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Panorama: Der Herr sieht alles

Normalerweise dauert es lange, bis der Papst entscheidet – im Skandal um Bischof Krenn geht es schneller

Gerade einmal 20 Kilometer sind es von der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten bis nach Melk, und gerade in diesen Tagen wäre es für manche Würdenträger der St. Pöltener Diözese lohnend, sich dorthin zu begeben. Im Rahmen der Sommerfestspiele wird im imposanten Melker Benediktinerstift nämlich zurzeit die Bühnenversion von Umberto Ecos Historienthriller „Der Name der Rose“ gegeben, die Geschichte des Franziskanermönchs William von Baskerville, der im Jahre 1327 in ein fiktives norditalienisches Benediktinerkloster kommt, um dort einen Mordfall aufzuklären.

Nun lässt sich Bischof Klaus Küng schon allein optisch nicht mit Sean Connery, der in der berühmten Jean-Jacques- Annaud-Verfilmung den Mönch von Baskerville spielte, vergleichen, und doch gibt es unübersehbare Parallelen: Wie einst Connery reiste Küng vor einer Woche aus seiner Vorarlberger Heimat nach St. Pölten, dort soll er nun als so genannter „Visitator“ ermitteln, und wie bei Umberto Eco geht es auch hier um geheimbündlerische Strukturen und abgründige Geheimnisse, es geht um eine Leiche, Pornografie und Sex.

Seit fast drei Wochen wird in Österreich schon über das Priesterseminar von St. Pölten berichtet, wo vor einem Dreivierteljahr die Leiche eines Ex-Zöglings gefunden wurde. Bei den Ermittlungen der Polizei tauchten dann plötzlich 40000 Pornobilder und einschlägige Filme in den Räumen der Priesterschüler auf, vor zwei Wochen mussten deswegen die beiden Leiter des Seminars zurücktreten. Unter den pornografischen Darstellungen fanden sich auch Kinderpornografie sowie Bilder, die Seminarleiter in Kussszenen mit Zöglingen zeigten.

Küng sollte nun neben den staatsanwaltlichen Untersuchungen als kirchlicher Ermittler die Vorgänge prüfen und nicht nur das Priesterseminar, sondern die gesamte Diözese des streitbaren St. Pöltener Bischofs Kurt Krenn unter die Lupe nehmen. Denn in Krenns Einflussbereich liegt vieles im Argen, Streitigkeiten zwischen dem erzkonservativen Bischof und seinen Gläubigen stehen an der Tagesordnung.

Was konkret und wie genau Küng geprüft hat und möglicherweise noch prüft, ist unbekannt. Man weiß nur, dass der Vorarlberger ein Büro in St. Pölten bezogen hat und er möglichst viele Gespräche führen wird. Weder seine Ermittlungen noch seine Ergebnisse sollen öffentlich gemacht werden, sondern sind nur für den Vatikan bestimmt. Noch ist nicht einmal klar, wann Küng seinen Bericht abliefern wird. Und dann wird sein Konvolut als absolutes Unikat direkt an den Papst übermittelt.

Ungewöhnlich ist das Tempo, in dem der Vatikan reagiert. In vergleichbaren Fällen dauerte es Monate, bis eine Untersuchung beendet wurde und der Papst eine Entscheidung traf. Am Mittwochabend überraschte die Katholische Nachrichtenagentur mit der Meldung, Krenn stehe vor einem raschen Rücktritt. Wenig später verkündete der Vatikan ein Interviewverbot gegen Krenn. Krenn drohte mit seinen fast täglichen trotzigen und verharmlosenden Äußerungen großen Schaden anzurichten. Besorgnissen der österreichischen Bischofskonferenz war er zuvor mit den Worten begegnet: „Das geht die Bischofskonferenz einen Dreck an.“ Vor laufenden Fernsehkameras damit konfrontiert, dass die Staatsanwaltschaft in seinem Priesterseminar Kinderpornografie beschlagnahmt habe, sagte er, das seien „blöde Geschichten“. Die homosexuellen Szenen zwischen Seminarleitern und Zöglingen bezeichnete er als „Bubenstreich“. Dass ausgerechnet Küng vom Vatikan mit der Überprüfung der St. Pöltener Diözese beauftragt wurde, gibt dieser Untersuchung eine Schlagseite. Küng gilt als absolut korrekter und integrer Bischof, im fragilen Kräfteparallelogramm der österreichischen Bischofskonferenz, in dem sich die konservativen und die liberalen Geistlichen annähernd die Waage halten, gehört Küng zur konservativen Seite. Vor seiner Bestellung zum Vorarlberger Bischof war Küng Generalvikar des Opus Dei in Österreich, der mächtigen konservativen Strömung innerhalb der katholischen Kirche.

Ihr wahrer Einfluss kann nur erahnt werden, sicher ist aber, dass die Elitebewegung in der Amtszeit von Papst Johannes Paul II. massiv an Macht gewonnen hat. Küng selbst hat aus seiner Mitgliedschaft im Opus Dei nie ein Geheimnis gemacht. Krenn gehört diesem Bund nicht an, für konservative Strömungen und Bewegungen hat aber auch er ein Faible. So holte er Verbindungen wie die Gemeinschaft Sevi Jesu et Mariae, das Engelswerk und andere nach St. Pölten. In seinem Priesterseminar wiederum tummelten sich vor allem Priesteranwärter, die in anderen Diözesen wegen disziplinärer Verfehlungen abgelehnt wurden.

Eine zusätzliche Gemeinsamkeit haben Küng und Krenn: Beide wurden bei ihrer Bischofsernennung von den Gläubigen ihrer Diözesen abgelehnt, bei ihren Bischofsweihen mussten sie sich sogar ihren Weg über die Körper dutzender Gläubiger bahnen, die sich vor dem Dom auf den Boden gelegt hatten, um Krenn und Küng symbolisch den Zutritt zu den Kirchen zu versperren.

Nun liegt es also an Küng, über seinen Glaubensbruder zu urteilen. Allgemein wird damit gerechnet, dass Krenn allen Sympathien Küngs zum Trotz am Ende seiner Untersuchungen sein Amt abgeben muss. Der Abt des Melker Benediktinerklosters, Georg Wilfinger, möchte noch einen Schritt weitergehen. Im Österreichischen Rundfunk forderte er, dass „die Leute rund um Krenn ebenfalls“ abgelöst werden müssen. Wahrscheinlich hat er die Melker Aufführung von Umberto Ecos „Der Name der Rose“ gesehen.

Markus Huber[Wien]

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