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Panorama: Böse Zoten und verschmähte Liebe

Ein Rapper hat seine ehemalige Freundin mit Texten öffentlich gedemütigt – und die kämpft vor Gericht erfolgreich um ihre Ehre

Es war eine große Party. Auch die Berliner Rapcrew Beatfabrik hatte sich angesagt. Sandy kannte die Jungs, besonders Bandmitglied Sertan. Doch in jener Nacht im Februar 2001 wartete sie vergebens auf den Auftritt des Rappers, der sich Kid Kobra nennt.

Es hieß, die Band habe wegen Krankheit abgesagt. Plötzlich aber hörte Sandy ihren Namen. Eingebaut in einen Song, den der DJ gerade aufgelegt hatte und der eindeutig die Schmerzgrenze verletzt. Seitdem beschäftigt der Text die Justiz. Gestern saß der 25-jährige Sertan S. zum zweiten Mal in Berlin wegen Beleidigung vor Gericht.

Es geht um verschmähte Liebe, um angeblichen Telefonterror durch so genannte Groupies nach ein oder zwei gemeinsamen Nächten und um Äußerungen, in denen die junge Frau zu einem dummen Sexualobjekt degradiert wird. Der fragliche Text ist auf keinem Album veröffentlicht worden. Irgendwie sei der Tonträger auf seinen Tisch gelandet, wird später der DJ sagten. Im Prozess beteuert er auch, dass er sich an den Inhalt des Liedes nicht erinnern könne. Nur an den sehr auffälligen Titel. Weil kein Geringerer als der Rapper Eminem das Schimpfwort „Freifickmuschi" kreiert hatte. Der Angeklagte Sertan, ein eher schmächtiges Kerlchen mit freundlichem Blick und in lässig-tief sitzenden Hosen, schwieg im Berufungsverfahren zu den Vorwürfen. Im ersten Prozess war er verurteilt worden. Seine zotigen Zeilen seien nicht von der Kunstfreiheit gedeckt, entschied das Gericht in erster Instanz. Der Musiker sollte wegen „ehrverletzender Äußerungen" eine Geldstrafe von 200 Euro zahlen. Doch der arbeitslose Sertan S. legte Berufung ein.

Nun steht Sandy wieder vor einer Richterin. „Ich sah, wie ein anderes Band-Mitglied dem DJ einen Tonträger gab", sagt die sehr schlanke Friseurin mit hellbraunem Zopf. „Dann hörte ich meinen Namen, den von meiner Freundin Tanja, dann wieder meinen." Sandy hatte eine Affäre mit Sertan, Tanja eine mit Alexander, der auch zur Beatfabrik gehört. Wie sie sich gefühlt habe, will die Richterin wissen. „Ich habe mich erniedrigt, noch nie so in den Dreck gezogen gefühlt", sagt die junge Frau.

Als Sandy einmal einen Song der Beatfabrik hörte, war sie fasziniert. Über einen Bekannten kam sie an die Telefonnummer von Sertan. „Wir haben uns gut unterhalten", sagt sie. „Ich dachte, dass eine Freundschaft entstanden ist." Doch der Rapper soll bald das Interesse an Sandy verloren haben. Ein Freund des Angeklagten berichtet, die Dame habe mit Telefonterror auf die Trennung reagiert. Zeuge Sascha meint auch: „Da hat Sertan den Song aufgrund einer inneren Aggression aufgenommen." An Zeilen, die rasierte Körperzonen beschreiben, an Worte wie „Sandy ist strohdoof" und „Schlampe“ kann er sich nicht erinnern. Der Text sei schließlich nie veröffentlicht worden. Er weiß aber: „Da wird über Mädchen hergezogen." Für Sertan geht es um 200 Euro, für Sandy um ihre Ehre. Seit über zwei Jahren beschäftigt sich die Justiz damit. Im ersten Prozess war es ein Richter, der entscheiden musste. Nun sind es drei Richter, die über die Strafbarkeit des Textes zu urteilen haben.

Sandy will sich nicht wie ein Groupie an Sertan geklammert haben. „Am Anfang war ich zwar in ihn verliebt", gesteht sie der Richterin. „Wir hatten ein oder zweimal Sex, mehr war aber nicht." Und als sich der Musiker nicht mehr meldete, habe sie ihn auch nicht mehr angerufen. Als Sandy ihre Aussage endlich beendet hat, sieht sie etwa fünfzehn junge Männer auf den Zuhörerbänken. Es sind Freunde des Rappers. Sie hatten gelacht, als sie die Vorwürfe des Telefonterrors vehement bestritten hatte. Aber für Sandy geht es um die Ehre. Und das Berliner Landgericht gab ihr nach vierstündigem Prozess Recht: Sertans Berufung wurde zurückgewiesen. Damit bleibt es bei einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 Euro.

Kerstin Gehrke

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