zum Hauptinhalt

Gesundheit: Amerikanische Forscher verbessern Intelligenz und Gedächtnis bei Mäusen

Noch machen uns die Mäuse keine Konkurrenz. Zumindest was die Intelligenz angeht, gebührt uns Menschen die Krone der Schöpfung.

Noch machen uns die Mäuse keine Konkurrenz. Zumindest was die Intelligenz angeht, gebührt uns Menschen die Krone der Schöpfung. Aber das könnte sich irgendwann ändern, denn ein Anfang, gleichsam ein Mäuseschritt, ist gemacht. Amerikanischen Forschern ist es nämlich gelungen, mit Hilfe der Gentechnik Mäuse zu züchten, die ihren Artgenossen bei Lern- und Gedächtnistests ein gutes Stück überlegen sind. "Unsere Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass die genetische Verbesserung von mentalen und kognitiven Fähigkeiten wie Intelligenz und Gedächtnis bei Säugetieren machbar ist", schreiben die beteiligten Forscher im Wissenschaftsjournal "Nature" (Band 401, Seite 63), in dem sie heute ihre Ergebnisse veröffentlichen.

Theoretische Grundlage der sorgfältigen Studie ist eine von dem Hirnforscher Donald Hebb bereits 1949 angestellte Spekulation. Nach Meinung von Hebb basieren Lernen und Gedächtnis auf Veränderungen an den Verbindungen zwischen jenen Nervenzellen, die gleichzeitig aktiv sind. Anders ausgedrückt: Ein Gedächnisinhalt kann sich im Gehirn zum Beispiel in einem Netzwerk von Nervenzellen manifestieren, deren Verbindungen (Synapsen) besonders gut verknüpft sind.

Um dieses Ziel zu erreichen, schleusten Joe Tsien von der Princeton-Universität (US-Bundesstaat New Jersey) und seine Mitarbeiter das Erbmerkmal für einen speziellen "Gedächtnisschalter" in Mäuseembryonen ein. Dieses Gen enthielt die Bauanleitung für eine bestimmte Untereinheit des NMDA-Ankermoleküls (Rezeptors) im Gehirn. Der NMDA-Rezeptor ist ein in die Nervenzellhülle eingelassenes kanalartiges Eiweißmolekül. Wenn der Nerven-Botenstoff Glutamat von außen an das NMDA-Molekül andockt, wird der Kanal geöffnet, und Kalzium strömt in die Zelle ein.

An dieser Stelle kommt wieder die Hebb-Regel ins Spiel. Denn damit Kalzium in die Zelle einströmen kann, muss noch eine zweite Bedingung gegeben sein: die Nervenzelle muss kurz zuvor elektrisch erregt worden sein. Da man Lernen als die Verknüpfung von zwei bisher unverbundenen Sachverhalten bezeichnen kann, wäre damit der NMDA-Rezeptor so etwa wie ein "Gedächtnis-Ermöglichungs-Schalter", wie es der Hirnforscher Randolf Menzel vom Institut für Neurobiologie der Freien Universität ausdrückt. Dieser molekulare Schalter wird erst dann umgelegt, wenn Glutamat vor der Zelle anflutet und eine elektrische Erregung stattgefunden hat.

Gehirn künstlich verjüngt

Die amerikanischen Forscher pflanzten den Tieren ein Gen für eine Untereinheit des NMDA-Rezeptors ein, die einen besonders starken Kalzium-Einstrom durch den NMDA-Kanal fördert. Diese Untereinheit findet sich in freier Wildbahn vor allem bei jungen Tieren - die transgenen Mäuse wurden also im Gehirn künstlich "verjüngt".

Der Effekt dieses Vorgehens zeigte sich bei einem Phänomen, das die Hirnforscher Langzeit-Potenzierung nennen. Langzeit-Potenzierung wird durch die Aktivierung von NMDA-Ankermolekülen und einen dementsprechend starken Kalzium-Einstrom in die Zelle gefördert. Sie besteht darin, dass die Zelle auf einen Reiz von außen mit einem besonders intensiven eigenen Impuls reagiert. Dieser bioelektrische Prozess wird von vielen Wissenschaftlern mit Lernen in Verbindung gebracht. Er gilt gleichsam als dessen nervliche Basis.

Es stellte sich heraus, dass die Langzeit-Potenzierung der Nervenzellen bei den genetisch veränderten Mäusen deutlich ausgeprägter war. In der letzten Zeit allerdings ist die Bedeutung der Langzeit-Potenzierung für das Lernen von einigen Forschern angezweifelt worden. Die jetzige Studie unterstreicht jedoch die Rolle der Langzeit-Potenzierung bei Lernvorgängen.

In einer Reihe von Leistungstests erwiesen sich die transgenen Mäuse gegenüber ihren Artgenossen als deutlich überlegen. Sie hatten ein besseres Langzeitgedächtnis, lernten schneller und waren auch beim Umlernen und bei der räumlichen Orientierung flinker.

"Nicht ganz von der Hand zu weisen" ist nach Ansicht von Menzel, dass die Studie auch Perspektiven für die Medizin bietet. Es ist immerhin denkbar, dass auch Menschen mit nachlassendem Gedächtnis oder sich abzeichnendem geistigen Verfall von einer Gentherapie profitieren könnten. Bei einer solchen Therapie würden sie das Erbmerkmal für die "junge" Variante des NMDA-Ankermoleküls gespritzt bekommen. Das wiederum könnte dazu führen, das die Langzeit-Potenzierung verstärkt und das Lernen verbessert würde. Aber vorerst ist eine solche Behandlung wohl nicht in Sicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false