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Versteckt. Ganz vorsichtig bohrt Maurizio Seracini, der Leiter der Arbeiten, mit seinen Helfern ein Loch in das wertvolle Vasari-Fresko.

© dpa

Panorama: Der Da-Vinci-Fund

In Florenz berichten Forscher von einer Sensation: Sie wollen im Palazzo Vecchio einen verschollenen Leonardo gefunden haben.

Dieses Mal ging Maurizio Seracini auf Nummer sicher und ließ die versammelte Weltpresse am Montag in Florenz erst einmal zappeln. Fast 20 Minuten vergingen, bevor der Architektur- und Kunstexperte fast in einem Nebensatz bekannt gab: Bei der Untersuchung im Prunksaal „Sala die Cinquecento“ des Palazzo Vecchio hätten er und seine Mitarbeiter rote und schwarze Farbpigmente entdeckt, die mit denen der Mona Lisa und anderer Werke Leonardos aus dem Pariser Louvre vergleichbar seien.

Zuvor hatte der Leiter des Forschungszentrums für Analysen in der Bildenden Kunst, der Architektur und der Archäologie im kalifornischen San Diego erst einmal ausführlich seine Vorgehensweise erläutert. Mit unbewegter Miene zeigte er auf, an welchen Stellen des Vasari-Freskos, hinter dem er das verschollene Leonardo- Wandbild „Schlacht von Anghiari“ vermutet, er seine vier Millimeter feine Endoskopiekamera eingeführt hatte. Außerdem zeigte er Fotos des dort entdeckten Hohlraumes und erklärte, wie man die Proben der dahinterliegenden Wand entnommen hat, ohne das darüberliegende Vasari-Bild zu beschädigen.

Die Vorsicht von Maurizio Seracini, der seit 37 Jahren im Palazzo Vecchio nach der verschollenen „Schlacht von Anghiari“ sucht, hat gute Gründe.

Das legendäre Bild war 1503 von der republikanischen Stadtregierung von Florenz bei Leonardo da Vinci in Auftrag gegeben worden. Es sollte die Schlacht abbilden, bei der Florentiner Bürger die Mailänder Truppen der Familie Visconti besiegten. Nach drei Jahren brach Leonardo die Arbeit ab. Vielleicht, weil seine Farb-Experimente misslangen, vielleicht weil der trockene Auftrag von Pigmenten auf einen Gipsgrund im feuchten Mikroklima des Saales nicht gelingen wollte und die Farben im oberen Teil des Bildes verliefen. Trotzdem galt es unter zeitgenössischen Malerkollegen als bahnbrechend, da es ihm gelungen war, erstmals die Dynamik von Bewegung zu bannen. Wie es ausgesehen haben soll, ist unter anderem durch Kopien von Raffael und Rubens bekannt.

Rund 60 Jahre später erhielt der Architekt und Maler Giorgio Vasari den Auftrag, den florentinischen Bürgersaal zum Repräsentationssaal der Medici-Fürsten umzubauen, die mittlerweile in der Stadtrepublik das Sagen hatten.

Bisher nahm man an, Vasari übermalte dabei das Leonardo-Bild, eine Theorie, die Maurizio Seracini, wie auch der renommierte Leonardo-Experte Carlo Pedretti, nicht teilt. Er ist überzeugt, dass Vasari stattdessen eine Mauer vor dem Leonardo-Bild hochzog. Auf diese Weise hatte der Architekt und Maler andere Bilder gerettet, darunter ein Masaccio- Fresko in der Kirche Santa Maria Nova. Außerdem, so sagte Seracini, bewunderte Vasari Leonardo. Das lässt sich in seinen kunsthistorischen Schriften nachlesen.

Um seine Theorie zu stützen, hat Seracini in den vergangenen Jahren jeden Quadratzentimeter des Prunksaales mit modernster Technik untersucht. Er hat die Wände geröntgt, sie mit einem Laserscanner abgetastet und mit Neutronen beschossen. Dabei entdeckte er hinter dem Vasari-Bild den Beweis für seine Mauerthese: einen Hohlraum.

Nach zähen Verhandlungen mit der zuständigen Kulturbehörde wurde ihm im vergangenen Dezember gestattet, an sieben unkritischen, teils schadhaften Stellen mithilfe einer Mikrokamera hinter das Fresco von Vasari zu schauen. Finanziert wurde seine Suche von der Zeitschrift „National Geographic“.

Doch kaum hatten seine Mitarbeiter ihr Gerüst aufgebaut, mutierte die Suche nach der Schlacht selbst zur Schlacht um Kompetenzen. Die florentinische Chefrestauratorin meldete plötzlich Bedenken an und schmiss ihren Job, die Kulturvereinigung Italia Nostra erstattete Anzeige wegen Vandalismus gegen Bürgermeister Matteo Renzi und die oberste Denkmalschützerin Cristina Acidini, und zahlreiche in- und ausländische Experten forderten empört, die Untersuchung sofort zu stoppen und erst einmal eine weitere Expertenkommission einzusetzen.

Was Maurizio Seracini seinen Kritikern noch heute nachträgt: Niemand von ihnen hat sich die Mühe gemacht, zu ihm aufs Gerüst zu steigen und sich vor Ort seine Arbeitsmethode anzuschauen.

So war bei der Pressekonferenz am Montag dann auch eine gewisse Befriedigung nicht zu überhören, als Maurizio Seracini verkündete, er habe erste Indizien dafür gefunden, dass hinter dem Vasari-Bild ein weiteres Bild existierte, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um die „Schlacht von Anghiari“ handelt. Und auch sein Hinweis, niemand habe vor, im Leonardorausch jetzt das Vasari-Fresko abzutragen, lässt sich getrost als kleiner Seitenhieb gegen seine Kritiker interpretieren.

Maurizio Seracini weiß, die Entscheidung darüber, wie es weitergehen soll, werden andere treffen und das kann lange dauern. Die bürokratischen Mühlen in Italien mahlen bekanntlich lange. Den Bürgermeister von Florenz weiß er allerdings schon auf seiner Seite: „Das ist sehr aufregend“, sagte Renzi.

Christiane Büld Campetti[Florenz]

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