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Gesundheit: Autonomie und Abschied

Gibt es ein Recht auf einen würdigen Tod?

„Würden Sie sich eine Suizid-Pille in die Schublade Ihres Nachttisches legen?“ Eine ziemlich heftige Frage. Und sie kam noch dazu so plötzlich, dass nur eine Minderheit der Anwesenden sich zu einer Antwort in der Lage sah. Auf die Frage „Befürworten Sie die aktive Sterbehilfe?“ waren zuvor weit mehr Arme in die Höhe gegangen. Zur Abstimmung hatte man die Zuhörer gebeten, die sich am Montagabend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zum 18. „Zeit“-Forum der Wissenschaften eingefunden hatten. Das Thema der Podiumsdiskussion: „Palliativmedizin: Das Recht auf einen würdigen Tod.“

Wie problematisch Umfragen zum Thema aktive Sterbehilfe sind, hatten in den letzten Wochen höchst unterschiedliche Ergebnisse gezeigt: In einer vom „Stern“ veröffentlichten Umfrage hatten sich 78 Prozent dafür ausgesprochen, sie zu erlauben, die Deutsche Hospizhilfe kam dagegen zum Ergebnis, dass allenfalls eine Minderheit eine solche Legalisierung wünsche. Nur eines steht fest: Seit die Schweizer Organisation „Dignitas“ in Hannover eine Niederlassung gründete und der Hamburger Justizsenator sich dafür aussprach, die aktive Sterbehilfe zu legalisieren, ist das Thema wieder auf der Tagesordnung.

Nicht durch die Hand eines anderen, sondern „an der Hand eines anderen“ solle der Mensch sterben, hatte Bundespräsident Horst Köhler vor einigen Tagen bei einer Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz gesagt. Zugleich forderte Köhler klare gesetzliche Regelungen zur Wirksamkeit von Patientenverfügungen. Jeder Mensch müsse in jeder Phase seines Lebens das Recht haben, selbst zu entscheiden, welchen lebensverlängernden Maßnahmen er sich unterziehe.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte den Entwurf eines Gesetzes, mit dem in diesem Sinne ausdrücklich die Patientenautonomie gestärkt werden sollte, Anfang 2005 nach heftiger Kritik zurückgezogen. Rund sieben Millionen Bundesbürger sollen in einem solchen „Testament“ festgehalten haben, wie sie behandelt werden wollen, wenn sie einmal ihren Willen nicht mehr zum Ausdruck bringen können.

Auf dem Podium beantwortete Rob Jonquière, Vorsitzender der Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende, die Frage mit einem klaren Ja. Seine Gesprächspartner, allesamt Mediziner, hoben eine andere Form der schriftlichen Willensäußerung hervor. Sie alle haben eine Vollmacht ausgestellt, im Falle eines Falles soll ein naher Angehöriger, der ihre Ansichten gut kennt, als „Bevollmächtigter“ für sie sprechen.

Wolfgang Wodarg, Sprecher der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Bundestages, ist skeptisch, was die Vorwegnahme der eigenen Wünsche in gesunden Tagen betrifft. Wenn Kranke sie verfassen, sei das anders: „Dann hat eine Verfügung größeren Wert für alle Beteiligten.“

Auch Lukas Radbruch, Palliativmediziner an der Aachener Uniklinik, hält es kaum für möglich, eine Patientenverfügung so abzufassen, dass sie Anweisungen für alle Situationen enthält. Trotzdem könne sie aber im konkreten Fall wichtig werden, „als Anhaltspunkt für die Grundsätze“. Der Berliner Psychiatrieprofessor Hanfried Helmchen ergänzte: „Wesentlich an Patientenverfügungen ist, dass die Menschen sich mit ihrer Endlichkeit beschäftigen müssen, wenn sie sie abfassen.“

Eckhard Nagel, Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswesen der Uni Bayreuth, warnte: „Man sollte Patientenverfügungen nicht entwerten mit der Forderung, dass alles detailliert darin stehen müsse.“ Als Möglichkeiten der Willensäußerung für Lebenslagen, vor deren Eintreten sich heute die meisten Menschen fürchten, bleiben sie wichtig. Nagel ist Mitglied des Nationalen Ethikrates, der sich im Juni dafür ausgesprochen hatte, dass für Ärzte und Pflegepersonal als verbindlich gelten sollte, was in einer solchen Verfügung steht. Die Zuversicht, dass es respektiert wird, kann einen Teil der Angst nehmen – den, der Apparatemedizin am Lebensende bewusstlos ausgeliefert zu sein.

Bleibt die Angst, die sich umgekehrt mit dem bewussten Erleben des Sterbens verbindet. Palliativmediziner widmen sich der Aufgabe, in der letzten Lebensphase Schmerzen zu bekämpfen und Leiden zu lindern. Trotzdem kommt auch auf einer Palliativstation die Frage nach der aktiven Sterbehilfe immer wieder auf. „Bisher haben wir aber gemeinsam immer einen guten anderen Weg gefunden“, versicherte der Palliativmediziner Radbruch.

Adelheid Müller-Lissner

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