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Gesundheit: Drei Nationen – eine Universität

Die Viadrina in Frankfurt (Oder) will als Stiftungshochschule den großen Sprung nach vorn wagen

An öffentlicher Beachtung fehlt es der Viadrina nicht. Sie ist die einzige Universität in Deutschland, deren Studenten zu einem Drittel aus Polen kommen. Staats- und Ministerpräsidenten besuchen regelmäßig die Viadrina in Frankfurt (Oder) und ihr polnisches Gegenstück auf der anderen Flussseite in Slubice, das Collegium Polonium. Trotz dieser internationalen Beachtung macht sich die Viadrina ernsthafte Gedanken über ihre Zukunft. Denn sie ist mit jetzt 4400 Studenten nur eine kleine Universität und bliebe ohne das besondere Profil einer Europaorientierung in Deutschland stets im Schatten der drei großen Berliner Universitäten.

Grünes Licht vom Bundeskanzler

Warum? Die Viadrina hat nur drei Fakultäten: für Recht, Wirtschaftswissenschaften und Kulturwissenschaften. Es fehlt das Geld, um die Viadrina zu einer Volluniversität mit teuren Naturwissenschaften und einer Medizinfakultät auszubauen. Der Versuch, mit Hilfe der Wirtschaft eine Fakultät für Informatik aufzubauen, ist über das Stadium von beschriebenem Papier bislang nicht hinausgekommen. Und für eine Europa-Universität ist die starke polnische Orientierung zwar wichtig, aber nicht ausreichend.

Kein Wunder, dass die umtriebige Präsidentin der Viadrina, Gesine Schwan, ihre vielfältigen Verbindungen nach Polen und Frankreich wie auch in das Bundeskanzleramt ausnutzt, um der Viadrina einen neuen Impuls zu geben. Ziel ist es, sie zu einer trinationalen Stiftungsuniversität auszubauen, getragen von den drei Ländern Deutschland, Frankreich und Polen. Über diese Idee hat bereits Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller gesprochen. Und die brandenburgischen Wissenschaftsministerin, Johanna Wanka, ist von dem Plan ebenso angetan wie die polnische Ministerin für Wissenschaft und Sport, Krystyna Lybacka. Und auch von der französischen Regierung gibt es erste positive Signale.

Auf keinen Fall soll sich damit die Viadrina in eine Privatuniversität verwandeln, denn als Grundstock für die Finanzierung werden nach wie vor die 17 bis 18 Millionen Euro benötigt, die das Land Brandenburg als Staatszuschuss jährlich zahlt. Der Staatszuschuss wurde in diesem Jahr jedoch zurückgefahren, und Brandenburg operiert mit Haushaltssperren. Da die Viadrina nicht die einzige Hochschule des Landes ist, in die Brandenburg sein ganzes Prestige investieren könnte, kann ein weiterer Ausbau ohne das Einwerben von neuem Kapital nicht geplant werden. Der Universitäts-Präsidentin Gesine Schwan schwebt vor, im Idealfall jeweils 15 zusätzliche Professuren aus Frankreich und Polen zu gewinnen und damit die Kapazität der Viadrina um 1000 Studienplätze zu erweitern.

Das würde einen Finanzbedarf von zusätzlich fünf Millionen Euro pro Jahr erfordern. Und da dieser Finanzbedarf auf Dauer angelegt sein muss, benötigt die Viadrina einen Finanzstock als Stiftungskapital von 100 Millionen Euro. Die Zinserträge von jährlich fünf Prozent würden den erweiterten Lehrbetrieb dann dauerhaft sichern. Damit diese Idee gelingen kann, muss Gesine Schwan nicht nur Stiftungen davon überzeugen, dass sie sich mit einer Dotation langfristig engagieren und nicht nur kurzatmig Stiftungsprofessuren für fünf Jahre einrichten. Sie muss auch die französische und die polnische Regierung überzeugen, dass sich ein solches Engagement lohnt.

Frankreich finanziert Professoren

Von der französischen Regierung hat Schwan die Zusage erhalten, dass Frankreich zunächst vier bis fünf Austauschprofessuren finanzieren würde. Von der Bundesregierung ist dann eine finanzielle Hilfe zu erwarten, wenn das Engagement in der Viadrina unter die Zuständigkeit der auswärtigen Kulturpolitik fällt. Denn eine direkte Zuwendung für den Lehrbetrieb an eine Universität ist der Bundesregierung verfassungsrechtlich untersagt.

Dennoch ist Gesine Schwan zuversichtlich, die Konzeption für eine solche Stiftungsuniversität noch vor Jahresende so solide zu unterfüttern, dass der offizielle Startschuss gegeben werden kann. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka wagte immerhin schon den öffentlichen Hinweis auf die Stiftungsidee bei der Einweihung des großzügigen neuen Hörsaal- und Mensagebäudes am Oderufer in dieser Woche.

Strenge Auswahl der Studenten

Gesine Schwan weiß auch schon, was mit den gewünschten 30 Stiftungsprofessuren geschehen soll: Zunächst sollen an jeder der drei Fakultäten zwei Masterstudiengänge eingerichtet werden, deren Anforderungen außerordentlich hoch sind. Sie werden viersprachig angelegt – in Deutsch, Polnisch, Französisch und Englisch. Jeder Student muss außer seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen beherrschen, um akzeptiert zu werden. Das erfordert strenge Auswahlprüfungen. Ob die internationale Stiftungsuniversität für ihre künftigen Bachelor- und Masterstudiengänge auch Studiengebühren erheben wird, ist noch eine offene Frage.

Zur Absicherung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit ist seit Oktober auch das formelle Regierungsabkommen zwischen Deutschland und Polen von der brandenburgischen und der polnischen Wissenschaftsministerin unterschrieben worden. Es sichert den Polen, die mit Hilfe der EU in Slubice das Collegium Polonium errichtet haben, von deutscher Seite die Finanzierung von fünf Professuren und sieben Mitarbeitern für die deutsch-polnischen Studiengänge zu. Nach jahrelanger Kooperation mit den Polen ohne formelles Abkommen haben jetzt die Aufwendungen für das Collegium Polonium eine juristisch gesicherte Basis im Etat der Viadrina. Zwar wurde es kein Staatsvertrag, aber ein Regierungsabkommen ist auch nicht gerade wenig. Das ist eine gute Vertrauensbasis für die weiteren Schritte auf dem Weg zu einer trinationalen Stiftungsuniversität in Frankfurt (Oder).

Uwe Schlicht

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