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Gesundheit: Bundesländer engagieren sich mit unterschiedlichen Angeboten für das Fach Wirtschaft an den Schulen

Wie kommt die Wirtschaft in die Schule? Diese Frage stellt sich das Institut der Deutschen Wirtschaft seit langem.

Wie kommt die Wirtschaft in die Schule? Diese Frage stellt sich das Institut der Deutschen Wirtschaft seit langem. Führung im Unternehmen, Marketing und Tarifpolitik - von solchen Themen müssten Schüler und Lehrer eigentlich rechtzeitig etwas erfahren. Obwohl sich die Altersgruppe der Teenies schon eng im Griff von Werbewirtschaft und Marketing befindet, ahnen Schüler nur wenig von den Mechanismen des Kapitalismus. Der Lehrplan an deutschen Schulen sieht das eigenständige Fach Wirtschaft nicht vor. Das soll sich ändern. Wirtschaftsinstitute und Stiftungen arbeiten mit Verbänden und Unternehmen an Projekten, um die Schüler der oberen Jahrgangsstufen mit dem Wirtschaftsdenken vertraut zu machen.

"Heranwachsende erleben Wirtschaft als Konsumenten", sagt Otto Schlecht, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, "das berücksichtigt der Unterricht an unseren Schulen noch zu wenig." Die Stiftung treibt die derzeitige Entwicklung, Wirtschaft zu einem Lern- und Prüffach zu machen, voran.

Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft hat ein Projekt unter dem Titel "Ökonomische Bildung in der Schule" entwickelt. Es ist auf vier Jahre angelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. An 84 Schulen sollen Schüler ab dem Jahr 2000 über wirtschaftliche Handlungen urteilen können und darüber hinaus von Jobhuntern gewünschte Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Selbständigkeit und vernetztes Denken erwerben. Schüler wie Lehrer nehmen an Praktika teil, für die Unternehmen noch gewonnen werden müssen. Das Institut wirbt mit einer "Investition in die Zukunft".

Reinhold Weiß vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln besitzt inzwischen einen Überblick über die Angebote. Nach einer Untersuchung in vier Bundesländern kommt er zu dem Schluss: Wirtschaftliche Themen werden nur aspekthaft, aus dem Blickwinkel anderer Disziplinen und ohne inneren Zusammenhang unterrichtet. "Es fehlt ein kontinuierlich und systematisch aufeinander aufbauendes Curriculum mit einem klaren ökonomischen Profil und einem angemessenen Stundenumfang", sagt Weiß. Als durchgehendes Fach in allen Ländern habe sich nur die Arbeitslehre an Hauptschulen etablieren können. Daneben gebe es eine Reihe von landesspezifischen Fächern. Die Wirtschafts- und Rechtslehre in Bayern etwa, das Fach Wirtschafts- und Sozialkunde in Rheinland-Pfalz oder die Sozialwissenschaften in Nordrhein-Westfalen.

Als Vorreiter der Bewegung darf sich das Institut für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg bezeichnen. Dieses hatte schon vor sechs Jahren unter der Leitung von Professor Hans Kaminski Elternbefragungen zum Thema Wirtschaft an Schulen in Oldenburg organisiert. Das Ergebnis: Eltern wünschten sich eine verstärkte Beteilung ihrer Kinder am Wirtschaftsleben und forderten eine Integration des Faches Wirtschaft in den Lehrplan der gymnasialen Oberstufen.

"Es kann doch nicht angehen, dass man sich im Unterricht so wenig mit ökonomischen Inhalten beschäftigt", sagt Kaminski. Anfang 1994 dann wurde ein Konzept entwickelt und am Alten Gymnasium in Oldenburg startete der Unterricht für die ersten Schüler in Wirtschaft. Die Stunden in Sozialwissenschaften wurden durch das Fach Wirtschaft ersetzt. Nachdem dieses Projekt mit Erfolg gestartet war, schickten auch andere Schulen in Oldenburg ihre Schüler zum "Wirtschaften" in das altsprachliche Gymnasium. Das niedersächsische Kultusministerium erteilte die Genehmigung für ein Prüfungsfach Wirtschaft in der Sekundarstufe II. Mittlerweile beteiligen sich zehn weitere Schulen in Niedersachsen an diesem Projekt.

