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Gesundheit: Arbeiterin mit Migrationshintergrund

Das Erbgut der Honigbiene ist entziffert. Jetzt steht fest, dass sie aus Afrika einwanderte

Bienen haben ein Gehirn, das nicht größer ist als ein Stecknadelkopf. Trotzdem haben sie ein Gedächtnis wie ein Elefant und einen Orientierungssinn, der modernen Navigationssystemen in nichts nachsteht. Das Geheimnis ihrer Intelligenz, mit der sie ihr Leben in einem Staat organisieren, könnte in ihren Genen verborgen sein.

Jetzt ist es einem internationalen Team aus mehreren hundert Forschern unter Leitung der beiden Amerikaner George Weinstock und Gene Robinson gelungen, das Erbgut der westlichen Honigbiene, Apix mellifera, zu entziffern. Die Ergebnisse wurden zusammen mit anderen Arbeiten zur sozialen Organisation, zur Herkunft und zum Verhalten der auch in Deutschland heimischen Honigbiene im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht (Band 443, Seite 931).

Nach der Taufliege Drosophila – dem wichtigsten Versuchstier in der Geschichte der Genetik –, der Seidenraupe und dem Moskito ist die Honigbiene das vierte Insekt, dessen Erbgut bekannt ist. Mit Hilfe der neu gewonnenen Erkenntnisse lassen sich bereits jetzt Fragen beantworten, die sich Wissenschaftler seit Jahrhunderten stellen.

So konnten Charles Whitfield und seine Kollegen von der Universität Urbana-Champaign im US-Bundesstaat Illinois anhand des Genoms Rückschlüsse auf die Herkunft der westlichen Honigbiene ziehen. Zur Gattung Apis gehören zehn Arten, von denen neun aus Asien stammen. Aber die bei uns heimische Honigbiene Apis mellifera hat ihre Wurzeln in Afrika, südlich der Sahara. Vermutlich ist sie von dort in mindestens zwei, vielleicht aber sogar in drei Wellen nach Europa eingewandert, schreiben die Forscher im Fachblatt „Science“ (Band 314, Seite 642).

Außerdem stellten Biologen bei der Untersuchung eines in Bernstein eingeschlossenen Fossils fest, dass die Honig sammelnden Insekten schon deutlich länger auf der Erde leben, als bisher angenommen. Der Zoologe George Poinar von der Universität in Corvallis im amerikanischen Bundesstaat Oregon hatte den Bernsteineinschluss vor etwa drei Jahren entdeckt. „Als ich das Steinchen polierte, erkannte ich darin sofort eine winzige Biene“, sagte der Forscher dem Tagesspiegel. Das von ihm entdeckte Fossil ist mit rund 100 Millionen Jahren fast doppelt so alt wie alle bis dahin gefundenen Überreste von Honigbienen (siehe Kasten).

Obwohl das jetzt entzifferte Bienen-Genom mit etwa 300 Millionen DNS-Bausteinen nur ein Zehntel so groß ist wie das des Menschen, ähnelt das Erbgut der Honigbiene unseren Genen mehr als das anderer Insekten. Biologen glauben, das könnte mit der sozialen Lebensweise von Mensch und Biene zusammenhängen.

Bienen pflanzen sich – genau wie der Mensch – sexuell fort. Das hat den Vorteil, dass sich das Erbgut bei der Weitergabe von einer Generation zu nächsten immer wieder durchmischt und neu kombiniert. Nur so können Erbschäden korrigiert werden und durch Selektion aus dem Fortpflanzungskreislauf verschwinden. Doch die Bienenvölker haben im Vergleich zum Menschen ein Problem: Weil alle Arbeiterinnen Töchter der Königin und somit Geschwister sind, ähnelt sich ihr Erbgut stark. Außerdem ist die Nachkommenschaft von Bienen recht klein, da die Arbeiterinnen sich nicht fortpflanzen. Eine zu geringe Auswahl an Genen in einer Population (Genpool) kann aber gefährlich sein: Denn hätten alle Bienen in einem Volk identische Gene, könnten Parasiten sich daran anpassen und die Kolonie mit einem Schlag ausrotten.

Martin Beye und seine Kollegen von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf haben jetzt herausgefunden, wie die Bienen diesem Problem begegnen: Nämlich durch eine besonders hohe Rekombinationsrate. Die Gene der Honigbienen durchmischen sich schneller als bei jedem bisher untersuchten Tier. „Das erhöht die genetische Vielfalt im Bienenvolk“, schreiben die Forscher im Fachblatt „Genome Research“ (Band 16, Seite 1344). So können sich Bienen eines Volkes trotz ihrer engen Verwandtschaft schnell auf bestimmte Aufgaben im Staat spezialisieren und sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen.

Obwohl der Mensch sich seit etwa 9000 Jahren mit Bienen beschäftigt, geben sie Forschern auch nach der Entschlüsselung des Genoms weiterhin Rätsel auf. Denn die Funktion jedes einzelnen der 10 000 Gene ist noch lange nicht erforscht. Der Zoologe Edward Wilson von der Havard-Universität in Cambridge hofft, dass das Bienen-Erbgut Aufschluss darüber geben wird, wie sich soziale Lebensformen bei Insekten – und letztlich auch beim Menschen – entwickeln konnten. Außerdem könnte jetzt endlich das Geheimnis gelüftet werden, warum Bienen scheinbar hochintelligent sind. Sie merken sich den Weg zu einer Blüte anhand von markanten Punkten in der Landschaft. Mit einem komplizierten Tanz erklären sie den anderen Bienen im Stock später den Weg zur Nahrungsquelle. Außerdem produziert die Königin einen Duftstoff (Pheromon), der bei den Arbeiterinnen die Entwicklung der Eierstöcke hemmt. Wenn sie sich fortpflanzen will, legt die Königin unbefruchtete Eier, aus denen die männlichen Bienen (Drohnen) schlüpfen.

Dass Bienen all das trotz ihres „Fliegenhirns“ können, lässt nur einen Schluss zu: Die meisten der komplexen Verhaltensweisen dieser Tiere müssen genetisch programmiert sein.

Dagny Lüdemann

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