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Die „TU 9“ verweigern sich dem Bachelor als Regelabschluss. Nun gibt es Gegenwind

Für die Technischen Universitäten schlägt in den nächsten Monaten die Stunde der Wahrheit. Bis 2010 soll in Europa die Umstellung auf Bachelor und Master abgeschlossen sein. Das gilt auch für die Ingenieurausbildung. Die deutschen Kultusminister haben Bachelor und Master akzeptiert, in Europa wird die Reform unter dem Stichwort „Bologna“ in über 40 Ländern umgesetzt. Zum Kern dieser Reform gehört, dass der Bachelor als erster berufsqualifizierender Abschluss gestaltet werden muss.

Zwar sieht die Föderalismusreform vor, dass der Bund nicht mehr ein komplettes Hochschulrahmengesetz vorgeben darf, sondern nur noch eine Restzuständigkeit für die Zulassungen und Abschlüsse behält. Zulassung und Abschlüsse sind jedoch der Kern der Bologna-Reform. Wenn die Länder mit eigenen Regelungen von den Vorgaben des Bundes abweichen wollen, dann können sie das in Details tun, nicht jedoch bei den Grundsätzen der Bachelor- und Master-Reform.

Das hat jetzt Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) in einem Positionspapier klargestellt. Damit dürfen die großen Technischen Universitäten „TU 9“, die die Reform seit langem in Frage stellen, nicht länger auf die CDU hoffen.

Peter Frankenberg, der die Politik der Wissenschaftsminister der CDU-regierten Länder koordiniert, hält in dem Papier fest: „Die Position der TU 9 widerspricht den Zielen des Bologna-Prozesses mit seinen internationalen Abmachungen, den zehn Thesen der Kultusministerkonferenz sowie den ländergemeinsamen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz von 2003. Der gesamte Bologna-Prozess würde ins Wanken geraten, sollten einzelne Länder nun versuchen, ihre Besonderheiten fortzuführen. . . . Der Bologna-Prozess ist unumkehrbar geworden. . . . Der Bachelor ist der Regelabschluss.“

Frankenberg steht mit dieser harten Position nicht allein da. Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) oder Berlins Staatssekretär Gerhard Husung (SPD) werden ebenfalls keinen Sonderweg für die TUs zulassen, wie sie auf Anfrage sagten.

Die TU 9 sehen im Bachelor nur eine Drehscheibe zum Master. Denn nach einem dreijährigen Bachelorstudium könne das Niveau des Diplom-Ingenieurs nicht erreicht werden, sondern nur nach einem anschließenden Masterstudium und damit nach fünf Jahren. Darauf stellen die Universitäten der TU-9-Gruppe ihre Zulassungspolitik ab.

Allerdings müssen die TU 9 vorher die Hürde der Akkreditierung nehmen. Die Akkreditierung der Studiengänge ersetzt die bisherige staatliche Genehmigung von Studiengängen und ist in den Hochschulgesetzen der Länder vorgeschrieben. Laut Jörg Steinbach, Vizepräsident der TU Berlin, ist noch kein Studiengang nach dem Muster der TU 9 in Deutschland akkreditiert worden. Das liege allerdings auch daran, dass noch längst nicht alle technischen Universitäten auf Bachelor und Master umgestellt haben. Die TU Darmstadt ist am weitesten in der Studienreform. Sie hat alle Studiengänge in den Technik- und Naturwissenschaften auf Bachelor und Master umgestellt. Die TU Berlin will das große Projekt im Jahr 2007 abschließen, die TU Aachen gehört ebenfalls zu den schnellen Ingenieurhochschulen, während die TU Karlsruhe noch keinen Bachelorstudiengang in den Ingenieurwissenschaften zur Akkreditierung angemeldet hat.

Burkhart Rauhut, Rektor der TU Aachen, hat angekündigt, seine Uni werde den Studierenden schon bei der Immatrikulation mitteilen, dass der Master der Regelabschluss sein soll. Dafür habe die Uni vom Ministerium freie Hand erhalten. Das aber weist das Ministerium von sich. Auch Aachen müsse die Regeln der Kultusministerkonferenz akzeptieren, wonach der Bachelor berufsqualifizierend sein müsse, heißt es auf Anfrage: „Diese Bestimmungen sind auch für die Akkreditierungsagenturen bindend.“ Die Akkreditierungsagenturen wiederum unterstehen den Weisungen des bundesweiten Akkreditierungsrats. Dessen Vorsitzender Jürgen Kohler stellt klar: „Der Bachelor muss berufsqualifizierend sein. Wenn eine Technische Universität sagt, der Bachelor allein sei nicht berufsqualifizierend, dann ist dieser Studiengang nicht akkreditierungsfähig. Eine Berufsbefähigung reicht nicht aus.“

In Baden-Württemberg hat der Wissenschaftsminister mit Professoren der Universitäten Ulm und Stuttgart eine Konzeption entwickelt, die den Ingenieuren im Bachelorstudium mehr Zeit geben soll: Das Studium soll nicht sechs, sondern acht Semester dauern, der aufbauende Master muss dann in zwei Semestern erreicht sein. Nach den Rahmenvorgaben darf die Kombination von Bachelor und Master nicht länger als zehn Semester dauern.

Obwohl ein achtsemestriger Bachelor dem Wunsch nach einer gründlichen Ingenieurausbildung eher entgegenkommen könnte als die gängigen Sechs-plus-vier-Lösungen, widerspricht Jörg Steinbach im Namen der TU-9-Gruppe vehement. Die Vorbereitung auf die Forschung im Master sei das „Kerngeschäft“ der Unis: „Wenn nur noch zwei Semester für den Master bleiben, dann ist das zu knapp. Ein einjähriger Master ist nur als Weiterbildungsangebot für Ingenieure sinnvoll.“

In Europa sei in den meisten Ländern die Sechs-plus-vier-Lösung üblich, sagt Steinbach, der auch Vizepräsident der „Europäischen Gesellschaft für Ingenieurausbildung (SEFI)“ mit 400 Mitgliedern ist. Von 2007 an wird Steinbach für zwei Jahre die Präsidentschaft der SEFI übernehmen und kräftig für den Bachelor als „Drehscheibe“ trommeln – ganz im Sinne der TU 9: „Ziel ist es, für die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge ein einheitliches europäisches Akkreditierungssiegel zu kreieren“, sagt Steinbach. Hätten die TU 9 damit Erfolg, diesem Siegel ihre Prägung aufzudrücken, könnten sie die deutschen Kultusminister auf europäischer Ebene ausbremsen und doch noch den Master als Regelabschluss einführen.

Uwe Schlicht

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