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Panorama: Bombay verliert seine Träume

Der Monsunregen forderte fast 1000 Tote

Die Flutkatastrophe hat Bombays Traum, sich in ein indisches Shanghai, eine glitzernde Weltmetropole zu verwandeln, einen schweren Schlag versetzt. Über eine Woche nach den katastrophalen Rekordregenfällen kämpft Indiens Finanz-, Wirtschafts- und Filmzentrum weiter mit den Folgen der Fluten. Neue schwere Schauer haben am Montag wieder für Chaos gesorgt, Teile der Stadt stehen immer noch unter Wasser und die Meteorologen haben weiteren Regen vorausgesagt.

Die Angst vor Seuchen wächst, städtische Arbeiter versprühen Gift. Mindestens 20 Millionen Menschen in und um Bombay sind nach offiziellen Angaben von der Flut betroffen. Fast 1000 Todesopfer haben die schwersten Monsunregenfälle in der Geschichte Indiens bisher gefordert, die Hälfte davon allein in der 16-Millionen-Einwohner-Metropole. Sie sind ertrunken, wurden verschüttet oder durch Stromschläge getötet.

Viele Menschen harren seit Tagen in ihren Wohnungen aus, weil vor ihren Häusern das Wasser schwappt. Freiwillige bringen Essen in die Viertel. Tausende Menschen sind aus ihren überfluteten Erdgeschoss-Wohnungen zu Nachbarn geflüchtet. Manche Slums wurden regelrecht weggespült, in anderen waten die Menschen weiter knietief durch die Brühe. Wegen überfließender Stauseen wurden nach Medienberichten 50000 Menschen evakuiert.

Der Regen hat gezeigt, wie wenig Indiens größte Stadt und ihre Infrastruktur dem Image einer globalen Metropole gerecht werden. Binnen Stunden brach das Alltagsleben zusammen, fielen Strom und Telefone aus. „Wie können Regenschauer die Finanzkapitale Indiens einfach lahm legen?“, empören sich Geschäftsleute. Über Tage waren Flug-, Zug- und Straßenverkehr behindert, Indiens Wirtschaftszentrum war von der Außenwelt abgeschnitten. Immer noch kommt es zu Störungen und Ausfällen im Flug- und Zugverkehr. Heftige Schauer sind in der Monsunzeit normal, doch das schnell wachsende Bombay scheint dafür nicht gewappnet: Die Kanalisation ist veraltet, das Wasser fließt viel zu langsam ab. „Apocalypse now“, überschrieb der britische Sender BBC einen Beitrag.

„Diese Katastrophe war programmiert“, sagt der Bombayer Umweltschützer Shyam Chainani. Wie er machen viele eine falsche Stadtpolitik für das Desaster verantwortlich. „Die Stadt ist in den vergangenen Jahren völlig ungeordnet und ohne Konzept gewachsen. Wir sollten überrascht sein, dass es nicht früher passiert ist.“ Bombay beherbergt inzwischen mindestens 16 Millionen Menschen und auch den größten Slum der Welt.

Doch die Katastrophe beschwor auch jenen Geist, der Bombay berühmt macht. Fast mit Stolz erzählt die Werbefachfrau Anjali Krishnan, wie sie mit Tausenden anderen versuchte, sich nachts durch die überflutete Stadt nach Hause durchzuschlagen: „Bald wurde es eine lange, fröhliche Reise. Einige stimmten den Bollywood-Hit ,Entspann Dich’ an, andere witzelten über falsch parkende Wagen.“

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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