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Gesundheit: Ein Eismeer auf dem Mars

Packeis, das eine Fläche so groß wie die Nordsee bedeckt – ein völlig unerwartetes Bild vom roten Planeten

Von Rainer Kayser, dpa

Es gibt neue Anhaltspunkte dafür, dass noch heute primitive Lebensformen auf dem Mars existieren könnten. Europäische Forscher haben auf dem roten Planeten vermutlich ein gefrorenes Meer von der Größe der Nordsee entdeckt. Das 800 mal 900 Kilometer Eismeer in der äquatornahen Elysium-Ebene ähnelt verblüffend dem mit Packeis bedeckten Meer der Antarktis. Das zeigen die gestochen scharfen Bilder der in Deutschland entwickelten Kamera an Bord der Raumsonde „Mars Express“.

Mit einem Alter von nur fünf Millionen Jahren ist die Oberfläche in dieser Region, geologisch gesehen, noch sehr jung. Das belegt die geringe Zahl der von Meteoriten verursachten Einschlagskrater auf dem Eismeer. John Murray von der britischen Open University und Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin vermuten, dass vulkanische Aktivität – das Meer liegt unmittelbar neben dem großen Vulkan Albor Tholus – gefrorenes Wasser im Marsboden aufgetaut und freigesetzt hat.

In der Umgebung des Eismeers gibt es zahlreiche Spuren ausgetrockneter Flussläufe. Das Meer ist dann offenbar mehrfach zugefroren und wieder aufgetaut, wobei die Eisschicht zu Schollen auseinander brach. Vulkanasche und Staub lagerte sich in einer dichten Schicht auf dem Eis ab und verhinderte so, dass das Eis in der dünnen Marsatmosphäre verdampfte.

Die Wissenschaftler schätzen anhand teilweise aus dem Eis ragender Kraterränder, dass das Meer im Mittel 45 Meter tief ist. Die gesamte eisbedeckte Ebene ist extrem flach. Nach Ansicht von Murray, Neukum und ihren Kollegen ist dies ein eindeutiges Indiz dafür, dass das Eis unter der Staubschicht noch heute vorhanden ist. Wäre es nämlich verdampft, so hätte die Oberfläche sich abgesenkt und müsste heute die Unebenheiten des Meeresbodens nachzeichnen.

Die Forscher hoffen nun, das Eis mit einem anderen Messgerät an Bord der Raumsonde direkt nachweisen zu können. Dazu soll im Mai erstmals eine 40 Meter große Radarantenne entfaltet werden (siehe Kasten). Sie wird auch einen Blick unter die Oberfläche des roten Planeten erlauben. Die alternative Erklärung, es könne sich bei den Strukturen um erkaltete Lavaschollen handeln, die einst auf einem Magmasee getrieben sind, verwerfen die Forscher. So sind die Schollen in der Elysium-Ebene zehn- bis hundertmal größer als die größten Lavaschollen, die man von der Erde her kennt. Dagegen besitzen sie nahezu die gleiche Größe wie Packeisschollen in der Antarktis. Zudem ist die Oberfläche zwischen den Schollen etwa eine Million Jahre jünger als die Schollen selbst: Magma mit einer Tiefe von 45 Metern kann jedoch nicht länger als rund fünf Jahre flüssig bleiben. Die Beobachtungen deuteten „auf eine extrem bewegliche Flüssigkeit“ hin, so Murray.

Bislang waren Marsforscher davon ausgegangen, dass es nur in der Frühzeit des Mars, vor rund vier Milliarden Jahren, Flüsse und Meere auf dem roten Planeten gegeben hat. Die beiden amerikanischen Roboter Spirit und Opportunity haben seit Anfang 2004 zahlreiche Beweise für solche Wasserflächen aufgespürt. Damals könnte auch auf dem Mars Leben entstanden sein – und vielleicht tief im Marsboden bis heute überdauert haben.

In dieses Bild passen zwei Entdeckungen, die einmal mehr die Zählebigkeit von Bakterien belegen: Der Nasa-Forscher Richard Hoover entdeckte im Permafrostboden Alaskas Bakterien, die 30000 Jahre eingefroren waren – und sich nach dem Auftauen sofort quicklebendig wieder in Bewegung setzten. Und ein Wissenschaftlerteam um Lev Neretin vom Max-Planck-Institut für Meeresbiologie in Bremen stieß in 400 Meter unter dem Meeresboden gelegenen, 16 Millionen Jahre alten Sedimentablagerungen auf lebende Bakterien. „Die Bakterien müssen dort seit Millionen von Jahren überlebt haben“, so Neretin.

Diese Bakterien können ohne Sauerstoff überleben. Sie produzieren als Abfallprodukt ihres Stoffwechsels Methan. Und kürzlich ergaben Messungen mit Hilfe der europäischen Sonde „Mars Express“ eine erhöhte Konzentration eben jenes Gases Methan über der Elysium-Ebene. Alles Zufall?

Hoover spekuliert, unter der Staubschicht könnte durch die Sonnenstrahlung von Zeit zu Zeit das Eis auftauen. „Eine solche feuchte Schicht wäre ideal für mikrobiologische Aktivität“, erklärt der Forscher. Dieses Eismeer erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es noch heute Leben auf dem Mars gibt, ganz enorm.“ Das meint auch Murray: „Die Anwesenheit von flüssigem Wasser an der Oberfläche für viele 100000 Jahre könnte primitiven Lebensformen eine Nische zum Überleben geboten haben.“

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