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Sahara

© Moore

Drama von Gilf al Kebir: Trip durch die Hölle

Was im Februar Christian Kny und seinen Begleitern in Ägypten geschah - ihr Protokoll eines Albtraums.

Von Andreas Oswald

Gerade hatten die vier Männer ihr Lager aufgeschlagen. Mitten in der spektakulären Wüste bei Gilf al Kebir. Frühzeitliche Höhlenmalereien wollten sie sich anschauen. Sie hatten gerade gegessen, als ein Pick-up mit aufgepflanztem Maschinengewehr angefahren kam. Fünf schwer bewaffnete Männer stiegen aus, nahmen die Gruppe gefangen und verschleppten sie. Wenig später hielten sie an und forderten die Gruppe auf, auszusteigen und langsam fortzugehen. Dies war für die Entführten ein klares Zeichen, dass sie von hinten erschossen werden würden. „Wir hörten das unmissverständliche metallische Klicken, das entsteht, wenn ein Maschinengewehr entsichert wird. Wir waren überzeugt, dass wir jetzt unmittelbar getötet werden würden, den Tränen nahe, liefen wir weiter“, schreiben der Deutsche Carlo Bergmann und der Schweizer Christian Kny später in ihrem Erlebnisbericht.

Aber die tödlichen Kugeln bleiben aus. Es ist eine Scheinexekution. Die Männer werden aufgefordert, sich umzudrehen, und sehen, wie die Täter Akazien fällen und auf die Fahrzeuge laden. Eine lange Odyssee beginnt.

Die Erzählungen von dieser Entführung, die im Februar stattfand, hat der erfahrene Wüstenexperte und Archäologe Carlo Bergmann auf seiner Website veröffentlicht. Aber mit dieser Veröffentlichung beginnt plötzlich eine ganz andere Geschichte, weil sich rund um die Schilderungen lauter Rätsel und Merkwürdigkeiten auftun.

Es beginnt mit den Namen. Der Schweizer Christian Kny, ein 40 Jahre alter Psychotherapeut aus Luzern, taucht in den Berichten nur unter einem anderen Namen auf: Phillipp Moore. Die Berichte sind sowohl mit diesem Pseudonym als auch mit dem Namen von Carlo Bergmann unterschrieben. Außerdem sind sie in der Wir-Form abgefasst. Trotzdem sagt Bergmann jetzt, er sei bei der Entführung gar nicht dabei gewesen. Hätte er damals den Behörden von der Entführung erzählt, hätten Reiseveranstalter auf Touren in dieses damals als ungefährlich geltende Gebiet verzichtet, die aktuelle Entführung hätte es möglicherweise nicht gegeben. Dafür, dass Bergmann dabei war, sprechen weitere Indizien. Mahmud Nur ad Din, ein erfahrener Reiseführer in dieser Gegend, spricht gegenüber Reuters von zwei Europäern, die damals entführt worden seien, nicht von einem. Auch das Foto von Bergmanns Website, das obenstehend zu sehen ist, zeigt in der Mitte einen Europäer, während als Fotograf Phillipp Moore angegeben wird. Also kann der abgebildete Europäer nicht Moore, alias Christian Kny, sein. In den Erzählungen werden folgende Personen aufgeführt: „Der Reiseführer, ein ägyptischer Offizier in Zivil, ein Mechaniker und ich“, heißt es auf Bergmanns Website. Bergmann sagte am Freitag dem Tagesspiegel: Er wäre dabei gewesen, „wenn mich nicht eine Lungenentzündung zur stationären Behandlung ins Al-Schurug-Krankenhaus, Cairo-Muhandessin, gezwungen hätte und ich bald danach auf Anraten der Ärzte zur Rekonvaleszenz nach Deutschland zurückgeflogen wäre“. Wer dabei war und wer nicht, wird sich wohl nur schwer aufklären lassen. Auffallend ist, dass die damalige Entführung und die jetzige im gleichen Gebiet stattfand und Indizien dafür sprechen, dass es bei den Tätern um die gleiche Gruppe geht.

Die Entführten fassten damals den Plan, sich gewaltsam selber zu befreien, ließen aber schließlich davon ab. Während ihrer mehrtägigen Odyssee mussten sie wiederholt um ihr Leben fürchten, bis höhere SLA-Offiziere dafür sorgten, dass ihnen alle ihre Habseligkeiten wiedergegeben wurden. Schließlich wurden sie freigelassen in einer unwirklich wirkenden Atmosphäre von Entführern, die plötzlich freundlich und zuvorkommend waren.

So ist es geschildert.

Bergmann und Kny begründen in ihren Erzählungen, warum sie die Behörden nicht verständigt haben: Sie wollten „lange Befragungen und mehrtägige Verzögerungen vermeiden“.

Der Bericht sowie Carlo Bergmanns Entdeckungen in der Wüste:

www.carlo-bergmann.de

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