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Gesundheit: Der Neue ist ein Förderlehrer

Was kommt für Berliner Pädagogen nach dem Bachelorabschluss? Ein Vorschlag, der der Ganztagsschule nützen könnte

Die Ganztagsschule gilt als große Hoffnung der Schulreform in Deutschland. Doch für den Unterricht am Nachmittag müssen die Länder das entsprechend geschulte Lehrpersonal bereitstellen. Und das besteht nicht nur aus Lehrern mit Universitätsabschluss, sondern auch aus engagierten Erziehern und Quereinsteigern, die als Schulassistenten die Lehrer unterstützen. Im Ausland gibt es genügend Beispiele für die positive Rolle solcher zusätzlichen Lehrkräfte im Ganztagsschulbetrieb. Ihr Betätigungsfeld reicht von der Betreuung leistungsschwacher oder behinderter Schüler über die Hausaufgabenhilfe bis zur Aufsicht und Zuarbeiten bei der Unterrichtsplanung.

Es bedurfte erst des Gutachtens des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes des Abgeordnetenhauses, um für den Schuldienst in Berlin neue Perspektiven zu eröffnen. Denn die Umstellung auf Bachelor und Master in Berlin hat sich auf Grund dieses Gutachtens als unzureichend und wenig innovativ erwiesen (wir berichteten). Problematisch ist vor allem jener Satz im neuen Lehrerbildungsgesetz, in dem es heißt: „Die dreijährigen Bachelorstudiengänge führen zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss für bestehende und noch zu entwickelnde Berufsfelder außerhalb des Lehramtes.“ Im Klartext bedeutet das: Mit dem Bachelor allein kann man nicht Lehrer werden. Allerdings hatte der Senat sich schon seit längerem mit dem Gedanken getragen, für Bachelorabsolventen die neue Funktion von Schulassistenten zu schaffen – die aber ausdrücklich außerhalb des Lehramts angesiedelt sein sollte.

Doch dafür müssten erstens neue Stellen geschaffen werden. Zweitens wäre ein völlig neuer Ausbildungsweg zu konzipieren – denn bislang sind nur ein Sechstel der Leistungspunkte im Bachelorstudium für Erziehung und Didaktik vorgesehen. Kaum durchzusetzen dürfte eine Regelung sein, nach der alle Absolventen mit nur durchschnittlichem Bachelorexamen auf die Stellen von Schulassistenten abgeschoben werden sollen.

Der Vizepräsident für Studium und Lehre an der Humboldt-Universität, Heinz-Elmar Tenorth, fordert nun einen völlig neu konzipierten Studiengang – und diesen auch nicht für Schulassistenten, sondern für Förderlehrer. Der Schulassistent wäre aus Tenorths Sicht lediglich ein Erzieher, der in den Ganztagsschulen untergeordnete Arbeiten verrichtet, für die ein Bachelorstudium nicht erforderlich ist. Ganz anders ein Förderlehrer: Er würde dazu benötigt, Lernbehinderte oder leistungsschwache Schüler in gesonderten Kursen besser zu fördern, als das in den großen Klassen möglich ist. Er könnte auch hochbegabte Schüler besonders herausfordern, bei den Hausaufgaben helfen und die Schüler im Umgang mit Computern so anleiten. Dieser BA-Studiengang könnte das zweite Standbein im Angebot neben den polyvalenten Angeboten werden.

Tenorth, der seit Jahren für die Kultusministerkonferenz an der Reform des Schulunterrichts arbeitet, schlägt für den Förderlehrer ein durch und durch eigenständiges Bachelorstudium vor. Statt der Konzentration auf zwei Fächer wie im normalen Lehrerstudium soll sich der künftige Förderlehrer auf ein Fach konzentrieren und statt dessen genügend Zeit gewinnen, sich all die pädagogischen Kompetenzen anzueignen, die für den Förderunterricht erforderlich sind. Das Studium in dem einen Fach – sei es Deutsch, Englisch oder Mathematik – muss vom ersten Semester an mit der Didaktik verbunden werden.

Hinzu kommt: Ein Förderlehrer sollte bei Lernschwierigkeiten eine Lösung finden, die für jeden Schüler anders ausfallen könnte. Diese Diagnosefähigkeit kann ein Student nur erwerben, wenn er sowohl in der Lernpsychologie als auch in der Hirnforschung die erforderlichen Kenntnisse erwirbt. Die 180 Leistungspunkte des Bachelorstudiums, von denen bislang nur ein Sechstel auf Erziehungswissenschaft und Didaktik entfallen, müssten daher völlig neu verteilt werden, meint Tenorth: 80 Punkte für die Kernkompetenz in einem Fach, 60 für Diagnostik, Psychologie und die Organisation von Lernprozessen und 30 für ein halbjähriges Schulpraktikum. 10 Punkte werden für die Bachelorarbeit angerechnet.

Natürlich wird auch ein Förderlehrer mit dem Bachelor in der Tasche nach einigen Jahren Schulpraxis in einem Aufbaustudiengang den Master erwerben können. Mit dem Master besäße er dann die Kompetenz im zweiten Fach. Auf Grund der langen Schulpraxis könnte man den mit dem Master ausgezeichneten Förderlehrer das anschließende Referendariat ersparen. Ob sich Tenorth mit diesem Vorschlag mehr Freunde als Feinde schafft, werden die nächsten Wochen zeigen.

Uwe Schlicht

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