Die Strategie des Oldenburger Instituts setzte sich durch und fand auch in anderen Bundesländern Gefallen. Die Stofffülle der Lehrpläne vor allem in Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt führe jedoch dazu, dass die Lehrer bei knapper Unterrichtszeit das Pensum kaum bewältigen könnten. In Nordrhein Westfalen sei der Unterricht im Fach Arbeitslehre und Sozialwissenschaften zu theoretisch, außerdem weit entfernt von der wirtschaftlichen Realität.

Während Professor Kaminski von einem "ökonomischen Analphabetismus" bei Lehrern und Schülern spricht, weist der Direktor des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums im westfälischen Münster, Hermans, derlei Behauptungen zurück. Direktor Hermans und seine zwei Kolleginnen sehen sich durchaus in der Lage, die Schüler in Wirtschaft zu unterrichten. Zwei Wirtschafts-Klassen mit zwei bis vier Wochenstunden gibt es seit Anfang Februar am Gymnasium. Zwei weitere Stunden bleiben für das Fach Sozialwissenschaften reserviert. Die Schule nimmt freiwillig an einem Vorhaben teil, das von der Bertelsmann-Stiftung ins Leben gerufen wurde und an sieben nordrhein-westfälischen Schulen erprobt wird. Die Bertelsmann-Stiftung wird von Professor Kaminski beraten.

Gewisse Defizite gibt Dorothea FrintropBechthold zu. Sie ist Lehrerin für Sozialwissenschaften und unterrichtet Schüler eines Leistungs- und zweier Grundkurse am Paderborner Pelizaeus Gymnasium, das ebenfalls "Erprobungsschule" des BertelsmannProjektes ist. "In der Kürze der Zeit kann man nicht alle Lehrer auf den gleichen Bildungsstand bringen", sagt Frintrop-Bechthold. Trotz der Projektseminare, die von der Bertelsmann-Stiftung angeboten werden, sei eine tiefere Einarbeitung notwendig.

Bislang gewährte das nordrhein-westfälische Kultusministerium den Schulen einen zu hohen Gestaltungsspielraum, bemängelt das Institut der Deutschen Wirtschaft. Dadurch werde die Auswahl von Themen nahezu beliebig. Im Fach Sozialwissenschaften sehe das dann so aus, dass die drei Teilbereiche Politologie, Ökonomie und Soziologie nur angerissen würden. "Von Wirtschaftsdidaktikern wie auch der Wirtschaft wird daher seit langem die Einführung eines eigenständigen Fachs gefordert", sagt Reinhold Weiß vom Kölner Institut.

Die stärksten Befürworter des Faches Wirtschaft finden sich unter den bayerischen Lehrern für das Fach Wirtschafts- und Rechtslehre. Diese hätten den größten fachlichen Rückhalt und könnten sich am ehesten mit dem Unterrichtsfach identifizieren, sagt Weiß. Austausch von Personal, von Süd nach Nord etwa - wie in der freien Wirtschaft üblich - ist jedoch in der starren Personalverwaltung der Schulwelt nicht möglich. "Versuchen Sie mal, Lehrer aus Bayern einzustellen. Da können Sie eher Lehrer in Afrika werden", sagt Kaminski.

Die von den verschiedenen Instituten entwickelten Unterrichtskonzepte ähneln sich stark. Vor allem die neuen Medien wie das Internet werden darin eingebunden. Aber auch Workshops, Unternehmensplanspiele und der Besuch von Managern in den Schulen sollen die Kreativität der Schüler und auch Lehrer fördern. "Wir wollen keinen Populismus", warnt Kaminski, "nicht die Volksseele soll bedient werden. Wenn es nur ein Happening ist, dann werden hier Erkenntnismöglichkeiten verspielt."

Gudrun Weitzenbürger

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