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Gewichtheber Matthias Steiner hat allen Grund frustriert zu sein.

© dpa

Dr. Dollas Diagnose (30): Matthias Steiners exotische Verletzung

Gewichtheber Matthias Steiner, 2008 Olympiasieger in Peking, hat sich einen Einriss der Quadrizepssehne im linken Knie zugezogen. Was muss man sich darunter genau vorstellen?

Der "stärkste Mann der Welt" wurde in die Knie gezwungen. Der 29 Jahre alte Gewichtheber Matthias Steiner hat sich vor einigen Tagen einen Einriss der Quadrizepssehne im linken Knie zugezogen. Damit verpasst er die WM  in Paris im November. Mit sensationellen 461 Kilogramm im Zweikampf hatte er bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking Gold gewonnen. Was aber bitte ist eine Quadrizepssehnenruptur?

Hört sich auf jeden Fall komplizierter an, als es ist. Der Quadrizepsmuskel ist der kräftige Muskel auf der Vorderseite des Oberschenkels. Er besteht aus vier Muskeln, die sich kurz oberhalb der Kniescheibe zu einer gemeinsamen Sehne, der Quadrizepssehne, vereinigen.

Die Quadrizepssehne reißt bei Anspannung des Muskels in Beugestellung oder bei übermäßiger Streckung gegen Widerstand. Häufige Ursachen sind degenerative Veränderungen der Sehne, die häufig auch bei älteren Menschen auftreten. Weiterhin können wiederholte Mikrotraumata der Sehne oder Spritzen mit Kortison in die Sehne, Ursache eines Sehnenrisses sein. Wie im Fall von Matthias Steiner handelt es sich um eine relativ seltene Verletzung. Unter den herkömmlichen Verletzungen im Muskel- und Sehnenapparat gilt sie fast schon als exotisch.

Bei einer solchen Verletzung kommt es zu einem plötzlich einsetzenden stichartigen Schmerz oberhalb der Kniescheibe. Man kann eine Lücke im Verlauf der Sehne tasten. Das Kniegelenk kann bei hängenden Unterschenkeln nicht aktiv gegen Widerstand gestreckt werden. Die Durchführung eines Ultraschalls oder auch eines MRT (Magnetresonanztomographie) kann die Diagnose bestätigen.

Die Therapie bei einer kompletten Sehnenruptur ist operativ. Da der Riss häufig direkt oberhalb der Kniescheibe auftritt, werden die Sehnenenden zusammengenäht und zusätzlich durch eine Naht unterstützt, die durch kleine Bohrlöcher an der Kniescheibe befestigt wird. Während früher mit einem Oberschenkelgips sehr lange das Kniegelenk ruhig gestellt wurde, wird heute mit einer Orthese (Knieschiene mit Gelenk, womit das Bewegungsausmaß des Kniegelenkes eingestellt werden kann) nachbehandelt.

Dr. Thorsten Dolla schreibt regelmäßig für den Tagesspiegel über Sportverletzungen.
Dr. Thorsten Dolla schreibt regelmäßig für den Tagesspiegel über Sportverletzungen.

© promo

Üblicherweise ist vier Wochen nach der Operation die Beugung im Kniegelenk zunehmend möglich. Nach einem Schema wird dann die weitere zunehmende Beugung im Kniegelenk durch den Operateur vorgegeben.

Für den Behandlungserfolg ist nicht nur die gute chirurgische Versorgung notwendig, sondern auch die sofort nach der Operation einsetzende krankengymnastische Übungstherapie. Trotzdem ist eine Vollbelastung frühestens erst acht bis zwölf Wochen nach der Operation möglich. Im konkreten Fall sollte Steiners Teilnahme an den Olympischen Spielen in London im kommenden Jahr nicht gefährdet sein. Wohl aber sein Gold-Projekt. Wenn man bedenkt, mit welchen Kräften beim Gewichtheben trainiert werden muss, scheinen Spitzenleistungen Steiners wie die von Peking 2008 ausgeschlossen.

Der Berliner Orthopäde Dr. Thorsten Dolla, 47, ist seit vielen Jahren in der Sportmedizin tätig. Er war Mannschaftsarzt bei Hertha BSC, beim 1. FC Union und dem Footballteam Berlin Thunder. Beim ISTAF war er bis 2009 leitender Arzt und ist heute Ringarzt beim Boxen. Für Tagesspiegel.de schreibt er regelmäßig über Sportverletzungen und ihre Folgen.

Aufgezeichnet von Michael Rosentritt

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