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Gesundheit: Astronomie: Eine Galaxie zum Frühstück

Wir leben in einem kleinen galaktischen Dorf. Das ist keineswegs ein Nachteil, denn hier sind wir wer.

Wir leben in einem kleinen galaktischen Dorf. Das ist keineswegs ein Nachteil, denn hier sind wir wer. Unsere Zuhause gilt neuerdings als das stattlichste im Dorf. So erscheint es auch uns, wenn wir in klaren Nächten das schimmernde Band der Milchstraße betrachten: eine Galaxie aus Gas und Abermilliarden Sternen, von denen einer unsere Sonne ist.

Kaum eine Galaxie in unserer Nachbarschaft erreicht eine derartige Sternenfülle wie unsere Milchstraße. Lediglich die Andromedagalaxie kann sich mit ihr messen. "Ich habe zu meinen Studienzeiten noch gelernt, die Andromedagalaxie sei größer als die Milchstraße", sagt Klaus Meisenheimer, Leiter der Arbeitsgruppe für extragalaktische Forschung am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Neue Beobachtungen im vergangenen Jahr hätten jedoch zu einem anderen Resultat geführt. Demnach birgt die Andromedagalaxie möglicherweise nur 1,2 Billionen Sonnenmassen, während es in der Milchstraße 1,9 Billionen Sonnenmassen sind.

Die Schätzung ist allerdings sehr grob. Forscher haben die gigantischen Massen aus der Bewegung diverser Satellitengalaxien oder Kugelsternhaufen ermittelt, die um die Milchstraße und die Andromedagalaxie kreisen - eine komplizierte Dynamik. Sie resultiert daraus, dass beide ein weites Schwerkraft-Revier und eine eigene Anhängerschaft habe (siehe Grafik).

Mit diesen Begleitern wäre das galaktische Dorf, die "Lokale Gruppe", aber auch schon komplett: die Milchstraße mit rund zehn Satelliten und in einigem Abstand davon die Andromedagalaxie, ebenfalls von etwa zehn Galaxien umgeben. Dazwischen ist nichts. Und drumherum ist, abgesehen von ein paar Einzelgängern, auch nur Ödnis.

Für unseren Erkenntnishorizont spielt die Andromedagalaxie als nächster großer Nachbar eine herausragende Rolle. Denn wir sind Teil der Milchstraße. Wie in einem dichten Wald versperren uns Sterne und Staub die Sicht auf viele Regionen. Die Andromedagalaxie und ihre Umgebung dagegen können wir von außen, als Ganzes, betrachten. Sie steht für uns Modell und ermöglicht es uns, Abläufe in unserer eigenen Galaxie zu verstehen.

Wie Andromeda, so ist vermutlich auch die Milchstraße eine Spiralgalaxie. Bei genauerem Blick stellt man fest, dass Gas und Sterne in den Spiralarmen der Andromedagalaxie nicht ganz regelmäßig angeordnet sind. Anhand von Computersimulationen lassen sich diese Unregelmäßigkeiten erklären: Die Andromedagalaxie ist vermutlich vor nicht allzu langer Zeit mit einer kleinen Galaxie kollidiert und hat sich diese einverleibt. Es gibt zudem eine erkennbare Wechselwirkung von Andromeda mit der hell leuchtenden, elliptischen Galaxie M 32. Letztere hat wohl schon etliche Sterne an die Andromedagalaxie verloren, die nun in deren Umgebung (Halo) zu sehen sind.

Eine Zwerggalaxie wird zerpflückt

Andromeda scheint ihre Trabanten nach und nach zu verspeisen. Die Milchstraße ist wohl ähnlich gefräßig. Roberto Ibata, ehemals Mitarbeiter am Heidelberger Max-Planck-Institut, beobachtete vor wenigen Jahren eine bis dato unbekannte Zwerggalaxie im Sternbild Schütze. Sie läuft durch unsere Milchstraße und wird auf ihrer engen Bahn Stück für Stück von deren Schwerkraftwirkung auseinandergerissen.

