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Gesundheit: Die Galapagosechse baut in "El Niño"-Jahren Knochen ab und verliert bis zu einem Fünftel ihrer Körperlänge

Es gibt fette, und es gibt magere Jahre. Für Amblyrhynchus cristatus, einen marinen Leguan, der auf den Galapagos-Inseln im Pazifik vor Südamerika lebt, sind die fetten Jahre jene, in denen die steinige Küste von Algen überzogen ist.

Es gibt fette, und es gibt magere Jahre. Für Amblyrhynchus cristatus, einen marinen Leguan, der auf den Galapagos-Inseln im Pazifik vor Südamerika lebt, sind die fetten Jahre jene, in denen die steinige Küste von Algen überzogen ist. Vor allem an Rot- und Grünalgen, die von der kühlen Meeresströmung aus dem arktischen Süden an die Inseln herangetragen werden, frisst sich die Galapagosechse satt und gedeiht prächtig.

Alle drei bis sieben Jahre jedoch - in jüngster Zeit auch häufiger - sucht das Klimaphänomen "El Niño" die Galapagos-Inseln heim. Starker Regen und eine warme Strömung lassen die Wassertemperaturen von ansonsten durchschnittlich 18 Grad bis auf maximal 32 Grad Celsius steigen. Viele Landlebewesen auf den Galapagos-Inseln können sich über den Klimaumschwung freuen, die marinen Leguane jedoch nicht. Denn die von ihnen so geliebten Rot- und Grünalgen werden nun von Braunalgen verdrängt, und die kann Amblyrhynchus cristatus nur schwer verdauen. Bis zu 90 Prozent der Leguan-Population kann als Folge eines starken "El Niño" verhungern.

Um ihre Überlebenschancen zu erhöhen, haben sich die pflanzenfressenden Reptilien jedoch in einer für Wirbeltiere wohl einzigartigen Weise an den immer wiederkehrenden Nahrungsmangel angepasst: In "El NinÄo"-Jahren beginnen sie zu schrumpfen.

Das beobachteten die beiden Wissenschaftler Martin Wikelski von der University of Illinois und Corinna Thom von der Universität Würzburg in mehreren zurückliegenden "El Niño"-Phasen auf den Galapagos-Inseln - und dachten zunächst an eine Täuschung. Während des neuesten "El-Niño"-Ereignisses 1997/98 jedoch war dieser Effekt so deutlich, dass sie nicht mehr darüber hinwegsehen konnten.

Je stattlicher die Reptilien ursprünglich waren, desto mehr verloren sie an Gewicht und Länge. Die weiblichen Tiere schrumpften dabei noch stärker als die Männchen. Die größten Leguane wurden innerhalb von zwei Jahren fast sieben Zentimeter kleiner. Das entsprach etwa 20 Prozent ihrer Körperlänge. Als sich das Klima dann wieder änderte und die Tiere in ihrer Umgebung wieder genügend Nahrung fanden, begannen sie wieder zu wachsen. Während zweier Studien, die 18 und acht Jahre lang dauerten, konnten die Forscher auch nachweisen, dass die geschrumpften Reptilien höhere Überlebenschancen als nichtschrumpfende Artgenossen hatten.

Die Wissenschaftler markierten und beobachteten dazu 610 marine Leguane, die mehr als 30 Zentimeter lang waren. Diejenigen unter ihnen, deren Körpermaße im "El Niño"-Jahr 1992/93 am stärksten abnahmen, lebten im Mittel auch erheblich länger als ihre Artgenossen.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Knochen der Tiere ab- und anschließend erneut aufgebaut werden, während die Leguane schrumpfen beziehungsweise wachsen. Wie Wikelski und Thom im Wissenschaftsmagazin "Nature" (Band 403, Seite 37) berichten, ist dies von keinem anderen erwachsenen Wirbeltier her bekannt.

An Astronauten hat man zwar beobachtet, wie Länge und Dichte der Knochen bei langen Aufenthalten im Weltraum abnehmen, ähnlich wie bei Menschen, die an altersbedingter Osteoporose leiden.

Doch eine Umkehrung, die zum erneuten Knochenwachstum führt, kann in solchen Fällen bislang nicht eingeleitet werden. Es könnte nach Ansicht der Forscher daher von großem Nutzen sein, den physiologischen Mechanismus zu studieren, der dem zyklischen Wachstum und Schrumpfen der Leguane zugrundeliegt. Möglicherweise handele es sich um einen hormonell gesteuerten Prozess.

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