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Der Ortsname ist am 19.07.2016 in Ochsenfurt (Bayern) am Bahnhofsgebäude zu lesen. Am Montagabend war ein 17 Jahre alter Afghane, der als Flüchtling in einem Heim in dem Ort gelebt hatte, mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Vier Menschen wurden schwer verletzt, ein weiterer leicht. Die Polizei erschoss den Angreifer als er flüchtete.

© dpa

Update

Axt-Attacke im Regionalzug bei Würzburg: Echtheit des Bekennervideos bestätigt

In der Wohnung des 17 Jahre alten Angreifers von Würzburg haben Ermittler Hinweise auf dessen Radikalisierung gefunden. Dem Verfassungsschutz war er nicht bekannt.

Das Axt-Attentat in einem Regionalzug bei Würzburg hatte möglicherweise einen islamistischen Hintergrund. Das IS-Sprachrohr Amak hat im Internet ein Video verbreitet, das den 17 Jahre alten Angreifer vor dem Attentat zeigt. Das bayerische Innenministerium hat die Echtheit des im Internet verbreiteten Bekennervideos zum Attentat von Würzburg bestätigt. „Der Mann auf dem Video ist der Täter von Würzburg“, sagte ein Sprecher von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates und beginne eine heilige Operation“, sagte der Mann in dem Video, das am Dienstag von Amak veröffentlicht wurde. Zuvor hatte die IS-nahe Agentur berichtet, der Angriff sei von einem ihrer "Kämpfer" ausgeführt worden. "Das haben wir zur Kenntnis genommen", hatte Herrmann zu diesem Zeitpunkt gesagt, "es gibt aber nach bisherigem Ermittlungsstand keine Erkenntnisse, die auf eine Vernetzung des Täters hinweisen würden."

Der Afghane hatte in einem Zug in Bayern fünf Reisende mit einer Axt und einem Messer schwer verletzt. Zwei von ihnen schwebten am Dienstag noch in Lebensgefahr. Teilweise seien die Verletzungen „sehr schlimm und sehr drastisch“, sagte der Würzburger Polizeipräsident Gerhard Kallert. Die zuständigen bayerischen Ermittlungsbehörden gehen von einem politischen Hintergrund der Tat aus. Die Gewalttat sei "wohl politisch motiviert" gewesen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager am Dienstag vor Journalisten in Würzburg.

Nach Angaben von Ermittlern wollte sich der Täter an Nicht-Muslimen rächen, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten. Der 17-jährige Afghane sei am Montagabend mit dem vorgefassten Entschluss in den Zug gestiegen, ihm unbekannte „Ungläubige“ umzubringen, sagte Ohlenschlager bei einer Pressekonferenz. Seinen eigenen Tod habe er dabei in Kauf genommen.

Ein möglicher Auslöser für die Tat könnte die Nachricht vom Tod eines Freundes in Afghanistan gewesen sein. Am vergangenen Samstag habe der 17-Jährige davon erfahren. Diese Nachricht habe großen Eindruck auf ihn gemacht und ihn nachhaltig verändert, sagte Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt. Er habe danach sehr viel telefoniert. Mit wem sei noch unklar, denn das Handy des 17-Jährigen müsse erst noch ausgewertet werden.

Der Bahnhof von Ochsenfurt: In dem Ort lebte der Angreifer aus dem Regionalzug
Der Bahnhof von Ochsenfurt: In dem Ort lebte der Angreifer aus dem Regionalzug

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Dienstag berichtete, haben die Ermittler im Zimmer des Angreifers eine handgemalte IS-Flagge gefunden. Zudem sei in der Wohnung des Afghanen ein auf Paschtu verfasster Text gefunden worden, der ebenfalls auf einen islamistischen Hintergrund hindeutete. Beim ersten Notruf aus dem Zug habe der Anrufer bereits auf den Ausruf "Allahu Akbar" hingewiesen, berichtete Herrmann in einer Pressekonferenz am Mittag.

Auch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen geht von einem islamistischen Hintergrund aus. Es sprächen "viele Indizien" für einen islamistischen Anschlag, und er gehe "derzeit auch davon aus", sagte Maaßen am Dienstagabend in einem Interview der ARD-"Tagesthemen". Deutschland sei "schon seit längerem" im "Ziel des islamistischen Terrors", dies sei durch den Anschlag "wieder deutlich geworden". Der Attentäter sei dem Verfassungsschutz "nicht bekannt" gewesen, bestätigte Maaßen. "Wir können nicht alles sehen und hören, und dürfen es auch nicht, was unsere Bürger, was die Menschen in Deutschland tun", erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Es sei deshalb nicht zu verhindern, dass sich junge Menschen "außerhalb des Radarschirms aller Sicherheitsbehörden" radikalisierten. Eine hundertprozentige Sicherheit sei unmöglich.

