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Gestrandet in Thailand: Standby in Bangkok

Tagesspiegel-Redakteurin Tissy Bruns sitzt wegen des europäischen Flugverbots in Thailand fest. Die Gestrandeten können sich dort auf eine Warteliste eintragen und dürfen dann hoffen, dass sie mit nach Deutschland können. Vom Warten in Bangkok - ein Situationsbericht, Teil II.

Am Mittwoch fahren wir in aller Frühe zum Flughafen Bangkok, mit Sack und Pack. Im Hotel haben wir die Rechnung bezahlt und angekündigt, dass wir am Mittag vielleicht wiederkommen. Ein Air-Berlin-Flug aus Düsseldorf ist am Vorabend gestartet, mit Sondererlaubnis, und wird mit kleiner Verspätung kurz nach elf Uhr morgens von Bangkok aus zurückfliegen. Dass mein Mann und ich dabei sind, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber versuchen muss man es ja wenigstens. Nach diversen Telefonaten haben wir gestern ermittelt, dass am Flughafen ein Standby-Verfahren stattfindet: Die Gestrandeten können sich auf eine Warteliste eintragen und dürfen dann hoffen, dass sie mit nach Deutschland können. Weil wir wissen, dass noch nicht einmal der ausgefallene Flug vom letzten Samstag "abgearbeitet" ist, sieht es für uns düster aus: Unser Flug hätte am Sonntag, den 18. April starten müssen - wir sind also nicht "17", sondern nur "18", aber immerhin nicht "19"! Egal. Der Taxifahrer jedenfalls kommt auf seine Kosten. Vor der Rush Hour kann er auf dem Highway richtig brettern; als kurz vor halb acht der Airport vor uns auftaucht, zielt er mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger, takkatakkatakka, auf die Militärposten, die dort wegen der Rothemden schwer gerüstet die Stellung halten. Einmal, zweimal, dreimal Shotdown - wir sind da. Bangkok International ist busy as usual. Road G ist super voll, geschäftig und für drei Stunden Schauplatz einer seltsamen Mehrklassengesellschaft. Denn bei G fliegt Air Berlin heute den zweiten Flug nach dem Debakel nach Deutschland. Und die Welt teilt sich in die Glücklichen, die an diesem Tag ihren regulären Rückflug antreten - und die anderen, die zwischen Freitag und Montag zu Opfern eines isländischen Vulkans wurden. Im Jargon der Flug- und Reisegesellschaften heißen wir übrigens "Stehenbleiber" oder die "stehengebliebenen" Fluggäste. "Klingt ganz schön gemein", sage ich zu meinem Mann. Bei BBC und CNN sind wir doch die "stranded people", in deutschen Medien die Gestrandeten. Und haben wir nicht vor unserem Aufbruch zum Flughafen im Internet gelesen, dass nun wieder geflogen wird und den verheißungsvollen Satz: "In erster Linie wurden im Ausland gestrandete Urlauber zurückgeholt."

