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Gesundheit: Ein Plädoyer für die Kleinen

Eigentlich ist es ein ganz gewöhnlicher Stuhl, der in der Kunsthochschule Weißensee versteigert wurde. Ein Arbeitsstuhl mit harter Holzlehne auf grauem Stahlgestänge und am Fußboden mit Querstangen ausgestattet, so dass man nicht kippeln kann.

Eigentlich ist es ein ganz gewöhnlicher Stuhl, der in der Kunsthochschule Weißensee versteigert wurde. Ein Arbeitsstuhl mit harter Holzlehne auf grauem Stahlgestänge und am Fußboden mit Querstangen ausgestattet, so dass man nicht kippeln kann. Mart Stam, von 1950 bis 1952 Rektor der Kunsthochschule in Ost-Berlin, hatte ihn entworfen und im Design an Entwürfen aus dem Bauhaus orientiert. Damit war er Formalist, Kosmopolit und beide Haltungen hatten in den Augen der SED etwas mit Amerikanismus und der Versklavung der Welt zu tun. Sozialistischer Realismus war gefragt und als Vorbild der Baukunst galt der Neubau der sowjetischen Botschaft Unter den Linden. Stam fiel in Ungnade, hatte er sich doch an seiner Hochschule um einen kollegialen Geist statt um sozialistische Disziplin bemüht. Vielleicht liegt es an dieser Geschichte, dass Stams Arbeitsstuhl am Ende einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Kunsthochschulen bei der Versteigerung 800 Mark erzielte.

Nach der Wiedervereinigung wurde die Kunsthochschule Weißensee als selbstständige Einrichtung weitergeführt genauso wie die Musikhochschule Hanns Eisler und die Schauspielschule Ernst Busch. Die damals regierende große Koalition setzte mit ihrem Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) bewusst auf die Selbstständigkeit der kleinen Kunsthochschulen als Herausforderung für die große Hochschule der Künste im Westen, die sich mit der Kunst nicht begnügen wollte, sondern dazu die Fusion mit der Wissenschaft erprobte.

Heute wird im Zeichen der Sparsamkeit wieder überlegt, ob man die kleinen Kunsthochschulen, zumindest jedoch die in Weißensee, mit der inzwischen zur Universität avancierten Hochschule der Künste zusammenlegen soll. Wissenschaftssenatorin Adrienne Göhler wünscht als Vorkämpferin für Wettbewerb und Profil, die Selbstständigkeit der kleinen Kunsthochschulen zu erhalten. Auf der Podiumsdiskussion kündigte sie an, dass, sollte sie weiter regieren, nicht nur die Universität der Künste durch einen Hochschulvertrag privilegiert sein sollte, sondern dass auch den kleinen künstlerischen Hochschulen über mehrere Jahre Planungssicherheit geboten werden müsse. Klagen über ständigen Geldmangel hielt sie Hamburger Zahlen entgegen: In Weißensee stehe 450 Studierenden und 37 Professoren ein Jahresetat von 12,2 Millionen Mark zur Verfügung. An der Hamburger Kunsthochschule komme auf 1300 Studenten und 100 Dozenten ein Etat von 18 Millionen Mark.

Das sieht der Weißenseer Rektor, Rainer Ernst, natürlich anders. Allein der Baubedarf der Kunsthochschule beträgt zur Zeit 13,5 Millionen Mark.Natürlich ließ es sich der Moderator der Diskussion, der Mitherausgeber des Tagesspiegels Heik Afheldt, nicht entgehen, nach dem künftigen Zuschnitt des Senatsressorts zu fragen. Adrienne Göhlers Antwort fiel aus, wie zu erwarten war: "Wissenschaft und Kultur gehören zusammen. Wer sagt, dass die beiden Ressorts nichts miteinander zu tun haben, verkündet Unsinn. Ich bin eine erbitterte Gegnerin der Idee, dass Wirtschaft und Wissenschaft in ein Ressort kommen. Dann wird die Wissenschaft auf die Wirtschaftlichkeit reduziert." Indirekt erhielt die Senatorin Unterstützung von dem Intendanten der Deutschen Oper Berlin, Udo Zimmermann. Er erklärte, dass die Künstler nie ein Wirtschaftsfaktor sein würden.

Uwe Schlicht

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