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© dpa

Bremen: Prozess um Tod des kleinen Kevin hat begonnen

Vor etwa einem Jahr wurde die Leiche des zweijährigen Kevin im Kühlschrank seines Ziehvaters gefunden. Der Fall erschütterte ganz Deutschland. Heute hat der Prozess gegen den 42-Jährigen begonnen.

Unter Blitzlichtgewitter betritt der Angeklagte am Morgen den Saal 218 des Landgerichts Bremen. Zum Auftakt des Prozesses um den Tod des zweijährigen Kevin aus Bremen hält der Ziehvater des Jungen eine Mappe vor sein Gesicht, damit er auf Fotos nicht zu erkennen ist. Später sitzt der 42-jährige Bernd K. stundenlang ohne große Regung auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm neben Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen auch Mord vor. Das Gericht konnte zunächst keine Mordmerkmale feststellen und geht von Totschlag aus. Am ersten Prozesstag verweigert der Angeklagte die Aussage.

Fünf Polizeibeamte hatten am frühen Morgen des 10. Oktober 2006 die Wohnungstür von Bernd K. in Bremen aufgebrochen. Kevin stand seit dem Tod der Mutter unter der Obhut des Jugendamtes, durfte aber bei dem ehemaligen Lebensgefährten der Mutter bleiben. Nachdem der Ziehvater die Auflagen des Jugendamtes nicht erfüllt hatte, sollte Kevin an jenem Tag in ein Kinderheim gebracht werden. Da Bernd K. als gewalttätig bekannt war, klingelten die Beamten an dem Morgen erst gar nicht.

Polizeibeamten schildern das Auffinden von Kevin

Vor Gericht erklärte eine Polizeibeamtin, man habe auf den Überraschungseffekt gesetzt, um eine mögliche Kindesentführung zu vereiteln. Doch die Beamten fanden Kevin in der Wohnung zunächst nicht. Erst habe Bernd K. gesagt, der Junge sei nicht hier, sagte ein anderer Polizeibeamter. Schließlich habe der Ziehvater einen Hinweis auf die Küche gegeben.

Dort habe er zunächst in den Backofen geschaut, sagte der Beamte. Schließlich öffnete er den Kühlschrank und fand dort in einem Wertstoffsack die Leiche des Kindes. Ihm kam ein starker Verwesungsgeruch entgegen, an der Kühlschranktür waren Maden. Bernd K. habe einen leicht verwirrten Eindruck gemacht. Es sei ihm aber auch so vorgekommen, als ob von dem Mann "eine Last gefallen wäre".

Widersprüche zur Todesursache

Kevin war vermutlich bereits zwischen Ende April und Juni 2006 infolge der Misshandlungen seines Ziehvaters gestorben. Staatsanwalt Daniel Heinke führte aus, der Junge sei ständigen Misshandlungen ausgesetzt gewesen. Dabei erlitt das Kind zahlreiche Knochenbrüche. Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, den Jungen zu töten, sagte Heinke. Fünf Knochenbrüche führten zuletzt zu einer Fettembolie. Kevin starb in deren Folge vermutlich an Herzversagen. Heinke verwies darauf, dass der Junge unter massiven Schmerzen gelitten haben muss.

Verteidiger Thomas Becker stellte dagegen die Todesursache in Frage. Er beantragte die Anhörung weiterer Sachverständiger, um zu klären, ob Kevin nicht an einer Vitamin-D-Überdosis gestorben ist. Becker sagte, laut einem Gutachten ist es möglich, dass eine vermehrte Calciumanreicherung im Blut zu einem Nieren- oder gar Multiorganversagen geführt hat. Dies könnte durch durch Vitamin-D3-Tabletten hervorgerufen worden sein, die Ärzte Kevin verschrieben hätten.

Die Verkalkung könne zu einer vermehrten Knochenbrüchigkeit geführt haben. Bei der Obduktion waren bei Kevin mehr als zwei Dutzend Brüche festgestellt worden. Die fünf frischen Knochenbrüche, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Fettembolie auslösten, könnten nach Ansicht von Becker auch nach dem Tod entstanden sein, als der Ziehvater das Kind in den Kühlschrank presste. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

Janet Binder[ddp]

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