"Sie zieht einen Schwanz von Sternen hinter sich her", sagt Meisenheimer. Dieser Ring reiche rund um unsere Galaxis, weil die Zwerggalaxie bereits mehrere Umläufe hinter sich habe. "In ein paar Milliarden Jahren wird sie ganz verschwunden sein."

Die beiden Magellanschen Wolken, zwei weitere nahe Begleiter der Milchstraße, erwartet ein ähnliches Schicksal. Nur weil die Schwerkraft so rasch mit der Entfernung abnimmt und - entgegen der Bezeichnung - eine eher schwache Anziehungskraft ist, wächst die Milchstraße so langsam: in Zeiträumen von Milliarden Jahren.

Wie viele kleinere Galaxien ihr in der Vergangenheit bereits zum Opfer gefallen sind, lässt sich schwer sagen. Simon White vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching hat möglicherweise Überreste einstiger Galaxien in der Scheibe der Milchstraße entdeckt. Doch solche losen Sternengrüppchen in der dichten Milchstraße anhand ihrer gemeinsamen Bewegung auszumachen, ist heikel. Im dunkleren Halo, der die Milchstraße umgibt, sind sie dagegen leichter aufzuspüren. Manche Forscher glauben bereits, der gesamte Halo könnte ein Ansammlung aus Sternen sein, die die Milchstraße nach und nach an sich gerissen hat.

Trotz alledem kann unsere Milchstraße nicht als besonderer Anziehungspunkt im Kosmos gelten. Sie wird es selbst dann noch nicht sein, wenn sich in rund drei Milliarden Jahren mit der Andromedagalaxie vereint haben wird. Beide nähern sich langsam aber sicher einander an.

Anderswo im All ist allerdings schon jetzt viel mehr los als bei uns. Im Virgohaufen zum Beispiel tummeln sich etwa 200 stark leuchtende Galaxien, die an ihren Nachbarn ziehen und zerren. Wegen ihrer chaotischen Bewegung, kommt es dort viel häufiger zu frontalen Zusammenstößen. Mit den Jahrmilliarden entsteht so im Virgohaufen vermutlich ein galaktischer Koloss ungeheuren Ausmaßes. Wer hat, dem wird gegeben.

Der Virgohaufen ist auch überregional eine Attraktion. Selbst unsere Milchstraße bewegt sich langsam auf ihn zu. Sie ist allerdings rund 60 Millionen Lichtjahre vom ihm entfernt: Wenn wir zu Virgo hinüberschauen, hat der Lichtstrahl, der unser Auge trifft, eine Reise von 60 Millionen Jahren hinter sich.

Eine weite Strecke. Und im Vergleich zu Virgo ist die Milchstraße eher eine Randerscheinung. Beide liegen in einem kosmischen "Supercluster" aus rund 100 Galaxienhaufen, die Milchstraße allerdings, wie gesagt, in einer eher galaxienarmen Ecke.

Alles Käse

Dass die Milchstraße nur wenige direkte Nachbarn hat, ist nichts Ungewöhnliches. Die Galaxien sind im All unregelmäßig verteilt und bilden ein wabenartiges Muster, wie Astronomen in den vergangenen Jahren bei systematischen Himmelsdurchmusterungen herausgefunden haben. Sie liegen auf Fäden, an deren Knoten es zu Verdichtungen kommt, zu Galaxienhaufen wie Virgo oder dem noch gewaltigeren Comahaufen. Die Fäden selbst umschließen riesige Leerräume. Daher erscheint ein Superhaufen von außen betrachtet als eine Art Schweizer Käse.

Die Milchstraße hat sich darin mit nur etwa 20 Galaxien zu einem dünnen Käse-Eckchen verbunden. Ein kleines galaktisches Dorf, in dem sie nicht nur einen besonderen Platz, sondern auch viel länger Bestand haben wird, als die Großstädter anderswo.

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