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Bernsteinzimmer

© ddp

Bernsteinzimmer: Der Schatzsucher von Deutschneudorf

Nazigold und Bernsteinzimmer: Bergbau-Spezialisten haben auf der Suche nach Gold und Kunstschätzen acht Löcher von zehn Metern Tiefe in den Berg gebuddelt - bislang erfolglos. Wie ein sächsischer Bürgermeister Neugierige aus der ganzen Welt anlockt.

Der Würstchenverkäufer am vor 40 Jahren stillgelegten Bahnhof von Deutschkatharinenberg im Erzgebirge macht derzeit das Geschäft seines Lebens. Bei ihm stärken sich die täglich zu Hunderten in das Dorf pilgernden Schaulustigen und die aus aller Welt angereisten Reporter und Kamerateams, die hier einer etwas sonderbaren Veranstaltung beiwohnen. Deutschkatharinenberg ist ein Ortsteil des knapp 1200 Einwohner zählenden Deutschneudorf an der Grenze zu Tschechien. In einem ehemaligen Bergwerkstollen, so behauptet der Bürgermeister unermüdlich, befinden sich viele Kisten voller Gold, Diamanten und anderen Edelsteinen. Sie sollen aus dem ehemaligen Jagdschloss Carinhall von Hermann Göring in der Schorfheide nördlich Berlins stammen. Kurz vor Kriegsende 1945 sollen Wehrmacht und SS das vom Chef der Luftwaffe angehäufte Vermögen in dem abgelegenen sächsischen Dorf versteckt haben.

Das mag glauben, wer will. Der Bürgermeister Heinz-Peter Haustein, der für die FDP im Bundestag sitzt, ist unbeirrbar. Auch wenn er bisher keine Beweise für einen Nazischatz vorlegen kann. Auch wenn die Bohrungen bisher nichts zu Tage förderten. „Wir werden hier garantiert fündig“, sagt er in jedes Mikrofon, das ihm hingehalten wird. Irgendwie hat er es geschafft, dass ihm viele zuhören, auch wenn er abwechselnd von dem legendären Bernsteinzimmer redet, das er finden will, mal von Nazigold, mal nur von Silber, mal nur von Kunstgegenständen. Vielleicht ist es gerade das Unwahrscheinliche, das Mysteriöse, das Unglaubwürdige, das Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Der Besucher des Dorfs stößt zuerst auf merkwürdige Hinweisschilder auf das Bernsteinzimmer. Wer den Wegweisern folgt, findet aber nur ein Bergwerk. Das wurde während der erfolglosen Suche nach dem Bernsteinzimmer Ende der neunziger Jahre entdeckt. Auch diese Suche hatte der Bürgermeister entfesselt. „Wir haben jetzt 15 000 Besucher jährlich in dem Bergwerk“, rechtfertigt der 53-jährige Haustein seinen Eifer. „Umsonst waren die Ausgaben nicht.“

Der Inhaber einer florierenden Aufzugsfirma hat keinen Zweifel an dem Erfolg der aktuellen Schatzsuche. Sein wichtigstes Faustpfand sind Aufzeichnungen des in der Schutzsucherbranche bekannten Experten Christian Hanisch aus Schleswig-Holstein. Sein Vater habe als Funker und Navigator am Transport der Schätze aus der Schorfheide ins Erzgebirge teilgenommen und Aufzeichnungen hinterlassen, sagte dieser vor der Presse. Allerdings wollte auch er sich nicht zu sehr auf einen Goldschatz festlegen. „Hier liegen Kulturgüter, Bilder, Gegenstände, Edelmetalle“, meinte Hanisch, der sich auch auf Messungen mit elektromagnetischen Wellen im Berg berief. Diese hätten rechteckige Gegenstände angezeigt.

Seit Dienstag bringt eine Spezialfirma nun Löcher von zehn und 20 Meter Tiefe in den Boden. Falls das technische Ungetüm tatsächlich auf einen Hohlraum stößt, werden zunächst Kameras in die Löcher geführt. Erst danach kommt größere Technik in Einsatz. Die Schaulustigen vertreiben sich bis dahin mit Gerüchten und Geschichten am Würstchenstand die Zeit. Der ganze Zirkus um den vermeintlichen Nazischatz zieht allerhand merkwürdige Gestalten an. Am gestrigen Vormittag gehörte für kurze Zeit einem Motorradfahrer in der Kluft der Sowjetarmee alle Aufmerksamkeit der Besucher. Er fuhr mit seiner Seitenwagen-Maschine direkt bis zum Bohrer, stellte sich den Kameras und verschwand wieder. Am vergangenen Wochenende sollen auch Männer in Uniformen mit NS-Symbolen aufgetaucht sein.

Nicht nur deshalb hat die Polizei inzwischen ihre Präsenz in Deutschkatharinenberg verstärkt. Der Bürgermeister hat um die Sicherung des Suchortes gebeten. „Stellen Sie sich vor, wir finden den Schatz und zwei Leute springen mit Kalaschnikows aus einem Auto und nehmen ihn uns weg“, begründete er seine Sorge.

Angesichts des großen Andrangs vermag aber niemand zu sagen, wer sich derzeit alles unter die Schaulustigen mischt. Viele klettern direkt zum Bohrer, um dort Erinnerungsfotos zu schießen. „Die sind lebensmüde“, meint ein älterer Herr kopfschüttelnd, der das Treiben aus sicherer Entfernung verfolgt. „Jeder weiß doch, dass die Nazis in vielen Fällen ihre vergrabenen Schätze mit Sprengladungen vor einem unbefugten Betreten schützten“, sagt er und geht dabei noch einen Schritt zurück. „Wenn da mal nicht irgendwo Tellerminen liegen, die bei einem Fußtritt hochgehen.“ Vor allem Einheimische lassen nichts auf ihren umtriebigen Bürgermeister kommen. „Es ist doch komisch, dass ausgerechnet von diesem Stollen sämtliche Aufzeichnungen fehlen“, sagt ein Landwirt mit dem Basecap der örtlichen Feuerwehr auf dem Kopf.

Damit das Spektakel noch eine Weile weitergeht, dämpfte der Bürgermeister alle Hoffungen auf einen schnellen Erfolg. „Vielleicht arbeiten wir sogar bis Ostern, oder noch länger.“

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