zum Hauptinhalt

Gesundheit: Collegium Polonicum: Polens Schaufenster an der Grenze

Der Grenzübergang zwischen Frankfurt und dem polnischen Slubice war lange Zeit eine Schmuddelecke. Direkt an der Grenze trieben sich finstere Gestalten herum, in der Erwartung, schnell zu Geld zu kommen.

Der Grenzübergang zwischen Frankfurt und dem polnischen Slubice war lange Zeit eine Schmuddelecke. Direkt an der Grenze trieben sich finstere Gestalten herum, in der Erwartung, schnell zu Geld zu kommen. Heute präsentiert sich das polnische Slubice als Universitätsstadt. Gleich hinter der Grenze steht in grün-weiß-roten Farben der Neubau des "Collegium Polonicum", und wenn die Sonne auf die Fassade fällt, reflektieren Glas und Metall das Licht. Das Collegium Polonicum soll wie ein Leuchtturm die Botschaft nach Deutschland senden, dass gleich hinter der Grenze nicht nur das agrarische Polen beginnt, sondern auch Polens Kultur und Wissenschaft.

Das Collegium ist ein Außenstandort der Adam Mickiewicz Universität in Poznan, die mit 39 000 Studenten zu den größten des Landes gehört. Dagegen nehmen sich das Collegium Polonicum mit zurzeit 850 Studenten oder die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder mit 3800 Studenten klein und überschaubar aus. Aber die Augen der Politiker und der Wissenschaftler richten sich auf die Viadrina und das Collegium Polonicum - weil beide Hochschulen an der Oder den Brückenschlag zwischen zwei einst verfeindeten Nationen symbolisieren, die heute in Europa zusammenarbeiten. Von Richard von Weizsäcker über Roman Herzog bis jetzt zu Johannes Rau - die deutschen Bundespräsidenten gehen den Weg von der Viadrina zum Collegium Polonicum und zurück und die polnischen Ministerpräsidenten sowie der Staatspräsident Aleksander Kwasniewski sind ebenso häufig gesehene Gäste.

Das Collegium in Slubice wird von den Polen sowie den Deutschen für grenzüberschreitende Kongresse mit Blick auf die EU genutzt. Damit ist das Collegium mehr als nur die Außenstelle einer Universität. Kein Wunder, dass die Polen weder Aufwand noch Kosten scheuen, um sich entsprechend in Szene zu setzen.

In dem jetzt fertig gestellten letzten Bauabschnitt geht es vor allem um drei Komplexe: das Auditorium Maximum, das über 450 Plätze verfügt, einen kleinen Hörsaal mit 120 Plätzen sowie einen Bibliotheksbau, der besonders anspruchsvoll gestaltet ist und es mit der in einem ganz anderen Stil gestalteten Bibliothek der Viadrina aufnehmen kann. Die Bibliothek der Viadrina liegt versteckt im überdachten Innenhof des Altbaus, die Bibliothek des Collegiums Polonicum überragt als höchstes Gebäude die Umgebung und ist der dominierende Bau direkt an der großen Einfallsstraße nach Polen.

Architektonisch standen die Polen vor keiner einfachen Lösung: Denn mitten durch das Gelände des Collegium Polonicum führt diese belebte Straße. Deshalb wurde eine Stahl-Glasbrücke über die Straße gespannt - sie verbindet jetzt den Hörsaalkomplex des Collegium mit der Bibliothek, die ihre Hauptfenster übrigens zur Oder hat und damit die alten Kirch- und Rathaustürme von Frankfurt an der Oder dekorativ ins Blickfeld rückt. Die hellen Leseräume sind so gestaltet, dass die Wissenschaftler und 850 Studenten des Collegium einen angenehmen Arbeitsplatz vorfinden.

Einziges Manko: Die Vorlesungsräume im letzten Bauabschnitt haben nach außen keine Fenster, aber in das Auditorium maximum fällt wenigstens durch eine Glaspyramide auf dem Dach das Tageslicht. Natürlich sind die Veranstaltungsräume mit modernster Technik für die Mediennutzung versehen und verfügen über Dolmetscherkabinen für die Simultanübersetzung.

Nach wie vor ist das Collegium Polonicum mit der Viadrina über eine Richtfunkanlage verbunden. Was zuerst ein Notbehelf war, um überhaupt grenzüberschreitende Telefonverbindungen zu eröffnen, ist inzwischen auf einem so modernen Stand, dass gleichzeitig in der Viadrina und im Collegium Polonicum Videokonferenzen und gemeinsame Vorlesungen stattfinden können.

Krzysztof Wojciechowski, der Direktor des Collegiums, nennt Zahlen: Insgesamt flossen über 70 Millionen Mark in den Hochschulbau und mehrere Studentenwohnheime, die von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, der Warschauer Regierung und aus dem Phare-Topf der EU kamen. Die Deutschen bezahlen die Professuren und Mitarbeiter, die im Collegium deutschsprachige Lehrangebote vermitteln.

Noch stammen erst 20 bis 25 Prozent der Studenten aus Deutschland, beklagt Wojciechowski. Für polnische Abiturienten sei es eine Empfehlung, an der Grenze zur Bundesrepublik zu studieren, umgekehrt aber noch nicht. Und Wojciechowski nennt noch ein weiteres Problem: Die polnischen Mitarbeiter - insgesamt gibt es 90 Angestellte - verdienen oft nur einen Teil dessen, was ihre deutschen Kollegen beziehen. Es sei schwer zu verkraften, wenn in einem Zimmer Menschen zusammenarbeiten, von denen einer 400 und der andere 4000 Mark erhält.

Die polnischen Angebote sind auf dem neuesten Stand, den die Europäische Union empfiehlt: Die Studiengänge sind in Bachelor- und Masterabschlüsse unterteilt. Für die einzelnen Abschnitte werden Kreditpunkte vergeben, die bei einem Hochschulwechsel die Anerkennung erleichtern. Die Polen bieten in Slubice auch eine Vermittlungsstelle für Praktika an: Dort können Deutsche, die die polnische Sprache beherrschen, sich zu polnischen Firmen vermitteln lassen. Überhaupt wird die Grenzlage dazu genutzt, dass viele Polen deutsches und europäisches Recht studieren und als Ergänzung dazu in Slubice mit dem polnischen Recht vertraut gemacht werden. Umgekehrt können deutsche Jurastudenten außer dem Staatsexamen auch noch den Magister in polnischem Recht erwerben und bekommen dann ebenfalls Praktika in polnischen Behörden und Ministerien angeboten.

Zurzeit kommen 3,5 Bewerber auf einen Studienplatz am Collegium Polonicum. Die Bewerber müssen sich einer Aufnahmeprüfung unterziehen. Das gilt sowohl für die schon etablierten Bachelor-Studiengänge in Umweltschutz und Politologie, die drei Jahre dauern, als auch für den gerade eingerichteten Masterstudiengang in der Raumwirtschaft mit dem Spezialgebiet Stadtentwicklung, der auf fünf Jahre angelegt ist. Ein Ausbau auf 15 Studiengänge ist geplant.

Uwe Schlicht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false