Na ja: Air Berlin hat von Dienstag auf Mittwoch die für April übliche Menge Urlauber nach Thailand gebracht. Und am G 10 - 13 wird an diesem Mittwoch die übliche Touristenmasse, die diesen Flug gebucht hat, zurückbefördert. Der Flug ist ausgebucht - wie fast alle Flüge im April. An G 14 dürfen sich die "Stehenbleiber" in eine Warteliste eintragen. Bis wir das wissen, haben wir schon an einem anderen Air-Berlin-Schalter Schlange gestanden und jede Menge Geschichten gehört. Die von Air Berlin gelten als die Privilegierten unter den Heimfahrtsuchern. Denn ihre Linie fliegt. Bei THAI, der zweiten großen, mit Lufthansa liierten Fluggesellschaft für den deutschen Thailand-Tourismus, ist noch bis Donnerstag alles gestrichen: Umbuchungen werden angeboten, ab dem 3. Mai. Die Familie mit den beiden kleinen Kindern hat angenommen und studiert jetzt resigniert-gefasst ihre Reiseführer. Bangkok mit den Kindern? Besser nicht. Die beiden jungen Paare aus München, die schon eine Nacht im Flughafen auf ihren knallbunten Luftmatratzen verbracht haben, fühlen sich von THAI verraten und verkauft. Keine Info, kein bisschen praktische Hilfe. Im Keller des Flughafens ist eine kleines Terrain freigeräumt. Typ Tiefgarage oder Bahnhof, der nicht fertig wurde, schimpft einer. Eine junge Frau, Kundin von Emirates, erzählt, dass ihr gebuchter Flug nach Dubai eben ohne sie losgeflogen ist. Weil der Anschluss nach Deutschland fehlt, durfte nur auf die Maschine, wer in Dubai ein Hotel nachweisen kann... Über G schweben dicke Wolken schwarzen Humors. Die große Rätselfrage der Airberliner nach dem Verfahren, dem Prozedere des Wartens klärt sich im Lauf der ersten Stunde. Ein wackerer Praktikant hat es schriftlich dabei: Die Warteliste wird chronologisch abgetragen, erst die vom 17., dann die vom 18. April und so weiter. Familien mit kleinen Kindern haben Vorrang, danach punkten die mit Gold- und Silvercards. Für das Erste gibt es allgemeines Verständnis, für das Zweite nicht - es regt aber niemanden auf. Denn während die Riesenschlange der regulären Kundschaft nach und nach die Koffer aufgibt, können sich die anderen an ihren zehn Fingern ausrechnen, dass ihre Lage düster ist. Gestern, beim ersten Flug nach Deutschland, sollen ja ungefähr 30 Gestrandete dabei gewesen sein, die die leer gebliebenen Plätze auffüllen. Heißt es. Vier Flüge von Air Berlin sind wegen der Flugsperre ausgefallen. Über den Daumen gerechnet sind also 1200 Passagiere nicht nach Hause gekommen. Nur bei Air Berlin wohlgemerkt, die von THAI, Emirates und anderen Linie kommen dazu. Genau weiß es niemand. Fast möchte ich jetzt Britin sein. Die Ansage, mit der Gordon Brown seinen Gestrandeten die baldige Rettung via Fernsehansprache versprochen hat, ach, würde dieses Versprechen doch uns versprengten Deutschen gemacht. Wunder erwartet niemand. Aber interessiert sich überhaupt jemand dafür, wie viele Deutsche jetzt so rumhängen wie wir, sagt einer. Und: Die Botschaft sagt ja, dass sie nicht zuständig ist. Um 10 Uhr 10, 45 Minuten vor Abflug sollen wir uns wieder einfinden bei G 14. Denn dann steht fest, wie viele Plätze noch frei sind nach Düsseldorf. Etwa 150 Menschen drängen sich um den Schalter. Archaische Verhältnisse: Vorn dicht um den Schalter gedrängt stehen überwiegend Männer, in den hinteren Reihen die Frauen mit den Gepäckwagen, Kindern, Oma und Opa. Wenn eine der drei hektischen reizenden Stewardessen ein Papier hebt, geht Bewegung durch die Menge vorn. Nur Scheinalarm. 10 Uhr 15 springt Herr Magiera von Air Berlin Bangkok auf den Tresen, bittet schweißgebadet um Verständnis und verkündet die Namen. Ganze neun dürfen mit, nach Düsseldorf, nach Hause. Die Zahl wandert durch die Halle, und sie wird in Großbuchstaben weitergegeben: NEUN dürfen mit. Wenig Freude, viel Enttäuschung, ein böser Zwischenruf: "Und der Hunold hat gestern schon Staatshilfe gefordert." Wenn es so weitergeht, wird es Wochen dauern. Kommen leere Maschinen aus Deutschland, wenn wieder geflogen werden kann? Herr Magiera glaubt es nicht, es ist auch nicht seine Sache, sie herzuschaffen. Als die Menge sich langsam auflöst, macht das Gerücht die Runde, noch an diesem Vormittag habe Air Berlin für 900 Euro ein Ticket für diesen Flug verkauft. Ein junger Mann sammelt Namen für eine Klage, wenn man erst wieder zu Hause ist. Morgen sehen wir uns alle wieder. Standby in Bangkok, Airport International. Wurden heute in erster Linie gestrandete Urlauber zurückgeholt? Von "17" schätzen wir gemeinsam, sind mindestens noch hundert übrig. Von den drei anderen Flügen ganz zu schweigen.

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