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Gesundheit: „Bei Bologna geht es vor allem ums Sparen“

Hartmut Schiedermair erklärt, warum viele Professoren Bachelor-Studiengängen skeptisch gegenüberstehen

GRENZENLOS STUDIEREN – DAS GROSSE TREFFEN DER BILDUNGSMINISTER IN BERLIN

Herr Schiedermair, gehören die deutschen Professoren zu den Beschleunigern oder zu den Bremsern des BolognaProzesses?

Wir würden ganz sicher zu den Beschleunigern gehören, wenn der Bologna-Prozess in die richtige Richtung liefe. Darüber, dass es mehr Freizügigkeit geben muss, sind sich alle einig. Aber den Weg, der jetzt eingeschlagen wird, sehe ich sehr kritisch. Wir wollen keine Uniformität der Systeme von Portugal bis nach Russland, sondern eine stärkere Differenzierung. Die nationalen Systeme müssen ihre besonderen Stärken zur Geltung bringen können.

Die jetzigen Systeme der Länder sind kaum kompatibel. Wie soll da der internationale Austausch verbessert werden?

Es gibt sehr gute Erfahrungen mit der Durchlässigkeit. Die Hochschulen in Europa kooperieren miteinander. In meiner Vorlesung sitzen Italiener oder Franzosen und machen Scheine. Die Politiker müssen uns nur die Freiheit lassen, weitere Türen zu öffnen.

Gibt die Reform den Deutschen nicht auch die Chance, endlich mit den Mängeln ihrer Hochschulen aufzuräumen, den langen Studienzeiten, den vielen Abbrechern und der Praxisferne?

Nein. Die Politik will mit dem Bachelor ein kostengünstiges Studium schaffen, das die Studentenmassen gut bewältigen kann. Die Qualität bleibt aber auf der Strecke. Die Zeche werden die Studierenden zahlen, nicht die Professoren.

Der Bachelor soll den Studenten ja aber gerade eine bessere Betreuung bieten als bislang.

Wer soll das machen? Immer weniger Professoren sollen immer mehr Studenten unterrichten, und dann versprechen die Politiker noch bessere Qualität. Bologna ist vor allem ein Vorwand zum Sparen.

Bestünde nicht der Vorteil darin, dass die Absolventen dank der neuen Studiengänge schneller und besser vorbereitet in den Beruf gehen könnten?

Die Unis sind für solche Aufgaben nicht der richtige Ort. Sie sind Wissenschaftseinrichtungen und dürfen nicht für fremde Ansprüche benutzt werden. Aber natürlich hängt es auch von der Fachkultur ab, ob der Bachelor Sinn macht. Man kann ihn etwa in den Geisteswissenschaften einführen, wenn man es denn will. Aber die Juristen und Mediziner werden sich leidenschaftlich wehren. In naturwissenschaftlich-technischen Fächern hat das deutsche Diplom ein hohes Ansehen. Muss denn in Deutschland immer alles so schrecklich vereinheitlicht werden?

Sie sind dagegen, das System flächendeckend auf Master und Bachelor umzustellen. Würden unter solchen Umständen die Abiturienten nicht wie Versuchspersonen in Bachelor-Studiengänge geschickt werden? Hinterher könnten sie feststellen, dass auf dem deutschen Arbeitsmarkt doch nur der Magister oder das Diplom Erfolg haben.

Das ist auch eine von uns gehegte Sorge. Die Arbeitgeber schweigen ja. Der Bachelor soll berufsqualifizierend sein. Aber ich habe noch nicht gehört, dass der öffentliche Dienst bereit wäre, Bachelor in den höheren Dienst aufzunehmen.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Europa den Wettbewerb mit den USA auf dem internationalen Bildungsmarkt verliert, wenn es bei so vielen unterschiedlichen, für Außenstehende unübersichtlichen Systemen bleibt?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass das deutsche System mit seinen Abschlüssen eine hervorragende Qualität hat.

Sie haben einmal gesagt, bei den Bezeichnungen der Abschlüsse müssten die gleichen Gesetze wie beim Rindfleisch gelten. Aus dem Abschlussgrad müsse hervorgehen, ob jemand an einer Fachhochschule oder an einer Universität studiert hat und auch an welcher. Warum ist das so wichtig?

Leider führt die Einführung von Bachelor und Master auch dazu, dass die Unterschiede zwischen Fachhochschulen und Universitäten eingeebnet werden. Wenn man den Abschlüssen Hochschulart und -ort hinzufügt, entspricht das dem Prinzip der Firmenwahrheit. Jeder soll sehen können, wo jemand herkommt. Das wäre auch für die alten Abschlüsse sinnvoll.

Welche Rolle kann die Habilitation im europäischen Hochschulraum spielen?

Die Habilitation war in Europa nie gefährdet. Andere Länder haben zumindest vergleichbare Verfahren, Spanien hat die Habilitation gerade eingeführt. Allerdings hängt es auch von den Fachkulturen ab, ob die Habilitation nötig ist oder nicht. Dort, wo sie jetzt eine wichtige Rolle spielt, wird es auch so bleiben.

Glauben Sie, dass sich der Bologna-Prozess noch aufhalten lässt?

Es wird nicht zur Uniformierung kommen, trotz aller Bekenntnisse, die wir jetzt wieder von den Politikern hören werden. Das ist doch meistens so bei internationalen Konferenzen. Man verständigt sich auf etwas, und wenn man dann zu Hause ist, beharrt man doch auf seinen Eigenheiten. Das ist aber auch nicht so schlimm, wenn der Prozess trotzdem richtig läuft. Dafür sind persönliche Kontakte entscheidend, die aus den Hochschulen kommen. Die internationalen Kontakte werden doch schließlich von den Hochschulen selbst gestaltet und der Einfluss, den Politik hier ausübt, ist sowieso nur begrenzt.

Das Gespräch führte Anja Kühne

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