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China nach dem Beben: Eltern trauern um ihre "kleinen Kaiser"

In China gilt seit 30 Jahren die strenge Ein-Kind-Politik. Durch das Erdbeben haben nun tausende Väter und Mütter ihr einziges Kind verloren. Die Hoffnung auf Überlebende schwindet von Minute zu Minute.

Hanwang - Wenn ein Kind stirbt, ist das Leid für die Eltern immer unerträglich. In China bangen und trauern derzeit zehntausende Väter und Mütter um ihre Kinder. Viele Menschen verloren bei der Katastrophe ihr einziges Kind, denn in China gilt seit 30 Jahren die strenge Ein-Kind-Politik. Heute leben in dem Land etwa 80 Millionen Einzelkinder. Ihre Eltern durften keine weiteren Kinder bekommen.

Die 70 000-Einwohner-Stadt Hanwang liegt nur 50 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt. Ganze Stadtteile liegen in Trümmern. Während sich die Rettungskräfte durch die Schuttberge arbeiten, stehen viele Eltern daneben und hören, wie ihre Kinder unter den Zementblöcken nach Hilfe rufen, wie sie mit der Zeit immer leiser werden und dann verstummen. „Eine Minute kann das Leben eines Kindes bedeuten“, mahnte Regierungschef Wen Jiabao, der im Katastrophengebiet unterwegs ist, um Helfern und Opfern Mut zuzusprechen und die Rettungsarbeiten zu koordinieren. Die Regierung in Peking rechnet mittlerweile mit 50 000 Toten. Noch gibt es Sensationsmeldungen: Am Freitag wird in der Stadt Beichuan ein Kind nach 80 Stunden lebend aus den Trümmern seiner Schule geborgen. In den Trümmern hätten die Helfer weitere Rufe gehört, daher erwarteten sie „weitere Wunder“, berichtet die Nachrichtenagentur Xinhua. Doch die Hoffnung schwindet von Minute zu Minute.

In Hanwang harrt die 39-jährige Wen Huayoung vor dem Trümmerhaufen aus, der einst die Schule ihrer 18-jährigen Tochter war. „Bis vor kurzem konnten wir noch ihre Stimmen hören“, sagt sie mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung. „Wenn sie schneller gearbeitet hätten, dann hätten sie meine Tochter schon längst retten können.“ Eine Freundin ergreift ihre Hand. „Wissen Sie, wir dürfen nur ein Kind haben“, sagt Huayoung. Diese Ein-Kind-Politik steht in China zunehmend in der Kritik. Eingeführt wurde sie, um das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Ausnahmen gibt es nur auf dem Lande und bei ethnischen Minderheiten. So dürfen Bauern zwei Kinder bekommen, wenn das erste ein Mädchen ist. In den Städten ist den Eltern dagegen nur ein Kind gestattet. Nach Angaben der Regierung kamen durch die staatliche Familienplanung etwa 400 Millionen Kinder weniger zur Welt. Doch trotz der rigiden Regelung ist China mit 1,3 Milliarden Einwohnern noch immer das bevölkerungsreichste Land der Welt. Dagegen machen sich in der chinesischen Gesellschaft zunehmend die bitteren Folgen der Ein-Kind-Politik bemerkbar: Die Bevölkerung überaltert. Immer weniger junge Menschen müssen für immer mehr Rentner sorgen. Auch in den Familien tragen die erzwungenen Einzelkinder eine schwere Bürde. Onkel, Tanten, Großeltern hätscheln und überschütten den Nachwuchs mit Liebe und Geschenken. „Kleine Kaiser“ nennt die Gesellschaft diese Kinder. Die Hoffnung der gesamten Verwandtschaft liegt auf ihren Schultern.

Für die Kinder, die ihre Eltern bei dem Erdbeben verloren haben, will die chinesische Regierung jetzt die Zulassung von Adoptionen prüfen. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, kommen derzeit zahlreiche Anfragen für die Aufnahme chinesischer Waisenkinder aus dem Ausland - und aus China. Die Regierung wolle möglicherweise Adoptionen durch „qualifizierte Menschen“ zulassen. In der Zwischenzeit sollen sich örtliche Vertretungen des Ministeriums für zivile Angelegenheiten um die Waisen kümmern. Ende 2006 hatte Peking die Bedingungen für die Adoption chinesischer Babys durch Ausländer verschärft. AFP

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