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Betrunkene Piloten: Lallen im Cockpit

Betrunkene Piloten werden immer öfter erwischt – Indien plant Promilletest vor jedem Flug.

Die indischen Behörden wollen nach einer Häufung von Trunkenheitsfällen künftig von allen Piloten vor dem Betreten des Flugzeugs einen Promilletest verlangen. Trunkenheit im Cockpit ist nicht nur dort ein Problem. Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespolizei in Frankfurt einen russischen Piloten aus dem Verkehr gezogen, der dem Sicherheitspersonal wegen seiner „Fahne“ aufgefallen war.

Ein Alcotest ergab, dass der Russe 0,5 Promille im Blut hatte. Er versicherte, der Alkohol müsse durch die Einnahme von Medikamenten in seinen Körper gelangt sein. Der Mann wurde gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von 1000 Euro auf freien Fuß gesetzt, gegen ihn wurde ein Strafverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr eingeleitet. Der Flug nach Moskau konnte am 10. Oktober mit einem Ersatzpiloten und einstündiger Verspätung starten.

Anfang des Jahres hatten in Moskau protestierende Passagiere einer Boeing 767 der Aeroflot den Start nach New York verhindert, nachdem sie Flugkapitän Alexander C. mit lallender Stimme über den Bordlautsprecher begrüßt hatte. Unter den Reisenden befand sich auch ein Reporter der englischsprachigen „Moscow Times“. Als der Pilot später aus dem Cockpit torkelte, soll ein Mitarbeiter der Airline den entsetzten Fluggästen nach Medienberichten erklärt haben, dass dies nicht so schlimm sei, da das Flugzeug praktisch von selbst fliegen würde. Erst nachdem 100 Passagiere eine Petition unterzeichnet hatten, wurde der Flugkapitän, der am Vortag seinen 54. Geburtstag gefeiert hatte, ausgetauscht. Aeroflot erklärte später, er habe nicht unter Alkoholeinfluss gestanden, sich aber in einem schlechten Gesundheitszustand befunden.

In Mumbai musste am 19. Oktober ein Pilot der Air India vor dem Start nach New York wegen Trunkenheitsverdachts abgelöst werden. Die Fluggesellschaft hat bereits interne Alcotests ihrer Besatzungen eingeführt. Nach einem Bericht der „Times of India“ gab es seit Juli vergangenen Jahres insgesamt 29 Fälle, in denen Besatzungsmitglieder unter Alkoholeinfluss standen, insbesondere nach Festtagen. Obwohl für Luftfahrtpersonal in Indien eine Null-Promille-Regelung gilt, gibt es dort bisher keine strafrechtlichen Konsequenzen. In den meisten Ländern besagen die Vorschriften, dass Piloten acht Stunden vor dem Start keine alkoholischen Getränke mehr zu sich nehmen dürfen. Viele Fluggesellschaften, darunter auch die Lufthansa, haben diese Regel auf zwölf Stunden erweitert. Sporadische, unangekündigte Alkoholtests für Piloten gibt es seit längerer Zeit in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien hat British Airways vor Jahren solche Kontrollen eingeführt. 2006 begann Spanien als europäischer Vorreiter mit stichprobenartigen Tests nach dem Zufallsprinzip.

In den meisten Ländern verlässt man sich auf die Aufmerksamkeit des Personals, da auch Flugzeugbesatzungen die Sicherheitskontrollen passieren müssen. Im Dezember vergangenen Jahres wurde in London-Heathrow ein amerikanischer Pilot der indischen Jet Airways von bewaffneten Polizisten aus dem Cockpit abgeführt, nachdem seine „Fahne“ aufgefallen und ein Alcotest positiv verlaufen war. Zwei Monate zuvor hatten die Behörden unter den gleichen Umständen in Manchester den Co-Piloten eines Jets der United Airlines verhaftet.

Seit einer 2003 erfolgten Gesetzesänderung drohen betrunkenen Piloten drastische Strafen. Als Erster bekam das im Dezember 2004 der Finnair-Pilot Heikki T. zu spüren, der nach Angaben seines Anwalts am Tag vor dem geplanten Start sechs Gläser Wein und ein Bier getrunken hatte. Der Fahrer des Busses, der die Crew zum Flugzeug fahren sollte, hatte Alkoholgeruch im Atem des Mannes bemerkt und die Polizei alarmiert. Ein Richter in Manchester schickte den 51-Jährigen für sechs Monate ins Gefängnis. Ebenfalls zu einem halben Jahr Haft verurteilt wurde in England 2006 ein Pilot von Emirates.

Bereits im Januar 2005 hatte die Bundespolizei in Berlin-Schönefeld eine Pilotin des Billigfliegers EasyJet aus dem Verkehr gezogen, die mit 0,8 Promille nach Basel starten wollte. Fünf Stunden zuvor war die damals 40-Jährige noch zechend an der Hotelbar beobachtet worden. Doch nicht nur im Luftverkehr sind betrunkene Piloten eine Gefahr. Am 29. August dieses Jahres musste die Besatzung eines Rettungshubschrauber einen 65-jährigen Hobbypiloten mit seinem Sportflugzeug zum Flugplatz Jena-Schöngleina lotsen, weil er so betrunken war, dass er die Landebahn nicht mehr fand. Noch bevor die vom Bodenpersonal alarmierte Polizei eintraf, stieg der Mann nach der doch noch geglückten Landung in sein Auto und fuhr davon. Er wurde gestellt und zur Blutprobe gebracht, die 1,9 Promille ergab: Ihm wurden Führerschein und Pilotenlizenz entzogen.

Rainer W. During

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