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Chile: Hilfe für die Helden in der Hölle

Neueste Technik lindert den 33 Bergleuten in Chile die Qual des Wartens – und soll verhindern, dass sie krank oder verrückt werden.

Santiago de Chile - Was die 33 in Chile verschütteten Bergleute zu ertragen haben, übersteigt die Vorstellungskraft. Seit mehr als einem Monat sitzen die Männer in 700 Meter Tiefe unter Millionen Tonnen Gestein in einem heißen und feuchten Tunnel in fast völliger Dunkelheit fest. Aussicht auf eine Befreiung aus dem unterirdischen Verlies besteht erst in Monaten. Und das auch nur, wenn bei den Bohrarbeiten für die Rettungsschächte durch 700 Meter massives Gestein nichts schiefläuft. Aber was Chile auf die Beine stellt, um die schon lange zu Helden erhobenen Männer zu retten, ist einzigartig: Hightech für das Überleben in der Hölle.

Angesichts des 200. Jahrestages der Unabhängigkeit Chiles am kommenden Samstag sind die Verschütteten zu einem Symbol für nationale Einheit und Solidarität geworden. Chile ist eine der wichtigsten Bergbau-Nationen der Welt, die Branche erwirtschaftet die meisten Devisen des kleinen, aber gut organisierten südamerikanischen Landes. Rettungstechnik stand deshalb im Land zur Verfügung.

Unbekannte Diebe stahlen in der Nacht zum Donnerstag zwar wichtiges Bohrgerät, die Rettungsarbeiten sind davon aber nicht unmittelbar betroffen. Die Metallteile wögen jeweils etwa 150 Kilogramm und seien zusammen etwa 60 Millionen Pesos (100 000 Euro) wert, zitierte die Zeitung „El Mercurio“ Kommissar Gastón Herrara. Die Polizei wolle nun 40 Leute vernehmen. Sie sind alle an den Rettungsbohrungen beteiligt.  Drei verschiedene Bohrer, von denen zwei schon arbeiten, werden aufgeboten, um Schächte in die Tiefe zu treiben. Durch sie sollen die Arbeiter irgendwann zwischen Oktober und Dezember einer nach dem anderen in einer Rettungskapsel nach oben gezogen werden. Sie soll mit Atemluft, Lebensmitteln, Wasser und einer Sprechverbindung ausgestattet sein.

Damit die Eingeschlossenen bis zur Rettung nicht krank oder verrückt werden, bietet die moderne Technik einige Möglichkeiten. Frühere Verschüttete wie etwa die Überlebenden des „Wunders von Lengede“, wo 1963 nach zwei Wochen elf bereits totgeglaubte Kumpel gerettet werden konnten, hätten davon nicht einmal träumen können. Lange vorbei die Zeiten, in denen rußverschmierte Verschüttete mit einem schweren Schraubenschlüssel an ein Eisenrohr schlagen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Glasfaser- und andere Datenkabel, die durch die Versorgungsröhren zu den Verschütteten im Bergwerk San José in der Atacamawüste hinuntergelassen wurden, lassen das Drama unter Tage fast wie eine gut gemachte Realityshow erscheinen. Die Eingeschlossenen filmen sich per Videokamera selbst, und der Anführer der Gruppe, Mario Sepúlveda, der schon als Talkmaster der Tiefe bezeichnet wird, beendet seine Übertragungen gern mit dem vielleicht nicht nur scherzhaft gemeinten Satz: „Ich gebe zurück in die Sendezentrale“. Mit den Familienangehörigen, die über der Mine seit Wochen im harschen Wüstenklima in einem Zeltlager campieren, können die Kumpel per Rohrpost kommunizieren und über ein Bildtelefon sprechen. Kinder reden mit ihren Vätern, ein Heiratsantrag aus der Tiefe für die Liebste 700 Meter weiter oben, eine Geburtstagsfeier, alles quasi live.

Probleme bereitet die 90-prozentige Luftfeuchtigkeit bei Temperaturen von bis zu 35 Grad. Dafür wurde Spezialkleidung in die Tiefe geschickt, die den Schweiß nach außen transportiert, ebenso aufblasbare Matratzen, Neoprenschuhe wie für Taucher, und Socken mit eingewebten Kupferfäden, die Fußpilz vorbeugen sollen. Zur medizinischen Ferndiagnose verfügen die Bergleute über eine Minikamera. Ärzte analysieren die Aufnahmen von zum Beispiel Hauterkrankungen und geben dann Anweisungen, wie sie zu behandeln sind. Auch Fieberthermometer und ein Blutdruckmessgerät wurden hinuntergeschickt. dpa

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