein Problem rückständiger, süditalienischer Dörfer gehalten.

Weil die Mafia ihre Existenz nicht mehr bestreiten kann, versucht sie sich zur Folklore zu verklären: eine Geheimgesellschaft, die in ihren Verstecken singt und tanzt.

7. Es wird auf die uneingeschränkte Meinungsfreiheit in Deutschland vertraut.

So lange investigative Journalisten mit einstweiligen Verfügungen mundtot gemacht werden können, hat die Mafia leichtes Spiel in Deutschland.

8. Es wird geglaubt, deutsche Politiker würden dem Werben der Mafia nicht erliegen.

Tja.

Petra Reski ist Journalistin und Schriftstellerin in Venedig. Kürzlich erschien ihr Buch „Mafia“ bei Droemer/Knaur.

Petra Reski

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