Ein Anschlag wie jener in Würzburg oder in Nizza ist offenbar von den Sicherheitsbehörden nur schwer zu verhindern. "Einen LkW oder Axt und Messer kann ich in der Gesellschaft nicht eliminieren", sagte Joachim Herrmann. „Grundsätzlich müssen wir in der Tat schon davon ausgehen, dass im Prinzip jeden Tag an jedem Ort und mehr oder minder weltweit solche Taten verübt werden können", sagte der bayerische Innenminister über die aktuelle Sicherheitslage, "wir sind davor nicht sicher.“

Bei dem Täter handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Flüchtling aus Afghanistan, der ohne Eltern nach Deutschland gekommen war. Der 17-Jährige war am Montagabend mit Axt und Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Vier Menschen wurden schwer verletzt, einer von ihnen schwebte am Dienstagmittag noch in Lebensgefahr, berichtete Herrmann. 14 Menschen erlitten einen Schock. Der Angreifer wurde von der Polizei erschossen.

Vier der Verletzten stammen aus Hongkong. Das bestätigte der Hongkonger Regierungschef Leung Chun-Ying am Dienstag. Repräsentanten der Hongkonger Wirtschaftsvertretung in Berlin besuchten die Opfer im Krankenhaus in Würzburg. Es handele sich um eine Familie und einen Freund, berichtete die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ unter Hinweis auf die Behörden in der asiatischen Wirtschaftsmetropole.

Die vier Verletzten seien der Vater (62) und die Mutter (58) einer Tochter (27) und deren Freund (31) gewesen. Der Vater und der Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder in der Gruppe vor dem Angreifer zu schützen. Ein fünfter Mitreisender, der 17-jährige Sohn, sei unverletzt davon gekommen, so das Blatt. Innenminister Herrmann sagte, es handele sich um Touristen, die wohl eher zufällig Opfer der Attacke geworden seien.

In diesem Regionalzug griff ein 17-Jähriger am Montagabend andere Fahrgäste an.
In diesem Regionalzug griff ein 17-Jähriger am Montagabend andere Fahrgäste an.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Nach Angaben der Bundespolizei hatten etwa 25 bis 30 Menschen in dem Regionalzug von Treuchtlingen nach Würzburg gesessen. Er war kurz vor dem Ziel, als der Angreifer losschlug. Als der Zug per Notbremse stoppte, sprang er aus dem Zug und flüchtete. In Heidingsfeld verletzte er auch noch eine weitere Passantin.

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes gegen Drogenhandel in der Nähe gewesen sei, habe die Verfolgung aufgenommen, berichtete Herrmann. Als der Jugendliche auch auf die Einsatzkräfte losgegangen sei, hätten diese das Feuer eröffnet. "Er ist aggressiv mit der Axt auf die Beamten losgegangen", berichtete Herrmann. Der Angreifer wurde daraufhin mit mehreren Schüssen getötet.

17-Jähriger lebte zuletzt bei einer Pflegefamilie

Die Polizei gehe von einem Einzeltäter aus, sagte Herrmann. Der 17-Jährige, der-nach Tagesspiegel-Informationen am 30. Juni 2015 eingereist war, habe seit einiger Zeit im Landkreis Würzburg gelebt. Seit März sei er in einer Einrichtung für unbegleitete Minderjährige in Ochsenfurt untergebracht gewesen. Vor zwei Wochen sei er zu einer Pflegefamilie gezogen.

Herrmann zufolge soll der Täter auch auf der Flucht eine Person verletzt haben. Man wisse nicht, welche Pläne er noch verfolgt habe, hatte der Minister zuvor der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Deshalb sei es „gut und richtig“, dass die Polizei mit ihrem Vorgehen „weitere schreckliche Taten“ ausgeschlossen habe, sagte Herrmann. Mit Blick auf eine Tweet der Grünen-Abgeordneten Renate Künast sagte Herrmann: "An der Richtigkeit des Einsatzes gibt es nicht den geringsten Zweifel."

Erinnerung an Messerattacke in Grafing

Wegen des Polizeieinsatzes sperrte die Deutsche Bahn am Montagabend die Strecke zwischen Ochsenfurt und Würzburg. In der Nähe des Tatortes suchte die Polizei weiterhin nach einer der Tatwaffen. Auf die Frage nach weiteren Gefahren in der Region sagte Herrmann, er gehe davon aus, dass die Gefahr vorbei sei. Die Menschen in Bayern könnten Dienstagfrüh sicher Züge besteigen.

Der Fall erinnert an eine Messerattacke vor gut zwei Monaten in einer S-Bahn in Grafing nahe München, als ein Mann einen 56 Jahre alten Fahrgast getötet hatte. Drei weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt. Damals hatten ähnliche Äußerungen des Angreifers zunächst einen islamistischen Hintergrund nahegelegt, der sich jedoch nicht bestätigte. Der 27-jährige mutmaßliche Täter machte nach seiner Festnahme wirre Angaben und war deswegen vorläufig in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. Nach einer ersten Einschätzung war der Mann aus dem hessischen Grünberg bei Gießen schuldunfähig oder zumindest vermindert schuldfähig. (dpa, AFP)

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