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Gesundheit: Anders, aber gleichwertig

Wie gut ist der deutsche Bachelor? US-Hochschulexpertin informiert sich über Reform-Studiengänge

Ein Teddybär mit Sensor, der übers Handy meldet, wenn das Kind schreit. Oder ein kostengünstiges Desinfektionsverfahren für medizinische Geräte in Entwicklungsländern: Das sind produktorientierte Projektarbeiten, die die besten Ingenieurstudenten der Technischen Universität Berlin über ein Semester mit Studienkollegen in aller Welt durchführen. In sechs- bis achtköpfigen „Global Teams“ verständigen sie sich hauptsächlich via Internet.

„Die Berliner Teams sind für mich der schlagendste Beweis für die Revolution der wissenschaftlichen Ausbildung im Lande Humboldts. Mit neuartigen Lerngruppen und internationalen Abschlüssen entsteht akademischer Nachwuchs für die Weltmärkte.“ Das sagt Mariam Assefa, und ihre Stimme zählt. Sie ist Geschäftsführerin von World Education Services (WES) in New York, der größten US-Agentur zur individuellen Einstufung von Studienleistungen weltweit. Von Qualitätsprüfern wie WES erhalten amerikanische Colleges und Universitäten zum Beispiel Gutachten über die Vorleistungen deutscher Bewerber, die in den USA ein Postgraduate-Studium anstreben. Jetzt war Assefa eine Woche in Bonn, Bochum, Hamburg und Berlin, um sich von den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen zu überzeugen. Die kämpfen auch hierzulande immer noch um Anerkennung bei Studienbewerbern und Professoren.

Da ist Lob aus dem Ausland hilfreich, besonders das von Assefa, die 2006 auch Präsidentin des Dachverbands der Auslandsabteilungen amerikanischer Hochschulen werden soll. Dessen Jahrestagungen sind die größte Kontaktmesse für internationale Bildungsexperten.

Schlagzeilen wie „Deutscher Bachelor in Amerika nicht anerkannt“ hatten im vorigen Jahr für Aufregung gesorgt. Doch die Nachricht stellte sich als falsch heraus und wurde umgehend von der angeblichen US-Quelle korrigiert – nicht zuletzt mit einem Verweis auf die Aufklärungsarbeit des Dachverbands der amerikanischen Auslandsabteilungen. „Die International Educators amerikanischer Hochschulen sind mit den neuen Abschlüssen im gemeinsamen europäischen Bildungsraum inzwischen gut vertraut“, sagt Assefa. „Umgekehrt müssen aber auch alle Studienbewerber wissen, dass es bei uns keinen Anspruch auf einen Studienplatz gibt.“ Entscheidend sei, ob die Hochschule jemanden aufgrund seines persönlichen und fachlichen Profils aufnehmen wolle oder nicht.

Für Spitzentalente sind an amerikanischen Hochschulen allerdings immer Plätze frei. So bestand ein Achtzehnjähriger 2004 in Münster gleichzeitig Abitur und Uni-Zwischenprüfung in Philosophie – und wurde sofort an der Harvard Law School als Research Assistant von Alan Dershowitz angenommen. Sein Thema für die Doktorarbeit: Ethische Zwangslagen. „Wir vermitteln jährlich Hunderte Stipendiaten in die USA und haben keinen Beleg, dass Bachelor-Absolventen dort nicht zu weiterführenden Studien zugelassen werden“, bestätigt auch Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

„Ein Bachelor nach drei Jahren irritiert uns nicht, wenngleich bei uns vier üblich sind“, erklärt Assefa. „Den Dreijährigen kennen wir ja aus Großbritannien.“ Außerdem komme es bei einer Bewerbung um ein Postgraduiertenstudium nicht auf die bisherigen Lehrjahre an, sondern auf die absolvierten Lehrveranstaltungen. „Darüber geben die deutschen ,Diploma Supplements’ Auskunft.“ Wer etwa in einem Projekt wie den Berliner „Global Teams“ mitmache, habe international gute Karten. „Die Bildungsangebote entwickeln sich auf beiden Seiten des Atlantiks andersartig, sind aber prinzipiell gleichwertig“, lautet Assefas Fazit nach ihrer Inspektionstour.

Beispiel Master-Studium: Hierzulande gilt der Master als akademischer Abschluss, der vergleichbar ist mit den alten Hochschulgraden unterhalb des Doktors. Das Masterstudium im Anschluss an den Bachelor erscheint als die Regel. So kann auch erst ein Master-Absolvent in den „höheren Dienst“ bei öffentlichen Arbeitgebern einsteigen. Demgegenüber, so Assefa, hat ein US-Master je nach Berufswahl unterschiedliche Bedeutung. Ingenieure etwa gehen normalerweise mit dem Bachelor in den Job oder aber, wenn sie Hochschullehrer werden wollen, ins Doktorandenprogramm. Wer das nicht beendet, bekommt automatisch den Master. Andere Bachelor-Absolventen machen nach den ersten Berufsjahren – neben dem Job oder full time – einen Weiterbildungs-Master, typischerweise in Business Administration. Der „konsekutive Master“ ist in den USA nur für bestimmte Berufe nötig, wie für Ärzte, Anwälte oder Lehrer. „Angesichts solcher Unterschiede führt der Bologna-Prozess keineswegs nach Amerika, sondern in einen andersartigen, eben den europäischen Bildungsraum“, sagt Assefa.

In Zukunft rechnet die Bildungsexpertin mit einer Hochschulwelt, die viele Zentren hat. Ein Beispiel für aufstrebende Wissenschaftsnationen sei Indien mit seinen sieben staatlichen Institutes of Technology. Die hat das renommierte „Higher Education Supplement“ der britischen Zeitung „Times“ soeben auf Platz drei der weltbesten Technischen Universitäten gesetzt, nach dem Massachusetts Institute of Technology und Berkeley in Kalifornien. Auf die wachsende Attraktivität chinesischer Spitzenunis verweist auch Wang Gang, Präsident der Tongji-Universität in Schanghai und Direktor des dortigen Chinesisch-Deutschen Hochschulkollegs. Gut, dass die TU Berlin mit ihren „Global Teams“ auf dem Weg in die Weltliga ist.

Hermann Horstkotte

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