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Gesundheit: Empfindlicher Panzer

Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan. Sie schützt uns vor Gefahren der Außenwelt. Dafür verlangt sie Pflege

Hand in Hand gehen. Wange an Wange tanzen. Lippen auf Lippen spüren. Hautkontakte tun gut. Doch unsere Haut - von samtweich bis lederhart - kann mehr als wohlige Gefühle auslösen. Sie ist Spiegel der Seele und Schutz vor Gefahren aus der Umwelt. Aber manchmal wird es uns in unserer Hülle zu eng, wir möchten „aus der Haut fahren“.

„Die Haut ist ein Grenzorgan“, sagt Gisela Albrecht, Chefärztin für Dermatologie am Krankenhaus Spandau. Unsere Hülle ist eine natürliche Barriere, die Angreifer abhält. Und dort müssen Schutztruppen bereit stehen, um die Gegner, die die Sperren überwinden konnten, bekämpfen zu können. „Die Haut hat eine spezielle Abwehr“, sagt auch Constantin Orfanos, Direktor der Dermatologischen Klinik der Berliner Charité. Außenposten des Immunsystems können eindringende Fremdstoffe unschädlich machen.

Die Grenzfläche zur Außenwelt und dem Körperinnern wird von der Oberhaut gebildet . Sie ist mit einer tiefer gelegenen Bindegewebsschicht verwachsen, die als „Lederhaut“ für mechanische Festigkeit sorgt. Darunter sitzt ein zentimeterdickes Unterhautgewebe, das hauptsächlich Fettzellen enthält. Dieser dreischichtige Aufbau macht die Haut elastisch und widerstandfähig gegen mechanische und chemische Belastungen. Die Hülle schützt vor Regen, Wind und Kälte. Sie bewahrt den Körper vor Austrocknung und trägt dazu bei, dass er sommers wie winters wohltemperiert bei 37 Grad Celsius arbeiten kann. Eine wesentliche Funktion hat dabei der Schweiß, der aus Drüsen der Haut perlt, und mit seiner Verdunstungskälte eine Überhitzung des Körpers verhindert.

Die Haut dient also auch dazu, Abbauprodukte des Stoffwechsels auszuscheiden. Das funktioniert nur effektiv, wenn die Oberfläche groß genug ist. In der Tat nimmt die Haut je nach Körpergröße eineinhalb bis zwei Quadratmeter ein. Damit gilt sie als größtes Organ des Körpers. Insgesamt wiegt sie zehn bis 12 Kilogramm, das macht immerhin etwa ein Siebtel des Körpergewichts aus.

Die „Gigantonomie“ geht allerdings einher mit vergleichsweise geringer Reservekapazität. Wird ein Zehntel der Haut zerstört, kann dies bereits zu einem lebensgefährlichen Verlust an Flüssigkeit, Salzen und Nährstoffen führen. Andere Organe wie Leber, Niere oder Lunge verkraften dagegen einen Verlust in dieser Größenordnung viel besser und funktionieren ohne merkliche Einbuße.

Die Anfälligkeit der Haut zeigt, wie notwendig der Körper seine Hülle braucht, die an den Lidern nur einen Zehntelmillimeter und an den Füßen bis zu einem halben Zentimeter dick ist. Bei kleinen Wunden wächst die Haut von alleine nach. Bei großen chronischen Wunden oder Brandverletzungen helfen oft nur Verpflanzungen. Dabei wird Haut von anderen Körperstellen abgetragen und auf die Wunde gelegt. „Mittlerweile kann man auch künstliche Haut verwenden", sagt Albrecht. Beispielsweise sei es gelungen, Haarwurzelzellen in Kulturen zu transplantierbarer Haut wachsen zu lassen.

Normalerweise müssen Menschen jedoch ein Leben lang mit der eigenen Haut auskommen und sollten deshalb sorgfältig mit ihr umgehen. Bei der Körperpflege werde jedoch oft des Guten zu viel getan, sagt Orfanos. Zu häufiges Waschen zerstöre die natürliche, wasser- und fetthaltige Schutzschicht der Haut. Sie trocknet aus, wird empfindlich und verführt zum Kratzen, das Entzündungen hervorrufen kann. Kein falscher Umgang mit der Haut liegt dagegen juckenden Belastungen bei Neurodermitis oder ästhetischen Problemen durch Schuppenflechte zugrunde. „Diese Hautkrankheiten werden uns in die Wiege gelegt“, sagt Albrecht.

Dagegen weist die Dermatologin Menschen mit sonnengeschädigter Haut eigene Verantwortung zu: „In der Jugend gebräunt, im Alter Backpflaume.“ Etwas Sonne tut der Haut durchaus gut, sie regt die Bildung von Vitamin D an, das den Knochenbau fördert. Dass die Haut dabei braun wird, verdankt sie den Melanozyten. Diese Zellen produzieren einen dunklen Farbstoff, das Melanin, das die Haut vor Strahlung schützen soll. Dies geht jedoch nur bis zu einem bestimmten Maß, je nach Hauttyp unterschiedlich. Auch Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor kann nur begrenzte Zeit schützen.

Übertriebenes Sonnenbaden lässt die Haut vorzeitig altern, sie wird faltig und dünn. Schlimmer noch ist die Krebsgefahr. Denn die energiereichen ultravioletten Strahlen der Sonne dringen tief in die Haut ein und schädigen das Erbgut der Zellen. Diese besitzen zwar eine Art Reparaturwerkstatt. Doch manchmal reicht die Kapazität nicht aus. Die Zellen können entarten und zum Ausgangspunkt von Hautkrebs werden. Statistiken sagen, die Tendenz nimmt zu.

Ebenfalls steigende Zahlen melden die Hausärzte bei Allergien. „Die Haut ist der Ort, an dem die Freund-Feind-Erkennung stattfindet“, sagt der Charité-Experte. Hier reagiert das Immunsystem panikartig auf bestimmte Eindringlinge, schießt gewissermaßen mit Kanonen auf Spatzen. Als Folge zeigt sich oft rote und juckende Haut. Auch bei anderen Belastungen fungiert die Haut als sensibles Anzeigeinstrument. Dermatologin Albrecht sieht die Haut als „Spiegel der Seele und innerer Erkrankungen“. Stress macht die Haut fleckig, Lebererkrankungen färben sie gelb.

Natürlich zeichnet sich auch das Alter in der Haut ab. Manche lassen sich die Haut straffen oder die Falten wegspritzen. Nach einiger Zeit ist der verjüngende Effekt aber verschwunden. Ist es da nicht besser, in Würde alt zu werden und seine Falten mit Stolz zu tragen?

Paul Janositz

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