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Panorama: Beiß ruhig gleich in jeden Apfel

Das Verbraucherministerium prangert Pestizide auf Obst und Gemüse an – doch verzichten muss kein Konsument

Von Paul Janositz

Grün, gelb oder rot leuchten die Paprikaschoten auf dem Wochenmarkt oder im Supermarkt. Ein knackiger Biss in das saftige Gemüse schmeckt nicht nur lecker, er soll auch gesund sein. Denn Gemüsepaprika steckt voller Vitamine. Doch jetzt könnte dem Genießer der Bissen im Halse stecken bleiben. „Gemüsepaprika aus der Türkei ist mit Pestiziden verseucht“, heißt es aus dem Verbraucherschutzministerium. Messungen baden-württembergischer Lebensmittelämter hätten eine fast 80-prozentige Überschreitung des Grenzwertes ergeben. Nun sollen die Grenzer entsprechende Lieferungen zurückhalten, bis ihre Unbedenklichkeit per Analyse bewiesen ist.

80 Prozent über dem Grenzwert

Allerdings wäre es falsch, jetzt auf Obst und Gemüse zu verzichten. Denn die Grenzwerte sind zur Sicherheit so niedrig angesetzt, dass selbst ein zehnfaches Überschreiten noch keine wirkliche Gesundheitsgefahr darstellt. Und bundesweite Messungen zeigen, dass Lebensmittel wenig belastet sind.

Ander sieht das die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die seit Monaten Obst- und Gemüse überprüft. Dabei zeigten sich Überschreitungen von Grenzwerten bei Salat, Mango, Kiwi, Erdbeeren oder Chilipulver. Weintrauben scheinen besonders viel Schädlingsbekämpfungsmittel abbekommen zu haben. Rückstände fanden sich nach Greenpeace-Angaben in 23 von 26 Proben.

Dass sich Reste von Pestiziden nachweisen lassen, ist aber nicht ungewöhnlich. Denn ihre Anwendung ist erlaubt, sagt Hubertus Klein vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin. „Gute landwirtschaftliche Praxis“, heißt der Schlüsselbegriff, mit dem eine gewisse Menge an chemischer Schädlingsbekämpfung akzeptiert wird. Allerdings gibt es Grenzwerte, die im Interesse der Gesundheit eingehalten werden müssen.

Wie entstehen Grenzwerte? Es beginnt mit Tierversuchen, die die Dosis ergeben, bei der sich gerade noch ein Effekt nachweisen lässt. Diese Menge wird sicherheitshalber noch bis zum Faktor 1000 verkleinert. Am Ende der Überlegungen legen die Experten den betreffenden Grenzwert fest. Die Kontrolle ist Ländersache. Die Lebensmitttelämter machen regelmäßige Stichproben. Einen generellen Überblick gibt das Lebensmittel-Monitoring, bei dem Bund und Länder zusammenarbeiten. „Etwa 4700 Proben werden jährlich durchgeführt“, sagt BVL-Expertin Ina Schmädicke. Die Ergebnisse sind auch im Internet nachzulesen ( www.bvl.bund.de ).

Die jüngste Auswertung betrifft das Jahr 2001. „Erneut wurde die allgemein geringe Verunreinigung der Lebensmittel mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln und Umweltschadstoffen bestätigt“, heißt es. In den meisten Proben wurden keine oder nur Spuren von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen. Nur bei etwa 2,2 Prozent der Proben, also bei knapp jeder 50. Untersuchung, lagen die Mengen über dem Grenzwert.

Untersucht wurden Lebensmittel tierischer Herkunft wie Kalb- oder Lammfleisch sowie Fisch und Honig. Aber auch pflanzliche Nahrung wie Kopfsalat, Tomaten oder Trauben standen auf dem Prüfstand. Wie vertragen sich diese für den Verbraucher beruhigenden Ergebnisse mit den alarmierenden Messungen von Greenpeace? Nicht sachgemäße Analysen scheiden aus. „Unser Labor ist auf dem neuesten Stand der Technik", sagt Greenpeace-Sprecher Björn Jettka.

Auch ohne notarielle Auskunft kommen Unternehmen den Forderungen der medienerfahrenen Umweltorganisation nach. So nahm kürzlich das KaDeWe sofort Trauben, Kopfsalat, Erdbeeren und Zucchini aus dem Sortiment, nachdem Greenpeace die Überschreitung von Grenzwerten angeprangert hatte. Angesichts 60 protestierender Aktivisten vor der Tür wollte das für seine Feinschmeckeretage berühmte Kaufhaus zusätzliches Aufsehen vermeiden. Auch die Produkte der Firmen Herta und Kattus, die Wurstwaren beziehungsweise Feinkost aus dem Mittelmeerraum importieren, kamen aus dem Regal. Diese Firmen hatte Greenpeace verdächtigt, möglicherweise genetisch veränderte Produkte zu verwenden.

„Wir haben bundesweit bei mehr als 200 Firmen nachgefragt, ob sie Gennahrung verwenden“, erklärt Jettka. Unternehmen, die dies verneinen, kommen bei Greenpeace auf die „grüne“ Liste. Wer nicht verzichten will oder auch nur keine Auskunft gibt, sieht die Rote Karte. Herta und Kattus gehören dazu. Mittlerweile sind ihre Produkte in der Tauentzienstraße wieder zu beziehen. „Die Firmen haben uns versichert, dass sie keine genetisch veränderten Erzeugnisse liefern“, sagt KaDeWe-Sprecherin Dagmar Flade.

Offen bleibt bei alledem die Frage nach der Gesundheit. Ob die gelegentliche Überschreitung der Grenzwerte schädlich auswirkt, ist fast Ansichtssache. Angesichts der großen Sicherheitszuschläge kann wohl auch der Paprikafan beruhigt sein. Zudem hat das bundesweite Monitoring bewiesen, dass die allermeisten Lebensmittel unbedenklich sind.

Paul Janositz

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