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© dpa

"Apocalypse today": Ansbacher Amokläufer - ein beschriebenes Blatt

Der Ansbacher Amokläufer gab auf einem Kalender einen Hinweis auf die Tat – doch was war sein Motiv?

Am auffälligsten ist am Tag nach dem Amoklauf von Ansbach, dass das Leben insgesamt entschleunigt wirkt. Als müssten alle, die noch einmal davongekommen sind, erst noch Luft holen, ehe sie am Freitag wieder zurückkommen in den Alltag. Teilweise wirkt die Ruhe nur antrainiert. Denn angespannt ist so gut wie jeder, der in irgendeiner Form in den letzten 24 Stunden intensiv mit der Nähe zum Tod zu tun hatte. Die beiden am schwersten verletzten Mädchen sind inzwischen außer Lebensgefahr. Nach den Angaben des Klinikums Nürnberg ist die Schülerin, die der 18-jährige Amokläufer am Carolinum-Gymnasium mit einer Axt am Kopf verletzt hatte, nach einer siebenstündigen Operation auf dem Weg der Besserung. Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger kann sich am Tag nach dem Amoklauf nur mühsam an die Maxime halten, die sowohl der Schulleiter wie auch die Oberbürgermeisterin Carla Seidel neben ihr auf dem Podium in Ansbach zu beherzigen versuchen: Ruhe sei die erste Bürgerpflicht.

Gudrun Lehnberger hat nämlich neue Erkenntnisse, und mit diesen Erkenntnissen entwickelt sich allmählich ein Bild von dem 18-jährigen Schüler der Abschlussklasse, der sich auf sein Abitur an einem Ort vorbereitete, wo das Wort Humanismus großgeschrieben wurde. Schuldirektor Franz Stark merkt dies mit einem Reststolz an, der erkennen lässt, in welchem Maße am Vortag auch seine inneren Grundfesten erschüttert worden sind.

Trotz der Mahnungen des Direktors setzt unter den Medien allerdings schon bald ein Treiben um die intimste Geschichte aus dem Jugendzimmer des Amokläufers Georg R. ein. Nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wohnte der junge Mann bei seiner Mutter; die Eltern waren geschieden. Er galt als Einzelgänger. Unter anderem hat er ein Testament hinterlassen. Dies, merkt Gudrun Lehnberger an, sei ein unbedingt ernst zu nehmendes Zeichen. Weiterhin fanden sich in den schriftlichen Aufzeichnungen bei Georg R. etliche Dokumente zu den Anschlägen vom 11. September und ein Kalenderblatt, auf dem unter dem 17. September, dem Tag der Tat, die Worte „Apocalypse today“ (Apokalypse heute) vermerkt sind. Doch das Motiv für den Amoklauf bleibt unklar. Georg R., der am Freitag noch im künstlichen Koma lag, war seit längerem in psychotherapeutischer Behandlung. Als er am Donnerstagmorgen seine Schule betrat und dort anschließend neun Schüler und einen Lehrer verletzte, war der Gymnasiast schwerer bewaffnet als zunächst angenommen. Der 18-Jährige zündete insgesamt vier Brandsätze, fünf hatte er dabei.

Unterdessen hat eine Diskussion darüber eingesetzt, welche Art von Amok-Warnsystem an Schulen in Zukunft praktikabel sein könnte. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte, dass „die Schulen keine sicheren Orte sind“, und forderte ein flächendeckendes Frühwarnsystem für Schulen.

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