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Panorama: Die Party ist zu Ende

Freizeitforscher: Knappe Kassen zwingen Deutsche zu Bescheidenheit – als Belohnung winkt mehr Zeit

Teuro, Konjunkturflaute und Irak-Konflikt – der Spaßgesellschaft ist die Lust am Konsum vergangen. „Die Verbraucherstimmung bewegt sich zwischen Pessimismus und Pragmatismus, Sparzwang und Schnäppchenjagd“, urteilt der Freizeitforscher Horst W. Opaschowski. Für Shopping, Kinobesuche und Kneipenbummel nehmen sich die Deutschen immer weniger Zeit. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten „Freizeit-Monitor 2002“ hervor, in dem das Freizeit-Forschungsinstitut der British American Tobacco seit 1995 die Freizeit- und Lebensgewohnheiten erforscht.

„Alles, was das Leben bisher angenehm und erlebnisreich machte, wird vorübergehend eingeschränkt“, sagt Institutsleiter Opaschowski. „Aus- und Essengehen, Ausflüge und Reisen sind für viele keine Selbstverständlichkeiten mehr." An der positiven Grundeinstellung „Freizeit ist den Deutschen lieb und teuer“ habe sich zwar nichts geändert. Aber zunehmend setze sich die Erkenntnis durch, dass man sich den Erlebniskonsum auch leisten können muss.

Finanzielle Belastungen nach Feierabend und am Wochenende werden deshalb zunehmend gemieden: Nur noch 33 Prozent zählen sich der Studie zufolge zu regelmäßigen Einkaufsbummlern, gegenüber 36 Prozent im Vorjahr. Ins Kino verschlägt es nur noch zwölf Prozent, zwei weniger als 2001. Auch Restaurants, Freizeitparks und Sportveranstaltungen bekommen mit stagnierenden Besucherzahlen die knappen Haushaltsbudgets zu spüren. Sogar Familien mit Kindern verzichten auf Wochenendfahrten.

„Der Trend zum Erlebniskonsum hat seinen Zenit überschritten“, fasst Opaschowski die Folgen der schmalen Geldbeutel zusammen. „Der Ereignischarakter von Freizeitbeschäftigungen kostet zu viel Geld.“ Grund zu Pessimismus sieht der Freizeitforscher dennoch nicht. Das bequeme und gedankenlose Konsumieren stoße zwar an seine finanziellen Grenzen. Ein großer Teil werde aber zunächst nur aufgeschoben, betont Opaschowski: von der Urlaubsreise über die Ausgaben für Hobby und Sport bis hin zum Autokauf.

Statt teurer Einkäufe, spontaner Ausflüge und bequemer Fremdberieselung sei jetzt wieder „mehr Eigeninitiative gefragt und auch die Fähigkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen“, sagt Opaschowski. „Zurück zum einfachen Leben“, zitiert er die Formel, nach der schon die Amerikaner im Golfkrieg bescheidener lebten und konsumierten.

So wird das Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden wieder wichtig: Mit Kindern spielen, Heimwerken und Gartenarbeit sind Tätigkeiten, die von den verunsicherten Verbrauchern in der Umfrage mehr als im Vorjahr genannt wurden.

Eine radikale Konsumverweigerung kann allerdings auch Opaschowski nicht erkennen: Gekauft wird das, was notwendig ist. Zwar sei von Kaufrausch keine Spur, Freizeit bleibe aber „Konsumzeit“. Nur von dem Grundsatz, immer mehr Geld ausgeben zu müssen, hätten sich die Deutschen gezwungenermaßen verabschiedet. Dass es dabei im Häuslichen auch zu ganz neuen Erfahrungen kommt, zählt Opaschowski zu den Vorteilen der neuen Bescheidenheit: „Wer viel konsumiert, gerät schnell in Zeitnot. Wer hingegen weniger konsumiert, kann den eigenen Zeitwohlstand genießen.“ Die 36 Prozent, die laut Umfrage einfach ihren „Gedanken nachgehen“, sparen also nicht nur Geld, sondern auch Zeit.

Klaus Heymach

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