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Gesundheit: Berlins Unis verspielen ihr Potenzial

Durch Konkurrenz gehen Fördergelder verloren

Berlin hat zwei große Einschnitte erlebt: die Abwanderung der Industrie aus den Westsektoren nach der Blockade und den Zusammenbruch der Industrie im Ostteil der Stadt nach der Wiedervereinigung. Die Hoffnungen der Wirtschaft beruhen jetzt darauf, dass durch Forschung und Innovation neue Arbeitsplätze in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich entstehen. Doch es genügt nicht, diese Hoffnung auszusprechen, es müssen auch die entsprechenden politischen Konsequenzen gezogen werden.

Um diese Fragen dreht es sich bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen, die diesmal in den Räumen von DaimlerChrysler stattfanden. Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, zeichnete zunächst ein positives Bild: In den letzten 15 Jahren habe es eine „beispiellose Aufholjagd“ gegeben, für die Technologieparks wie Adlershof und Golm bei Potsdam, aber auch Berlin-Buch in der molekularen Medizin und der biomedizinische Campus um die Freie Universität in Dahlem stünden.

Auf der anderen Seite fehle der Region Berlin-Brandenburg aber eine abgestimmte Hochschulplanung, die von Potsdam über das Zentrum Berlin bis nach Frankfurt/Oder und Cottbus reiche, kritisierte. Ein Beispiel: Statt mit Hochschulen der Region zu kooperieren, habe die Freie Universität zusammen mit der Universität München ein gemeinsames Büro in New York gegründet.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Generalsekretär der Volkswagenstiftung Wilhelm Krull. Der Konkurrenzkampf zwischen Humboldt-Universität und Freier Universität habe dazu geführt, dass mehrere getrennte Anträge bei der VW-Stiftung auf Förderung neuer Studiengänge abgelehnt werden mussten, weil jede Universität für sich allein die für Studiengänge notwendige kritische Masse nicht aufgebracht habe.

Krull sieht die Chancen für die Region Berlin-Brandenburg durchaus positiv, wenn man kooperiere und nicht gegeneinander arbeite. Wenn eine Region im Ausland mit einem wissenschaftlichen Schwerpunkt sichtbar werden wolle, müsse sie über ein Potenzial von 50 bis 60 Wissenschaftlern verfügen, die an einem Thema arbeiten. In der Region Berlin-Brandenburg könne man solche Potenziale zum Beispiel in den Lebenswissenschaften finden (Charité und Max-Delbrück-Centrum) sowie in den Geowissenschaften mit ihren Forschungsinstituten im Umkreis von Potsdam.

Günter Stock beklagte, dass Berlin in der Hochschulgesetzgebung schon längst die Führungsrolle verloren habe. Es stelle sich die Frage, wie Berlin und Brandenburg in der neuen Legislaturperiode an einem gemeinsamen Hochschulgesetz arbeiten könnten. Dazu müssten sich beide Länder zuvor auf folgende Punkte verständigen: Berlin dürfe nicht mit Rücksicht auf die Linkspartei die Viertelparität in den Gremien verlangen und sollte mit Unterstützung von Brandenburg Studiengebühren akzeptieren. Die Länder könnten sich auch auf die gemeinsame Veranstaltung von Kongressen verständigen.

Angesichts des bevorstehenden Studentenansturms biete sich für die Region die Chance, sich in der Ausbildung der Studenten zu profilieren, weil auf den Studentenandrang unmittelbar ein gigantischer Mangel an qualifizierten Kräften folgen werde. Stock regte an, dass sich die Präsidenten und Rektoren der Berlin-Brandenburgischen Hochschulen unter Moderation der Wissenschaftsminister zu regelmäßigen Strategieberatungen treffen sollten.

Der Berliner Staatssekretär Gerhard Husung äußerte die Hoffnung, dass Brandenburg zur Bewältigung des Studentenandrangs Kapazitäten bereitstellen könnte, um dem mit Studenten überfüllten Berlin zu helfen. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) bezeichnete die Ausstattung Berlins und Brandenburgs mit Studienplätzen als durchschnittlich und machte ein Mehrangebot von erheblichen Investitionen abhängig. Dass sich die Länder in dieser Frage auf einen finanziellen Vorteilsausgleich verständigen könnten, bezweifelte Wanka. Ebenso skeptisch beurteilte sie die Aussichten, dass sich die Parlamente beider Länder in ideologisch belasteten Fragen der Hochschulgesetzgebung einigen könnten.

Uwe Schlicht

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