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Panorama: Der Größte hat Geburtstag

Muhammad Ali, der beste Boxer aller Zeiten, wird heute 65 – unter großen Schmerzen

Als Ringsprecher Michael Buffer nach all der Prominenz, von Dustin Hoffman bis Boris Becker, schließlich „The Greatest of all time“ begrüßte und mit seinem sonoren „let’s get ready to rumble“ den WM-Kampf Klitschko-Brock ankündigte, war Muhammad Ali längst wieder in einem Golfwagen aus dem Madison Square Garden gefahren worden. Die 14 000 Zuschauer hatten vorher begeistert seinen Namen gerufen: „Ali, Ali, Ali“. Keine Runde mehr als die vier, die seine Tochter Laila zum K.o.-Sieg brauchte, war an jenem 11.November vergangenen Jahres dem von der Parkinsonschen Krankheit Gezeichneten zuzumuten. Anders als ein Jahr zuvor in Berlin, als er noch – gestützt von Ordnern – mühsam die Stufen zum Ring hatte hinaufsteigen können, um Laila zu umarmen, war der sieche Champion dazu nicht mehr in der Lage.

Es war ein erschütterndes Bild: Der größte Boxer aller Zeiten, einst Inbegriff des athletischen Körpers und wachen Geistes, der sich hier vor 35 Jahren mit Joe Frazier den epischen „Kampf des Jahrhunderts“ geliefert hatte, saß gebrechlich, mal mit geschlossenen, mal mit weit aufgerissenen Augen in der ersten Reihe, wurde von der Krankheit geschüttelt und konnte nur mühsam mal die rechte Hand heben, während der linke Arm unentwegt zitterte. Trotz der speziellen Medikamente für öffentliche Auftritte. Seine (vierte) Frau Lonnie und Howard Bingham, seit 43 Jahren sein treuester Freund, saßen fürsorglich an seiner Seite. Sie behaupten, das Bad in der Menge sei die beste Medizin für Ali. Heute wird er 65 Jahre alt. Das Erscheinen zur Geburtstagsparty im Muhammad Ali Center in seiner Heimatstadt Louisville, Kentucky, haben Lonnie und Howard abgesagt.

Muhammad Ali ist der berühmteste Kranke der Welt, seit er mit zitternden Händen 1996 in Atlanta die Olympische Flamme entzündete und ein Milliardenpublikum vor den Bildschirmen zu Tränen rührte. Es war ein weltbewegendes Comeback aus dem Schatten seines Schicksals. Die Zeitung „USA Today“ kürte ihn daraufhin 1996 spontan zum „Athleten des Jahres“.

Der dreimalige Weltmeister im Schwergewicht war und ist immer noch Superstar, ob einst als tänzelnder Boxästhet, narzisstischer Schreihals, schwarzer Rebell, überzeugter Wehrdienstverweigerer („Ich habe keinen Streit mit dem Vietcong“), der dafür dreieinhalb Jahre Verbannung vom Ring in Kauf nahm, oder jetzt als kranker Mann. Sein Gesicht gilt seit über vierzig Jahren als das bekannteste der Welt. Cassius Clay ist längst vergessen, Muhammad Ali aber von den Slums in Kalkutta bis zu den Blechhütten in Soweto ein Begriff. Staatsoberhäupter, von Breschnew bis Mandela, fühlten sich durch seinen Besuch geehrt. UNO-Generalsekretär Kofi Annan ernannte ihn zum Friedensbotschafter der Vereinten Nationen. Präsident George W. Bush hängte ihm im Weißen Haus im November 2005 die Freiheitsmedaille um, die höchste zivile Auszeichnung der USA und nannte Ali einen „Mann des Friedens“. Ali war mehr als ein Boxchampion. „Ich boxe nur, um bestimmte Dinge zu überwinden, die ich sonst nicht überwinden könnte“, hat er einmal gesagt. Sein Engagement für die Bürgerrechtsbewegung und die politische Emanzipation der Afroamerikaner in den USA, sein Protest gegen den Vietnam-Krieg waren so bedeutsam wie sein Boxstil für die globale Akzeptanz des Faustkampfes. Wenn zur „prime time“ in Amerika der Gong ertönte, klingelten auf der übrigen Welt die Wecker zu seinen legendären Kämpfen wie der „Rumble in the Jungle“ gegen George Foreman oder der „Thrilla in Manila“ gegen Joe Frazier. Sein umwerfender Charme und sein faszinierndes Charisma verzauberten die Welt ebenso wie sein eleganter Boxstil „float like a butterfly sting like a bee“ (schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene). Schriftsteller wie Norman Mailer waren von Alis Aura und Ära hingerissen. „Amerikas größtes Ego“, „Fürst des Himmels“, „Prophet des 20.Jahrhunderts“ schwärmte der Autor und schrieb über das Weltereignis in Kinshasa ein Stück bester Literatur mit dem schlichten Titel: „The Fight“. Filmemachern ging es wie den Schriftstellern. Leon Gast gewann mit der Dokumentation „When we were kings“ über das Happening in Afrika einen Oscar. Michael Mann drehte das 107 Millionen Dollar teure Leinwandepos „Ali“ mit Will Smith. Muhammad Ali führt seinen letzten Kampf mit Demut gegen eine Krankheit, die ihm genommen hat, was ihn einst weltberühmt gemacht hat: Seine Athletik und seine Sprache.

Hartmut Scherzer

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