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Panorama: Cool bleiben

Im Sommer droht nicht nur Hitze, sondern auch Ozon. Die Gefahr durch dieses Reizgas wird aber nach neuen Studien überschätzt

Mit den hohen Temperaturen droht alle Sommer wieder auch das Ozon. Das ist für Empfindliche ein doppelter Grund, sich in der größten Hitze nicht über Gebühr körperlich zu verausgaben. Große Hitze und hohe Ozonwerte treten bei uns praktisch immer gemeinsam auf, weil Luftschadstoffe aus Auto- und Industrieabgasen unter dem Einfluss von Sonnenstrahlung in einer photochemischen Reaktion zu Ozon umgewandelt werden.

Das Reizgas Ozon mit den drei Sauerstoffatomen geht ausgesprochen gern chemische Verbindungen ein. Empfindliche Menschen merken das meist zunächst an Reizungen der Schleimhäute, am Brennen der Augen, am Kratzen im Hals, aber auch an Schmerzen beim tiefen Einatmen. Vorübergehend kann es dann sogar zu einer Einschränkung der Lungenfunktion kommen: Menschen, die es ohnehin schon „mit der Lunge“ haben, kommen dann ordentlich ins Schnaufen. Inzwischen ist aber auch bekannt, dass Allergien sich unter dem Einfluss des Reizgases mit der chemischen Formel O3 verstärken können. Die Atemwege reagieren dann heftiger auf Pollen und Milben.

Ab 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft müssen die Behörden die Bevölkerung laut EU-Richtlinie über die Ozonbelastung informieren, spätestens ab 360 Mikrogramm muss das Warnsystem ausgelöst werden. Weil das Ozonproblem ohne die Abgase aus dem Auspuff von Kraftfahrzeugen in diesem Ausmaß nicht bestünde, ist der Fahrverzicht eine wirkungsvolle Gegenmaßnahme. Da mag es paradox erscheinen, dass die Abgase umgekehrt auch wieder für den schnelleren Abbau des Ozons sorgen – weshalb die Belastung, wenn sie einmal eingetreten ist, sich außerhalb der großen Städte länger hält. Für 2010 hat die EU sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Der zulässige Acht-Stunden-Mittelwert der Belastung soll dann bei höchstens 120 liegen, und er soll an höchstens 25 Tagen des Jahres überschritten werden dürfen.

Das strenge Regiment sollte jedoch nicht zu dem Schluss führen, über 120 Mikrogramm pro Kubikmeter drohe akute Gefahr. Es schadet dem Wohlbefinden der Kinder sicher mehr, wenn sie ausgerechnet an hochsommerlichen Tagen nicht mehr draußen spielen dürfen. Zumal die meisten Menschen – Kinder wie Erwachsene – sich vom Reizgas relativ unbeeindruckt zeigen. Und wir auf die Hitze meist ganz automatisch mit einer verlangsamten Gangart antworten. Nicht nur wegen der niedrigeren Ozonwerte, sondern auch wegen der niedrigeren Temperaturen empfehlen Mediziner, sportliche Betätigungen eher auf den Vormittag und die Zeit nach Sonnenuntergang zu verlagern. Das heißt aber nicht, dass man nicht auch im schönsten Sonnenschein durch die Stadt radeln oder laufen dürfte – womit schon etwas Treibstoff eingespart werden kann. Wenn die Kindergartengruppe an heißen Tagen eher im Wald unter Bäumen spielt, verbinden sich niedrigere Ozonwerte mit Schutz vor UV-Strahlen und Hitze.

Ozon ist nicht nur ein Reizgas, es scheint speziell in Deutschland aber auch ein Reizwort zu sein. Insgesamt überschätzen Eltern die Gefahr, die von erhöhten Ozonwerten für ihre Kinder ausgeht, deutlich. Das ergab eine Studie des Instituts für Arbeits- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität in München, für die Eltern und Experten befragt wurden. Die Eltern setzten das Reizgas auf Platz eins der Gefahren durch Luftverschmutzung, für die Fachleute kommt es erst auf Platz 14 – weit abgeschlagen hinter Passivrauchen, Dieselruß, Allergenen wie Pollen und Milben und dem „Klassiker“ Kohlenmonoxid. „Insgesamt sind die Gefahren der Außenluft im Sommer durch die natürliche Pollenbelastung ungleich größer als die nur mit Mühe erkennbaren und messbaren Ozoneffekte“, sagt Charité-Kinderarzt und Lungenexperte Ulrich Wahn, Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie. Vor einigen Jahren wurde in einer großen, über dreieinhalb Jahre laufenden Studie in Baden-Württemberg, wo die Ozonwerte besonders hoch sind, festgestellt, dass sich kindliche Lungen in Gebieten mit höheren sommerlichen Ozonwerten im Schnitt nicht schlechter entwickeln als in unbelasteten Landstrichen des zum Vergleich herangezogenen Niederösterreich. Das galt sogar für Kinder mit Pollenallergien und Asthma, die akut durchaus unter hohen Ozonwerten leiden. Zwar nahm das Lungenvolumen der Grundschulkinder unter Ozoneinfluss langsamer zu, wie die Forscher von der Freiburger Uni-Kinderklinik feststellten, doch diesen unbeträchtlichen Entwicklungsrückstand holten die Kinder im Winter wieder auf.

Adelheid Müller-Lissner

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